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XI.

Friedensschlüsse.

Nicht blos die Siege Preußens, nicht blos Napoleons zweideutige Politik, sondern auch Cholera und Typhus, welche auf dem böhmisch-mährischen Kriegsschauplaße ausgebrochen waren, drängten zum Friedensschlusse. Oesterreich, das im Norden gegen Preußen so bittere Erfahrungen hatte machen müssen, sollte wenigstens im Süden gegen Italien noch einen Lichtblick erleben. Am 30. Juli griff Admiral Tegethoff die italienische Flotte unter Persano bei Lissa an. Mit 7 Panzerschiffen brach er in das drei Panzerschiffe starke Centrum der italienischen Aufstellung und bohrte zwei der Schiffe in den Grund. Der rechte und linke Flügel der Italiener, jeder drei Panzer stark, machte den Versuch in die zweite und dritte Linie Tegethoffs einzubrechen, welche aus den österreichischen Holzschiffen gebildet wurden. Allein diese leisteten heroischen Widerstand, bis Tegethoff mit den Panzern umkehren konnte und die Holzschiffe deckte. Von der italienischen Holzflotte kam kein Schiff ins Gefecht, sie machte den müßigen Zuschauer 4000 Schritt von den Panzerschiffen entfernt. Persano hatte vor dem Gefecht das Admiralschiff verlassen, sich auf den stärksten Panzer Affondatore begeben und sich seiner persönlichen Sicherheit halber mit diesem hinter die Linie zurückgezogen. Das Admiralschiff ging unter. Dadurch, daß Persano sich verbarg, war Verwirrung entstanden und seine Flotte in allen Bewegungen gehemmt. Plötzlich dampfte Persano davon, die noch gefechtsfähigen italienischen Panzer hinterher und flüchteten in den Schutz des Hafens von Ancona. Persano wurde nach dieser Heldenthat aller Würden und Orden wegen Feigheit entsetzt.

Der Waffenstillstand zwischen Preußen und den süddeutschen Staaten war am 2. August, jedoch ohne Friedenspräliminarien, zu Stande gekommen. Die Friedensunterhandlungen mit den verschiedenen Regierungen sollten alsbald in Berlin beginnen. Am 4. August lud die preußische Regierung ihre Verbündeten

zum Abschluß eines auf die Gründung des norddeutschen Bundes abzielenden Vertrages durch folgende Circularnote ein: Mittelst identischer Note vom 16. Juni dieses Jahres hat die königliche Regierung die folgenden Staaten: MecklenburgSchwerin, Sachsen - Weimar - Eisenach, Mecklenburg - Streliß, Oldenburg, Braunschweig, Sachsen- Meiningen, Sachsen-Altenburg, Sachsen-Coburg-Gotha, Anhalt, Schwarzburg-Sondershausen, Schwarzburg-Rudolstadt, Waldeck, Reuß ältere Linie und Reuß jüngere Linie, Schaumburg-Lippe, Lippe, Lübeck, Bremen und Hamburg eingeladen, mit ihr ein Bündniß auf den Grundlagen einzugehen, welche mit einem baldigst zu berufenden Parlament zu vereinbaren sein würden, ferner ihre Truppen ungefäumt auf den Kriegsfuß zu stellen und Sr. Majestät dem Könige zur Vertheidigung ihrer Unabhängigkeit und ihrer Rechte zur Verfügung zu halten, und drittens an der Einberufung des Parlaments theilzunehmen, sobald dieselbe von Preußen erfolgt. Dagegen ist preußischerseits die Zusage ertheilt worden, daß, im Falle dieser Einladung entsprochen würde, den genannten Staaten die Unabhängigkeit und Integrität des Gebiets, nach Maßgabe der Grundzüge zu einer Bundesverfassung vom 10. Juli 1866, von Sr. Majestät dem Könige werde gewährleistet werden. Nur zwei der vorgenannten Staaten haben die Einladung der königlichen Regierung abgelehnt, Sachsen-Meiningen und Reuß ältere Linie. Nachdem mit den übrigen Staaten der über die einzelnen Punkte geführte Schriftwechsel in der zweiten Hälfte des vorigen Monats seinen Abschluß gefunden, befindet sich die königliche Regierung nunmehr in der Lage, ihrer Zusage des abgeschlossenen Bündnißvertrages zu entsprechen. Derselbe beschränkt sich darauf, die Voraussetzungen und Zusicherungen der identischen Note vom 16. Juni d. I. in die vertragsmäßige Form zu erheben und die königliche Regierung giebt sich deshalb der Erwartung hin, daß der im Interesse der Verbündeten liegende Abschluß recht bald stattfinden werde. Die besonderen Verabredungen, welche der Bündnißvertrag offen hält und welche mit einzelnen Regierungen bereits vorbereitet sind, würden nach diesseitigem Vorschlage in einem Zusagartikel zum Vertrage mit den betreffenden Regierungen zu erwähnen sein und den Abschluß des Bündnißvertrags nicht zu verzögern brauchen". Das Schriftstück schließt mit der Aufforderung, den betreffenden Gesandten in Berlin oder einen besonderen Bevollmächtigten zum Abschluß des Bündnißzvertrages zu ermächtigen.

