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siebenundzwanzigjährige Friedrich Friesen geschildert. Nach dem Tode Körners wurde derselbe Adjutant Lüßows und fiel am 15. März 1814 bei La Lobbe in Frankreich. Sein Freund und Kampfgenosse Jahn rief ihm in der Vorrede seiner „Deutschen Turnkunst“ jene schönen Worte nach: „Friesen war ein aufblühender Mann in Jugendfülle und Jugendschöne, an Leib und Seele ohne Fehl, voll Unschuld und Weisheit, beredt wie ein Seher; eine Siegfriedsgestalt von großen Gaben und Gnaden, den Jung und Alt gleich lieb hatte; ein Meister des Schwerts auf Hieb und Stoß, kurz, rasch, fest, fein, gewaltig und nicht zu ermüden, wenn seine Hand erst das Eisen faßte; ein fühner Schwimmer, dem kein deutscher Strom zu breit und zu reißend; ein reisiger Reiter in allen Sätteln gerecht; ein Sinner in der Turnkunst, die ihm viel verdankt. Ihm war nicht beschieden ins freie Vaterland heimzukehren, an dem seine Seele hielt. Von welscher Tücke fiel er bei düstrer Winternacht durch Meuchelschuß in den Ardennen. Ihn hätte auch im Kampf keines Sterblichen Klinge gefällt. Keinem zu Liebe und keinem zu Leide: Aber wie Scharnhorst unter den Alten, ist Friesen von der Jugend der Größeste aller Gebliebenen."*) Ihm am ähnlichsten unter den Gebliebenen waren Eckard aus Mansfeld und ein Graf zu Stolberg, die Arndt ebenfalls besingt (Klage um drei junge Helden); ferner die drei jungen Grafen (Gröben, Caniz, Dohna), die Max von Schenkendorf feiert; und, von allen der berühmteste Theodor Körner, der Braut und Amt und seinen Dichterruhm im Stich ließ, um sein junges, reiches Leben dem Vaterlande zu opfern. Auch Jahn war Lüßower; fast alle waren es, die nachmals in Kunst und Wissenschaft oder in wirksamer Deutschheit hervorragten. Mit hochfliegender Begeisterung folgten sie dem Banner der Freischar, welches mit seinen Farben schwarz-rot-gold die ganze deutsche Jugend aus der Nacht der Knechtschaft durch Blut zur Sonne der Freiheit führen sollte.

Aber diese schönen und großen Hoffnungen verwirklichten sich nicht, diese herrliche Blüte welkte und trug keine Frucht; denn das außerpreußische Deutschland, für welches die Schar doch vornehmlich bestimmt war**), beteiligte sich an diesem „nordischen Kriege" wenig; das Lützow'sche Corps blieb eine bloße Freischar. Als solche hätte sie nun im Rücken des Feindes bedeutende Schläge ausführen sollen. Das geschah jedoch nicht. Major von Lützow war ein tapferer Mann, aber kein geschickter Parteigänger; es fehlte ihm dazu an der nötigen Umsicht und zugleich kühnen und besonnenen Entschlossenheit. Daher kam es denn, daß ihn bei seinen Unternehmungen ein Unstern verfolgte. Überdies wuchs die Truppe durch Zuzug aus der Altmark, aus Sachsen und Mecklenburg von 1050 Mann (so zahlreich war sie beim Auszug aus Schlesien) im Mai auf 2000 Mann Fußvolks mit 9 Geschüßen und 600 Reitern an und wurde dadurch für eine bloße Streifschar zu schwerfällig. Auch hielt man sich

*) C. Euler, Friedrich Friesen, Berlin 1885. Friesens Gebeine ruhen auf dem Jus validenkirchhofe zu Berlin.

**) Vgl. die zweite Stabinetts-Crdre vom 18. Februar 1813.

zu lange mit Rüstungen und Vorbereitungen auf. Kurz, die Schar brachte es nicht zu großen Thaten, obwohl sie überall, wo sie mit dem Feinde zusammentraf, sich mit größter Tapferkeit schlug, wie sie denn gleich ihr erstes Gefecht (den 12. Mai an der Göhrde) sehr rühmlich bestand. Dennoch haßte Napoleon keinen Teil seiner Gegner so bitter als dieses Corps, zum Zeichen, daß er den Volksgeist mehr fürchtete, als er zu thun sich den Anschein gab. Er benußte daher mit ingrimmiger Schadenfreude eine Unvorsichtigkeit Lüßows, um demselben einen furchtbaren Schlag zu versehen.

