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nur noch ein Wort über das berüchtigte londoner Protokoll, welches die deutschen Großmächte ohne Zustimmung des Bundes mit Dänemark abschlossen, welches dafür aber die Genehmigung der europäischen Großmächte, und Schwedens erhielt. Das londoner Protocoll regelt die Erbfolgefrage, natürlich ebenso ohne die Rechte der Herzogthümer zu beachten, insofern, daß durch König Friedrichs VII. Ableben der Schwiegersohn der nach dänischem Gesetze zunächst erbberechtigten Prinzessin Louise von Hessen, der Prinz Christian von Holstein-Glücksburg zum Thronfolger in der gesammten dänischen Monarchie bestimmt ward. Die schleswig-Holsteinischen Stände und das erbberechtigte Haus Augustenburg wurden bei diesem Protocoll ebensowenig gefragt, als der deutsche Bund; ja, es gelang den Dänen sogar, dem Haupte der Augustenburgischen Linie, dem Herzog Christian von Augustenburg, einen Verzicht auf die Erbfolge für sich und sein Haus für drei Millionen Thaler abzukaufen. Der Protest seiner Familienmitglieder gegen ein solches Abkommen verhallte wirkungslos.

Durch die Anerkennung des londoner Protokolls von Würtemberg, Hannover und Sachsen schwand die Hoffnung auf eine Lösung der schleswig-Holsteinischen Frage nach dem rechtmäßigen Verlangen des Volks der Herzogthümer im deutschen Sinne immer mehr. Dänemark hatte im londoner Protocoll einen vollkommen Triumph erreicht.

II.

Dänischer Cebermuth.

Die dänische Regierung hatte durch die Verhandlungen der Diplomaten im londoner Protocolle einen Triumph erreicht, nach welchem für die unterdrückten Rechte Schleswig-Holsteins vor der Hand gar nichts mehr zu hoffen blieb. Nur die Schleswig-Holsteiner selbst dachten nicht so und wankten nicht in ihrem Widerstande gegen die dänischen Pläne. Mit unerschütterlicher Treue und Beharrlichkeit setzten die geprüften Männer jeder Zumuthung, welche gegen ihre Rechte verstieß, den unbeirrten Fingerzeig auf diese Rechte entgegen; mit Gewalt verüben konnten die dänischen Zwingherren, nimmer aber auch nur einen Schein der Zustimmung oder Nachgiebigkeit von dem bedrängten Volke der Herzogthümer erlangen.

Auch gegen Deutschland, dessen Regierungen sie an Dänemark preisgegeben hatte, hielten die Schleswig-Holsteiner die Fußung auf ihr Recht fest. Und wie schwer auch die Tage sich gestalteten, wie hart auch der Druck auf ihrem Nacken lastete, um die Widerstrebenden zu beugen: die schleswig-Holsteinischen Männer hielten tapfer und ohne Wanken Stand. Von Deutschland aufgegeben, ihrer besten Männer beraubt, unter die Last dänischer Beamten und Militairherrschaft gebeugt, die jedes Murren schon mit unerschwinglichen „Brüchen“ bestrafte, weigerten sich die Stände der Herzogthümer dennoch unbeirrt, zu irgend einer Trennung Schleswigs von Holstein ihre Zustimmung zu geben oder die Gültigkeit des londoner Protocolls anzuerkennen. „Up ewig ungedeelt", so lautete und blieb der Wahrspruch und unabänderliche Schluß dieser Männer in allen Nöthen, und die Frauen, die vor Schmerz und Verzweiflung weinenden, welche befürchten mußten, die Säuglinge auf ihren Armen zu Sclaven Dänemarks zu erziehen, hofften doch immer beharrlich und statt der Wiegenlieder sangen sie die tröstende Strophe ihres bei schwerer Strafe verbotenen Liedes:

„Theures Land, du Doppeleiche
Unter einer Krone Dach,
Stehe fest und nimmer weiche,
Wie der Feind auch dräuen mag:
Schleswig-Holstein stammverwandt,
Wanke nicht mein Vaterland!