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Der Entwurf dieses von Preußen vorgeschlagenen Bündnißvertrages enthält folgende sieben Artikel: Art. 1. Die Regierungen von . . . schließen ein Offensiv- und Defensiv-Bündniß zur Erhaltung der Unabhängigkeit und Integrität, sowie der inneren und äußeren Sicherheit ihrer Staaten und treten sofort zur gemeinschaftlichen Vertheidigung ihres Besitzstandes ein, welchen sie sich gegenseitig durch dieses Bündniß garantiren. Art. 2. Die Zwecke dieses Bündnisses sollen definitiv durch eine Bundesverfassung auf der Basis der

preußischen Grundzüge vom 10. Juni 1866 sicher gestellt werden, unter Mitwirkung eines gemeinschaftlich zu berufenden Parlaments. Art. 3. Alle zwischen den Verbündeten bestehenden Verträge und Uebereinkünfte bleiben in Kraft, soweit sie nicht durch gegenwärtiges Bündniß ausdrücklich modificirt werden. Art. 4. Die Truppen stehen unter dem Oberbefehl Sr. Majestät des Königs von Preußen. Die Leistungen während des Krieges werden durch besondere Verabredungen geregelt. Art. 5. Die verbündeten Regierungen werden gleichzeitig mit Preußen die auf Grund des Reichswahlgesetzes vom 12. April 1849 vorzunehmenden Wahlen der Abgeordneten zum Parlament anordnen und letzteres gemeinschaftlich mit Preußen einberufen. Zugleich werden sie Bevollmächtigte nach Berlin senden, um nach Maßgabe der Grundzüge vom 10. Juni d. J. den Bundesverfassungsentwurf festzustellen, welcher dem Parlament zur Berathung und Vereinbarung vorgelegt werden soll. Art. 6. Die Dauer des Bündnisses ist bis zum Abschluß des neuen Bundesverhältnisses, eventuell auf ein Jahr festgesetzt, wenn der neue Bund nicht vor Ablauf eines Jahres geschlossen sein sollte. Art. 7. Der vorstehende Bündnißvertrag soll ratificirt und die Ratifications-Urkunden sobald als möglich, spätestens aber innerhalb drei Wochen vom Datum des Abschlusses an, in Berlin ausgewechselt werden.