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Ende Mai hatte Lüßow von der Altmark mit 400 Reitern einen Streifzug nach Thüringen unternommen, hob in Roda und Schleiz 500 Rheinbündner auf, die sogleich bei ihm Dienste nahmen, und drang über Plauen im Voigtlande bis Hof in Bayern vor. Hier traf ihn die Nachricht vom Waffenstillstand. Sei es nun, daß er bei den Franzosen und Rheinbündnern auf Ritterlichkeit und Schonung rechnete oder seine natürliche Sorglosigkeit ihn in Sicherheit wiegte, er nahm, statt nach Böhmen überzutreten oder sich selbst einen Weg durch Sachsen nach der Elbe zu suchen, die Führung eines von dem sächsischen Kriegsminister von Gersdorf abgeschickten Wegweisers an, der ihn in das Netz führte, welches man ihm jezt legte.*) Denn Napoleon hatte beschlossen, während des Waffenstillstandes alle Freicorps zu vernichten. Auf seine Weisung, „Sachsen von den Räubern zu befreien und sie zu vernichten, wo er sie finde", schickte der in Leipzig befehligende französische General Fournier, beauftragt von seinem Vorgesezten, dem Herzog von Padua, 4000 Reiter, Franzosen und Rheinbündner, an den Floßgraben, den nach Leipzig heranziehenden Lützowern entgegen. Bei Kißen wurde die kleine Schar von allen Seiten umringt, mit zehnfacher Übermacht angefallen und niedergehauen (17. Juni). Deutsche eine württembergische Brigade unter dem General von Normann waren es, welche dies Schergenamt wider ihren Willen verüben mußten. 305 Lüßower fielen oder wurden gefangen; der Überrest noch 100 Reiter, darunter Lüßow selbst und Körner, der lettere schwer verwundetentkam glücklich und rettete sich über die Elbe. Wenn Lügow sich hier auch wenig umsichtig zeigte, namentlich auch alle Warnungen unberücksichtigt ließ, so ist er doch von dem Vorwurf frei zu sprechen, den ihm Napoleon machte, als habe er den Waffenstillstand verleßt. Sein Verfahren in dieser Beziehung war korrekt, und der „Überfall“ ein rechtswidriger Friedensbruch. **)

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Die Freischar erholte sich von diesem Schlage nie ganz wieder; sie spielte seitdem auch in der öffentlichen Meinung nur eine Nebenrolle; sie hat zwar immer mit Ehren gekämpft und später manchen glücklichen Tag gehabt, aber mehr als die Bedeutung eines Streifcorps hat sie nie erlangen können. Ohne Zweifel, wenn die Masse von Geist und Eifer, die in ihr vereinigt war, unter

*) Vgl. Skizzen aus dem Leben F. Hoffbauers von J. A. Voigt, Halle 1869, S. 197 ff. **) A Brecher, Napoleon I. und der Überfall des Lüyowschen Freicorps bei Mißen am 17. Juni 1813, Berlin 1897.

die regelmäßigen Heerkörper wäre verteilt worden, die Leistungen dieser Feuerköpfe hätten beträchtlicher sein müssen. Aber wiegt nicht diesen Vorteil die Poesie auf, welche die Schar in das Bild jenes Krieges bringt, wär' es auch nur die Poesie des Schmerzes?

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Die Zeit des Waffenßtillßtandes.

