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Bombe trug Verderben in die preußischen Reihen. Die Pommern wollten den Schaden der plagenden Granaten nicht lange ruhig ertragen. Sie stürzten unter Hurrah! in das Thal hinunter und stürmten die Höhe wieder hinan gegen die österreichische Stellung. Ein wüthender Kampf erfolgte. Anfangs boten die Oesterreicher dem Anprall Troß, doch der Stoß wurde durch die nachdrängenden Massen immer gewaltiger und die schwächeren Söhne des Südens konnten dem Ansturm der stämmigen Pommern nicht für die Dauer widerstehen, sie wichen nach schweren Verlusten über die Ebene nach Gitschin, doch nicht in Unordnung, sondern festgeschlossen. Langsam und mürrisch zogen sie rückwärts, in der Ebene dem Feuer der Zündnadel furchtbar preisgegeben, aber auch hierbei stritten sie noch um jeden Fußbreit Boden und boten dem Feinde immer und immer wieder die Stirn, um ihre wolgezielten Salven unter die nachrückenden Preußen zu schmettern. Noch lange blieb die Ebene der Schauplatz des langsam vorschreitenden Gefechts und Mitternacht war nahe, als endlich General von Werther mit seinen Truppen Gitschin erreichte, in dessen Straßen sich noch ein überaus gräßlicher und blutiger nächtlicher Kampf entspann.

Doch bevor wir über diesen berichten, müssen wir uns zu einem zweiten Gefechte vor Gitschin wenden, welches um dieselbe Zeit stattfand. Nördlich von Gitschin und an der Turnauer Straße hatten die Oesterreicher ebenfalls Stellung genommen, um Gitschin gegen die von Turnau heranrückenden Preußen zu decken. Die früher besprochene Hügelkette durchschneidet auch diese Straße, sie bildet bei dem neben derselben gelegenen Dorfe Brada einen steilen Abhang und läuft bis zu einem Flüßchen fort, welches, von Gitschin herkommend, bei Turnau in die Isar mündet. Bevor die von Turnau Herkommenden Brada erreichen, müssen sie einige Tausend Fuß vorher das am Wege gelegene Dorf Podult durchschreiten.

Der linke Flügel der Preußen war, wie wir schon erfuhren, bereits am 28. von Turnau aus auf diesem Wege aufgebrochen. Er bestand aus der 5. Division und 4 Batterien unter dem Befehle des Generals von Tümpling. Rowensko und Kolwa, welche auf halbem Wege nach Gitschin liegen, waren von Preußen besetzt worden; am 29. Nachmittags rückten sie von Rowensko gegen Bodult vor, von dem sie gegen halb 5 Uhr noch etwa 2000 Schritte entfernt waren. Die Preußen hatten Poduly hart an der Straße liegen, zur Rechten an der Ebene das Dorf Dilet und weiter rechts erblickten sie Brada. Podult und Diletz liegen unter Obstbäumen gleichsam versteckt, hinter Podulh aber beginnt ein Wald, der sich die Höhe hinaufzieht und Brada einschließt. Die drei Dörfer waren von österreichischen und sächsischen Truppen besett, 7 Batterien frönten den Bradaberg und andere Höhenpunkte, während hinter dem Fuß des Hügels Generalmajor von Edelsheim mit 3 Regimentern Husaren hielt. Zum Schuße der Stellung von Brada war ein Verhau errichtet worden,

der von Brada aus, den steilen Abhang hinab, bis nach Podult lief. Sobald die Preußen in Schußweite kamen, eröffneten die österreichischen Batterien ihr Feuer, das von der preußischen Artillerie kräftig erwidert wurde, unter deren Schuße die Colonnen zum Angriff schritten. Zwei preußische Regimenter rückten gegen Diletz vor, das von vier sächsischen Bataillonen besetzt war, zwei andere preußische Bataillone wandten sich gegen das von Oesterreichern besetzte Podulz. Beide angreifende Colonnen waren einem heißen Feuer ausgesetzt, doch wurden beide Dörfer nach hartnäckigem Kampfe genommen und von den Preußen besetzt. Bodult war durch eine Granate in Brand gerathen und brannte, während die Preußen einrückten. Zwar griff Edelsheim mit seinen Husaren mit verzweifelter Tapferkeit in den Kampf ein, um das Dorf zurückzugewinnen, allein die Pferde prallten, sich bäumend, vor den Flammen zurück, während die Preußen hinter den brennenden Gehöften vor einen Kugelschauer über die Cavallerie ergoffer, daß dieselbe unter Verlusten zurückweichen mußte. Nachdem Podulz eingenommen war, drängten die Preußen über Brada hinaus auf die Lochower Straße, um den von Lochow sich auf Gitschin zurückziehenden Oesterreichern den Rückzug abzuschneiden. Die Reiterei warf sich den vorrückenden Preußen entgegen, diese aber empfingen sie, ohne Carré zu bilden, mit einem so vernichtenden Hagel von Zündnadelgeschossen, daß die Reiter zurückprallten, in alle Winde auseinanderflogen und die Bahn freigeben mußten.