König Wilhelm von Preußen kehrte am 4. August aus dem Feldlager nach Berlin zurück, wo unterdeß, wie in vielen anderen Orten Deutschlands, die Cholera schwere Opfer an Menschenleben gefordert hatte, und eröffnete am 5. August den Landtag der Monarchie. Am 4. und 5. August fanden in Braunschweig Berathungen des Ausschusses des deutschen Handels, der ständigen Deputation des volkswirthschaftlichen Congresses, des Ausschusses des deutschen Nationalvereins und einer Anzahl politisch hervorragender Männer aus norddeutschen Staaten statt. Dieselben sprachen sich für ein direktes Bestimmungsrecht des künftigen Parlaments, für Aufrichtung der wirthschaftlichen Einigung mit den außerhalb des Bundesstaats stehenden Staaten und dafür aus, daß denselben bis zum Jahre 1870 der Beitritt zum Bundesstaat oder das Ausscheiden aus dem Zollvereine freigestellt bleiben solle. Alle Bundesstaaten sollten Preußen die Militairhoheit und diplomatische Vertretung bedingungslos überlassen.

Das preußische Abgeordnetenhaus beantwortete die Thronrede mit einer Adresse an den König, die den factischen Verhältnissen Rechnung trug und gleichsam den ersten Schritt zur Beilegung des inneren Conflicts bildete. && war das der Erfolg der Wahlen vom 3. Juli, dem Tage von Königgrät, die unter dem Eindruck der ersten Siege stattfanden. Die von der Volksvertretung so dringend aufgestellte Forderung, daß die Regierung die nationale Fahne aufpflanze und die Führung in Deutschland übernehme, war in den ersten Stadien

der Erfüllung und das Volk wählte in Folge dessen Abgeordnete, mit denen ein Ausgleich des inneren Conflicts zu hoffen stand.

Die Friedensverhandlungen zwischen Preußen und Oesterreich hatten am 6. August auf Grund der Nicolsburger Präliminarien begonnen und kamen am 23. August zum Abschluß. Der Friedensvertrag ist ein Aktenstück, das in einer Specialgeschichte nicht fehlen darf, weshalb wir mit Umgehung der Formen die nackten Paragraphen desselben im Wortlaut anführen:

Art. 1. Es soll in Zukunft und für beständig Friede und Freundschaft zwischen Sr. Majestät dem König von Preußen und Sr. Majestät dem Kaiser von Oesterreich, sowie deren Erben und Nachkommen und den beiderseitigen Staaten und Unterthanen herrschen. Art. 2. Behufs Ausführung des Artikels VI. der in Nicolsburg am 26. Juli d. J. abgeschlossenen Friedenspräliminarien, und nachdem Se. Majestät der Kaiser der Franzosen durch seinen, bei Sr. Majestät dem König von Preußen beglaubigten Botschafter amtlich zu Nicolsburg am 29. Juli ejusdem hat erklären lassen: „Qu'en ce qui concerne le Gouvernement de l'Empereur, la Vénétie est acquise à l'Italic pour lui être remise à la paix“, - tritt Se. Majestät der Kaiser von Oesterreich dieser Erklärung auch seinerseits bei und giebt seine Zustimmung zu der Vereinigung des lombardisch-venetianischen Königreichs mit dem Königreich Italien, ohne andere lästige Bedingung, als die Liquidirung derjenigen Schulden, welche, als auf den abgetretenen Gebietstheilen haftend, werden anerkannt werden, in Uebereinstimmung mit dem Vorgange des Tractats von Zürich. Art. 3. Die Kriegsgefangenen werden beiderseits sofort freigegeben werden. Art. 4. Se. Majestät der Kaiser von Desterreich erkennt die Auflösung des bisherigen deutschen Bundes an, und giebt seine Zustimmung zu einer neuen Gestaltung Deutschlands ohne Betheiligung des österreichischen Kaiserstaats. Ebenso verspricht Se. Majestät das engere Bundesverhältniß anzuerkennen, welches Se. Majestät der König von Preußen nördlich von der Linie des Main begründen wird und erklärt sich damit einverstanden, daß die südlich von dieser Linie gelegenen deutschen Staaten zu einem Verein zusammentreten, dessen nationale Verbindung mit dem norddeutschen Bunde der näheren Verständigung zwischen beiden vorbehalten bleibt und der eine internationale, unabhängige Existenz haben wird. Art. 5. Se. Majestät der Kaiser von Oesterreich überträgt auf Se. Majestät den König von Preußen alle seine im Wiener Frieden vom 30. Oktober 1864 erworbenen Rechte auf die Herzogthümer Holstein und Schleswig mit der Maßgabe, daß die Bevölkerungen der nördlichen Districte von Schleswig, wenn sie durch freie Abstimmung den Wunsch zu erkennen geben, mit Dänemark vereinigt zu werden, an Dänemark abgetreten werden sollen. Art. 6. Auf den Wunsch Sr. Majestät des Kaisers von Oesterreich erklärt Se. Majestät der König von Preußen sich bereit, bei den bevorstehenden Ver

