Das Fortleben homerischer Gestalten in Goethes Dichtung

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C. Bertelsmann, 1893 - 92 Seiten
 

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Beliebte Passagen

Seite 18 - Was den Homer betrifft, ist mir wie eine Decke von den Augen gefallen. Die Beschreibungen, die Gleichnisse usw. kommen uns poetisch vor und sind doch unsäglich natürlich, aber freilich mit einer Reinheit und Innigkeit gezeichnet, vor der man erschrickt.
Seite 12 - Gestalt; so sag ich: Der Mann sieht nicht, hört nicht, fragt nicht, strebt nicht, wirkt nicht. Der Mittelpunkt aller Sinne dieses Haupts ist in der obern, flach gewölbten Höhlung der Stirne, dem Sitze des Gedächtnisses. In ihr ist alles Bild geblieben, und alle ihre Muskeln ziehen sich hinauf, um die lebendigen Gestalten zur sprechenden Wange herabzuleiten. Niemals haben sich diese...
Seite 40 - Denn ach, mich trennt das Meer von den Geliebten Und an dem Ufer steh" ich lange Tage, Das Land der Griechen mit der Seele suchend, Und gegen meine Seufzer bringt die Welle Nur dumpfe Töne brausend mir herüber.
Seite 43 - Von Cento herüber wollte ich meine Arbeit an Iphigenia fortsetzen, aber was geschah, der Geist führte mir das Argument der Iphigenia von Delphi vor die Seele, und ich mußte es ausbilden.
Seite 12 - Diese eingesunkne Blindheit, die einwärts gekehrte Sehkraft, strengt das innere Leben immer stärker und stärker an, und vollendet den Vater der Dichter.
Seite 41 - Spotte nicht. Ein jeglicher muß seinen Helden wählen, Dem er die Wege zum Olymp hinauf Sich nacharbeitet.
Seite 43 - Ruhe kontrastiert gar merkwürdig mit Elektrens irdischer Leidenschaft, als die beiden Gestalten, wechselseitig unerkannt, zusammentreffen. Der entflohene Grieche erblickt Iphigenien, erkennt die Priesterin, welche die Freunde geopfert, und entdeckt es Elektren. Diese ist im Begriff", mit demselbigen Beil, welches sie dem Altar wieder entreißt, Iphigenien zu ermorden, als eine glückliche Wendung dieses letzte schreckliche Übel von den Geschwistern abwendet. Wenn diese Szene gelingt, so ist nicht...
Seite 90 - Das Kleid, laß es nicht los. Da zupfen schon Dämonen an den Zipfeln, möchten gern Zur Unterwelt es reißen. Halte fest! Die Göttin ist's nicht mehr, die du verlorst, Doch göttlich ist's. Bediene dich der hohen, Unschätzbarn Gunst und hebe dich empor: Es trägt dich über alles Gemeine rasch Am Äther hin, solange du dauern kannst. Wir sehn uns wieder, weit, gar weit von hier.
Seite 80 - ... Achilleis ist ein tragischer Stoff, der aber wegen einer gewissen Breite eine epische Behandlung nicht verschmäht. — Er ist durchaus sentimental und würde sich in dieser doppelten Eigenschaft zu einer modernen Arbeit qualifizieren, und eine ganz realistische Behandlung würde jene beide innere Eigenschaften ins Gleichgewicht setzen. Ferner enthält der Gegenstand ein bloßes persönliches und Privatinteresse, dahingegen die Ilias das Interesse der Völker, der Weltteile, der Erde und des...
Seite 18 - Bild mit Firnis überzieht, wodurch das Werk zugleich deutlich und in Harmonie erscheint. Ich gestehe, daß es mir aufhörte, ein Gedicht zu sein, es schien die Natur selbst, das auch bei jenen Alten um so notwendiger war, als ihre Werke in Gegenwart der Natur vorgetragen wurden.

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