Durch den Verlust von Podult waren die Oesterreicher in Brada und die Sachsen und Oesterreicher in Diletz gänzlich von einander getrennt worden, die Besatzung von Brada wurde, da ihr der Rückzug abgeschnitten war, fast vollständig gefangen genommen. Auch den Sachsen wurde der Rückzug erschwert, weil General v. Werther von Sobotka her immer kräftiger auf Gitschin drängte und das kleine Flüßchen, bei Gitschin, zur Rechten der gesprengten Verbündeten, ausgedehnte Sümpfe gebildet hatte, die fast ungangbar waren, während die Straßen von Menschen und Wagen verstopft wurden. Die Sachsen erlitten zwischen Diletz und Gitschin schwere Verluste; sie fielen dicht nebeneinander. Ein preußischer Offizier schrieb darüber: „Die Sachsen haben furchtbar gelitten, aber sie lagen ganz so, wie sie im Gliede gestanden, zu Boden gestreckt." Aber auch die Verluste der Preußen waren schwere und das Schlachtfeld von Dilet war noch dichter mit Todten und Verwundeten bedeckt, als das bei Lochow, wo es auch mörderisch hergegangen war. Der Boden war mit Leichen, Waffen und Armaturstücken in wahrhaft entsegenerregender Weise besät.

Mit der heranbrechenden Nacht hatten die Preußen auf sämmtlichen Punkten bei Gitschin gesiegt. Die Oesterreicher und Sachsen zogen sich in die Stadt zurück und die preußischen Corps von Werthers und von Tümplings drängten ihnen nach, um mit der Einnahme von Gitschin den Sieg des Tages zu frönen.

Gitschin ist nur ein kleines Landstädtchen, doch ist es geschichtlich nicht ohne Interesse. Die Stadt war seiner Zeit Eigenthum Wallensteins, der in dem kleinen Orte oft seinen prachtliebenden Hof aufschlug und dessen Leiche auch im Karthäuserkloster der Stadt beigesetzt worden ist. Was mag dieses Helden über der Welt schwebender Geist empfunden haben, als er um seine stille Ruhestätte am 29. Juni 1866 plötzlich einen wildempörten Kampf toben sah, als er Oesterreichs Banner, das er so oft zum ruhmvollen Siege geführt hatte, zu Boden geworfen sah von den Protestanten des Nordens. An der Brücke, die über das Flüßchen in die Stadt führt, entbrannte der Kampf noch einmal mit gesteigerter Heftigkeit, die wichtige Position wurde eben so zähe vertheidigt, als sie stürmisch angegriffen wurde. Die Oesterreicher und Sachsen schmetterten ihre wolgezielten Salven den preußischen Infanteristen entgegen; nur langsam wichen endlich die Verbündeten auch hier der drängenden Gewalt in die Stadt hinein, in deren Straßen sich unter dem Schatten der Nacht ein wilder und grausiger Kampf entspann, vor dessen Schilderung jede Feder erlahmen muß.

Beim Einrücken der Preußen in die Straßen waren die Desterreicher hinter der Stadt bereits zurückgeworfen, und dieselbe war nur noch von der Arrieregarde, die aus Sachsen bestand, besetzt. Als die preußische Vorhut in die engen und dunkeln Straßen eindrang, wurde sie von den Sachsen mit heftigem Feuergruße empfangen. Auch aus den Häusern knatterten die Schüsse auf die Angreifer nieder. Die Thurmuhr hatte eben Mitternacht geschlagen, als die Sturmsignale der Preußen ertönten und ihr Angriff in die Stadt hereinbrach. Die Sachsen wichen nur langsam Schritt für Schritt zurück und hielten sich an jedem Deckungsmittel, während der Kugelhagel aus den Fenstern, von den Dächern immer dichter auf die Angreifer niederprasselte. Die Preußen befanden sich in einer sehr schwierigen Lage. Dichte Nacht deckte den Kampfplay, so daß äußerst wenig zu erkennen blieb. Die Sachsen tauchten bald hier, bald da aus den engen dunkeln Straßen auf; erst das Aufblitzen ihrer Büchsen verkündigte den Preußen ihr Dasein, doch ehe sich diese von dem plötzlichen Angriffe zu erholen wußten, waren die behenden sächsischen Jäger von dieser Stelle bereits wieder in einem dunklen Straßenschlunde verschwunden, um wenige Minuten später an einer andern Stelle eben so plötzlich aufzutauchen, einen Angriff zu vollführen und wieder zu verschwinden.