Als die zwischen den deutschen Mächten und Dänemark in den Jahren 1851-1852 gepflogenen Unterhandlungen zu Ende gebracht waren, deren Resultat bereits im vorigen Kapitel mitgetheilt wurde, und durch die Dänemark die Herzogthümer in seine Hand zurückempfing, da war es die erste Sorge der dänischen Regierung, die gegebenen Zusicherungen nicht zu halten, sondern dieselben möglichst übermüthig zu verlezen. Die ganze Einrichtung der Verwaltung war ein einziger Hohnspruch auf den deutschen Bund, welcher so geduldig geglaubt hatte, das perfide Inselvolk, dessen ganze Abstammung von einer Seeräubernation schon nicht auf viele Ehrlichkeit hindeutete, würde ge= schlossene Verträge auch erfüllen und nach ihnen handeln, wenn dieselben nicht mit dem Schwerte in der Hand durchgeführt werden. Von den Verheißungen, welche die Bundescommissare dem sich unterwerfenden Lande gemacht hatten, wurde nicht eine erfüllt, ja recht absichtlich höhnten die Dänen gerade durch frechste Verletzung derselben. Die schleswig-Holsteinische Armee wurde ohne Weiteres der dänischen einverleibt, Rendsburg mit Dänen besetzt und theilweis geschleift, die Marine für Dänemark confiscirt, und das gesammte Kriegsmaterial im Werthe von vielen Millionen, welches Bundeseigenthum hätte werden sollen, als gute Beute nach Kopenhagen gebracht. Die Vertrags-Bestimmungen kamen ebensowenig zur Ausführung. Die Einverleibung und Danisirung Schleswigs, welche nach wie vor das Ideal der mächtigen eiderdänischen Partei bildete, blickte mit frechem Verlangen aus jeder neuen Maßregel. Es fiel der dänischen Regierung nicht ein, den Provinzialständen die vertragsmäßig zugesicherte beschließende Befugniß zu ertheilen und die versprochene Gleichberechtigung aller Landestheile artete in ein offnes Verhöhnen alles Rechts durch die Dänen gegen die deutschen Unterthanen aus. Die Vergewaltigung des deutschen Elements in Schleswig begann in einer wahrhaft scheußlichen rohen Art, die an die Hugenotten-Verfolgungen in Frankreich unter Louis XIV. an die berüchtigten Dragonaden, erinnerte.

Mit Gewalt wurden in Kirchen und Schulen der völlig deutschen Gemeinden Schleswigs dänische Lehrer und die dänische Sprache eingeführt und alle deutschen Gerichte völlig danisirt. Dänische Protokolle mußten die deutschen Schleswiger unterschreiben und in dänischer Sprache erhielten sie die nie abreißenden hohen Brüche zudictirt, unter denen der sich deutsch gefühlt und deutsch geäußert zu haben stets der am härtesten Betroffene war. Jeder

deutsche Patriot wurde geächtet und jeder Beamte, welcher den danisirenden Maßregeln sich widersetzte, verjagt und seine Stelle mit Dänen besetzt, unter denen die schlechtesten Subjecte Gerichtsleute, Geistliche und Lehrer werden konnten, wenn sie sich nur verpflichteten, eifrige Creaturen für die dänischen Einverleibungsmaßregeln zu werden. Hunderte deutscher Beamten, die ihre Gesinnung nicht verleugnen wollten, mußten in das Eril wandern, Hunderte anderer Patrioten folgten ihnen nach, um durch die Flucht dem Ruine durch dänische Maßregelungen zu entgehen. Die Presse war geknebelt und jeder Widerstand in Wort und Schrift erstickte unter der rohen Faust der Gewalt schon im Entstehen.

Unter solchen Umständen wurde den Ständen der Herzogthümer eine Verfassung vorgelegt, welche den Ständen so viel als nichts, der Regierung aber alles Recht und volle Freiheit zum Handeln gab. Diese Verfassung wurde von den Ständen der Herzogthümer zwar fast einstimmig zurückgewiesen, dessenungeachtet aber in beiden Herzogthümern eingeführt. Bald darauf erließ Dänemark ganz selbstständig auch die neue Gesammtstaatsverfassung, welche die Stände der Herzogthümer vor ihrer rechtsgültigen Veröffentlichung gar nicht zu sehen bekamen, obwohl doch die Vereinbarungen mit den deutschen Mächten und dem Bunde ausdrücklich die Bestimmung enthielten, daß die Einführung dieser Verfassung nur auf gesetz- und verfassungsmäßigem Wege, nach Durchberathung mit den Provinzialständen, stattfinden solle.

So wurde auch hierin dem deutschen Bunde von den Dänen offen Hohn gesprochen, und sie benutzten die nächste Gelegenheit, um jenem unzweideutig den Beweis von der gänzlichen Rechtlosigkeit der Herzogthümer Dänemark gegenüber in das Gesicht zu schleudern. Als nämlich im Winter 1855/56 die holsteinischen Stände zusammentraten und wegen des Rechtsbruches eine Adresse an den König richten wollten, wurde ihnen von Kopenhagen aus jede Berathung einer solchen Kundgebung verboten und die schon stattgefundene Erörterung einfach als Nullität" erklärt. Der deutsche Bund aber blieb bei alledem in gewohnter Langmuth und bequemer Schläfrigkeit vollkommen ruhig, blind und taub für solche Hohnsprüche des kleinen Inselvolks gegen seine Autorität.