änderungen in Deutschland den gegenwärtigen Territorialbestand des Königreichs Sachsen in seinem bisherigen Umfange bestehen zu lassen, indem er sich dagegen vorbehält, den Beitrag Sachsens zu den Kriegskosten und die fünftige Stellung Sachsens innerhalb des norddeutschen Bundes durch einen mit Sr. Majestät dem König von Sachsen abzuschließenden besondern Friedensvertrag näher zu regeln. Dagegen verspricht Se. Majestät der Kaiser von Oesterreich die von Sr. Majestät dem König von Preußen in Norddeutschland herzustellenden neuen Einrichtungen einschließlich der Territorialveränderungen anzuerkennen. Art. 7. Behufs Auseinandersetzung über das bisherige Bundeseigenthum wird binnen sechs Wochen nach Ratification des gegenwärtigen Vertrages eine Commission zu Frankfurt a. M. zusammentreten, bei welcher sämmtliche Forderungen und Ansprüche an den Deutschen Bund anzumelden und binnen sechs Monaten zu liquidiren sind. Preußen und Oesterreich werden sich in dieser Commission vertreten lassen, und es steht allen übrigen Bundesregierungen zu, ein Gleiches zu thun. Art. 8. Desterreich bleibt berechtigt, aus den Bundesfestungen das k. k. Eigenthum und von dem beweglichen Bundeseigenthum den matricularmäßigen Antheil Oesterreichs fortzuführen oder sonst darüber zu verfügen; dasselbe gilt von dem gesammten beweglichen Vermögen des Bundes. Art. 9: Den etatsmäßigen Beamten, Dienern und Pensionisten des Bundes werden die ihnen gebührenden, beziehungsweise bereits verwilligten Pensionen pro rata der Matrikel zugesichert, jedoch übernimmt die königl. preußische Regierung die bisher aus der Bundesmatrikularkasse bestrittenen Pensionen und Unterstützungen für Offiziere der schleswig-Holsteinischen Armee und deren Hinterlassene. Art. 10. Der Bezug der von der k. k. österreichischen Statthalterschaft in Holstein zugesicherten Pensionen bleibt den Interessenten verwilligt. Die noch im Gewahrsam der k. k. österreichischen Regierung befindliche Summe von 449,500 Thalern dänischer Reichsmünze in vierprocentigen dänischen Staatsobligationen, welche den holsteinischen Finanzen angehört, wird denselben unmittelbar nach der Ratification des gegenwärtigen Vertrages zurückerstattet. Kein Angehöriger der Herzogthümer Holstein und Schleswig und kein Unterthan ihrer Majestäten des Königs von Preußen und Kaisers von Oesterreich wird wegen seines politischen Verhaltens während der letzten Ereignisse und des Krieges verfolgt, beunruhigt, in seiner Person oder seinem Eigenthum beanstandet werden. Art. 11. Se. Majestät der Kaiser von Desterreich verpflichtet sich, behufs Deckung eines Theils der für Preußen aus dem Kriege erwachsenen Kosten an Se. Majestät den König von Preußen die Summe von 40 Millionen preußischen Thalern zu zahlen. Von dieser Summe soll jedoch der Betrag der Kriegskosten, welche Se. Majestät der Kaiser von Oesterreich, laut Art. XIII. des gedachten Wiener Friedens vom 30. October 1864, noch an die Herzogthümer Schleswig und Holstein zu fordern hat, mit 15 Millionen preußischer

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