Doch das Geschick des Tages konnten solche kleine Zwischenspiele nicht mehr aufhalten, nicht mehr abwenden. Immer dichtere Reihen preußischer Infanterie rückten in die Stadt ein und die Vertheidiger wichen vor der Uebermacht; nicht allzulange nach Mitternacht befand sich Gitschin in der Gewalt der Preußen. Clam-Gallas, welcher schon hinter Gitschin stand und seinen erschöpften Truppen unmöglich nochmaliges Vorgehen zumuthen konnte, zog auch die noch in Gitschin kämpfenden Sachsen an sich, da die Preußen sich auf beiden Seiten um die

Stadt schlängelten und sie einzuschließen drohten. Um nicht abgeschnitten zu werden, mußten die Sachsen die Vertheidigung aufgeben und sich auf ihre Verbündeten zurückziehen. Die verbündeten Oesterreicher und Sachsen überließen Gitschin seinem Schicksal und traten den Rückzug in südöstlicher Richtung gegen Miletin und Horzit an. Die sächsische Armee nahm Stellung um Prini, in welchem Orte Kronprinz Albert sein Hauptquartier aufschlug.

Die vernichtende Wirkung der preußischen Zündnadelwaffe konnte nach all diesen Gefechten nicht mehr in Abrede gestellt werden; die Machtlosigkeit ihrer eigenen Bewaffnung jener gegenüber, verbreitete aber in den Reihen der Oesterreicher nicht nur die Schrecken des Todes, sondern Entmuthigung löste auch noch die Disciplin und lockerte alle militairische Bande. Italiener und Ungarn gaben sich massenweis und widerstandslos gefangen.

Aber nicht nur auf die österreichische Armee, sondern auch auf die, mit dem Kaiserstaat verbundenen Bundesstaaten, übte der rapide Siegeszug der Preußen in Böhmen und die gänzliche Machtlosigkeit der allberühmten Heere Desterreichs zum Widerstand gegen die neuen Kriegssysteme Preußens tiefe Entmuthigung aus und lähmte die Energie und Bewegung ihrer Streitkräfte, welche bei einem glücklichen Erfolge der Waffen Habsburgs sich sicher zu ganz anderer Thatkraft erhoben hätten, als es jezt geschah.

VIII.

Bei Königgrätz.

Die Einnahme von Gitschin war für die österreichische Armee ein harter Schlag, und die moralischen wie strategischen Wirkungen der erlittenen Niederlagen erwiesen sich gleich schlimm und bedrohlich, während auf preußischer Seite durch die Schlag auf Schlag einander die Hand reichenden Erfolge auf allen Hauptpunkten des Kriegsschauplatzes Muth und Selbstvertrauen in hohem Maße wuchsen. Die Schlacht bei Gitschin und der daselbst erfochtene Sieg hatte in Berlin große Aufregung erzeugt; ein förmlicher Siegestaumel ergriff die Bewohner und Abends strahlte die Residenz im Lichtglanze einer freiwilligen Jllumination. Am 30. Juni Morgens reiste König Wilhelm in Begleitung des Ministerpräsidenten von Bismarck, des Kriegsministers Roon und einer weiteren glänzenden Suite von Prinzen und Würdenträgern nach Böhmen ab, um bei der offenbar bevorstehenden Hauptschlacht auf dem Plaze zu sein. Am 2. Juli traf er, vom Prinzen Friedrich Karl empfangen, in Gitschin ein und nahm im Schloße Quartier.

Die zweite kronprinzliche Armee hatte nach ihrem glücklichen Vordringen aus den Pässen des Riesengebirges sich bei Gradlig am 30. Juni vereinigt, am 1. und 2. Juli bei Turnau und Königinhof die Elbe überschritten und stand jetzt in der Umgegend von Miletin concentrirt und mit der ersten Armee in Fühlung. Die erste Armee, vereinigt mit der Elbarmee, war nach dem Gitschiner Siege bis Horzitz vorgerückt. Hiermit war die strategische Verbindung der sämmtlichen, gegen Oesterreich in das Feld gezogenen preußischen Truppentheile auf dem rechten Ufer der obern Elbe hergestellt und sie standen für die Hauptschlacht bereit.

Die österreichische Nordarmee unter dem Oberkommando Benedeks hatte in den wenigen Tagen des Krieges gegen die drei preußischen Armeen, da alle seine Dispositionen zur Vertheidigung der Gebirgspässe und Flußübergänge zu

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