Die Herzogthümer machten jetzt noch den Versuch, sich im Reichsrathe zu beschweren, und ihre Vertreter beantragten, daß die Gesammtverfassung wenigstens noch nachträglich den Ständen der Herzogthümer vorgelegt werden sollte; aber wie ein Mann stimmten sofort alle Dänen dagegen und die Herzogthümer waren wiederum rechtlos.

Da derartige Dinge im Reichsrathe nun aber doch nicht gut vorgehen. konnten, ohne daß die europäische, und besonders die deutsche Presse, davon Notiz nahm, so sahen sich die deutschen Großmächte nach obigem Vorfalle wenigstens zu der Anfrage in Kopenhagen veranlaßt, wie die Verträge von

1851/52 und die für Dänemark daraus entspringenden Verpflichtungen eigentlich erfüllt worden seien?,,Alles in bester Ordnung!" lautete die wahrhaft schamlose Antwort der dänischen Regierung; doch ließ sie sich endlich, nachdem die deutschen Regierungen ihre berechtigten Zweifel an der Wahrhaftigkeit dieser Antwort über ein Jahr lang in verschiedenen Noten nach Kopenhagen expedirt hatten, dazu herbei, mit einer beinahe imponirenden Nonchalance und einer Naivetät sonder Gleichen zu erklären, daß sie „aus Freundschaft und Nachgiebigkeit" gegen die reclamirenden Mächte den holsteinischen Ständen gelegentlich einmal die Gelegenheit geben wolle, sich über die Gesammtverfassung auszusprechen. Von den schleswigschen Ständen und von Schleswig überhaupt war schon jetzt gar nicht mehr die Rede, als sei dessen Einverleibung in Dänemark eine längst vollbrachte und anerkannte Thatsache. Und die deutschen Mächte gaben sich wirklich mit dieser fast beispiellosen Antwort des Kopenhagener Cabinets zufrieden.

Im September 1857 kam dann auch der Augenblick, daß sich die Stände Holsteins so beiläufig über die Gesammtverfassung äußern konnten. Natürlich wollten die schlauen Dänen eine solche Aeußerung nur herbeiführen, um dann dreist behaupten zu können, daß die Verfassung jetzt mit den Provinzialständen berathen und ihre Gesetzmäßigkeit nunmehr über jedem Zweifel erhaben sei. Die holsteinischen Vertreter durchschauten jedoch diese edle Absicht, lehnten es ab, sich über die Gesammtverfassung auszusprechen, schilderten blos die trostlose Lage des Landes und wandten sich beschwerdeführend an den deutschen Bund in Frankfurt a. M. mit der dringenden Bitte um schleunige Abhilfe. Die Bundesversammlung war denn auch so vollständig von der Dringlichkeit der Sache überzeugt, daß sie bereits nach elf Wochen, am 11. Februar 1858, den Beschluß faßte: die dänische Gesammtstaatsverfassung von 1855, soweit fie Holstein und Lauenburg betreffe, sowie § 1-6 der holsteinischen Sonderverfassung von 1854 feien ungiltig und dem Bundesrecht, sowie den Vereinbarungen von 1851 und 52 zuwiderlaufend. Die dänische Regierung sei deshalb zu ersuchen, einen mit jenen Vereinbarungen übereinstimmenden Zustand herbeizuführen. Ein weiterer Beschluß der Bundesversammlung vom 25. Februar besagte, daß die dänische Regierung sich fortan aller mit dem gestellten Verlangen des Bundes in Widerspruch stehenden Maßnahmen zu enthalten habe.

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Die dänische Regierung antwortete nach Wochen, daß sie bereit sei, über die Auslegung der Vereinbarungen von 1851 und 52 mit der Bundesversammlung von Macht zu Macht" zu verhandeln, was dieser nicht genügte, sondern zu dem Verlangen veranlaßte, die dänische Regierung solle sich binnen sechs Wochen in bestimmter Mittheilung" erklären, wie sie die durch Bundesbeschluß vom 11. Februar geforderte Regelung der Verfassungsverhältnisse Holsteins und Lauenburgs in das Werk sehen wolle. Schleswigs wurde hierbei auch

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