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Als am zweiten Pfingsttage," erzählt Arndt*), „die Nachricht von der abgeschlossenen Waffenruhe nach Berlin kam, wurden plößlich alle Gesichter blaß, alle Herzen wie vom Donnerstrahl getroffen; bange Todesstille war in der eben noch so fröhlichen Menge der wandelnden Menschen; die Sonne des schönen Frühlingstages schien nur auf Verzweifelnde." Man fürchtete, die große Bewegung werde im Sande verrinnen, die Ketten festbleiben, ein fauler Friede der Lohn so vieler Anstrengungen sein. Allmählich machte sich indes eine gerechtere Würdigung der Dinge geltend, die Nüßlichkeit und Notwendigkeit des Ereignisses wurde begriffen. Man erkannte und billigte den Zweck, welchen der König in einer Erklärung an das Volk (vom 15. Juni) ausdrücklich angab: „damit die Nationalkraft, die mein Volk bis jezt so ruhmvoll gezeigt hat, sich weiter entwickeln könne." Mit verdoppeltem Eifer betrieb man ganz Preußen ein Heerlager das Werk der Rüstung. Was bisher gefochten, waren nur die Rahmen jenes mächtigen Volksheeres gewesen, welches der König im März aufgeboten; sie hatten heldenhaft gefochten, die Kämpfer von Großgörschen und Baußen, freiwillige Jäger und Linientruppen, beide gleich preiswürdig, sie hatten die Übermacht nicht besiegen können, aber ein Großes erreicht, daß hinter ihnen das Volksheer schlagfertig aufmarschieren, daß jezt recht eigentlich die Masse der Nation ins Feuer geführt werden konnte, die reiche Sommerernte der schönen Frühlingssaat. Bei Beginn des Krieges hatte die Regierung die Festungen zwischen Elbe und Weichsel, welche der Feind noch in Händen hielt, durch die Ersazbataillone des stehenden Heeres einschließen lassen. Sie machten hier die Vorschule des Krieges durch. Sie wurden darauf von den ausgebildetsten Bataillonen der Landwehr abgelöst, die dann wiederum anderen Landwehrhaufen Plaß machten, um ihrerseits zur Feldarmee abzugehen. Die Kleidung der Landwehr war sehr einfach: eine blaue Litewka (Rock) mit einem Kragen von der Farbe der Provinz, die Preußen rot, die Pommern weiß, die Märker krapprot, die Schlesier gelb, später (nach Eroberung der preußischen Provinzen links der Elbe) die Elbregimenter hellblau mit roter Einfassung, die Thüringer grün; eine blaue Tuchmüße mit dem Kreuz von Blech vor der Stirn, um welches die Inschrift: Mit Gott für König und Vaterland! Die Waffen waren beim Fußvolk zunächst das Gewehr, bei den Reitern Säbel und Lanze. Wenngleich nun die Landwehrleute nicht so militärisch aus

*) Schriften für und an meine lieben Deutschen, I. 138. Vgl. Arndt, Wanderungen, Seite 185.

sahen, wie die Linientruppen, weshalb sie vom Feinde anfangs den Spottnamen „Kreuzbauern“ erhielten, so bewiesen sie doch sehr bald durch die That, daß sie an altem Preußensinn, an Tapferkeit und Heldenmut ihren Kameraden von der Linie gleich standen, und bei dem großen Eifer, der sie beseelte, eigneten sie sich mit der Zeit auch die ihnen noch fehlenden soldatischen Fertigkeiten an, namentlich die Fähigkeit, Märsche und Strapazen zu ertragen.

Waren die Städter nach ihrer Art rasch vorangegangen mit begeisterndem Beispiel, so zeigte das langsamere Landvolk die nachhaltigere Kraft seiner kernigen Natur; es überholte rasch die anderen Stände in opferfreudiger Leistung. Ohne Murren gab der Bauer tagtäglich alles und jedes her, Geld und Naturalien, Vorspann und persönliche Dienstleistungen und alle waffenfähige Mannschaft. Die Lieferungen und Einquartierungen, die Aufgebote und Kriegsübungen hörten nicht auf; in manchen Gegenden blieb nicht bloß der Feldbau vollständig liegen, sondern auch Höfe und Häuser verödeten. Aber man trug freudig die ungeheuren Lasten; denn man trug sie für sich, für das Vaterland, für die Rache, und nicht mehr für den fremden Zwingherrn und seine übermütigen Horden, die bisher wie Heuschrecken den Wohlstand des Landes verzehrt hatten. Allerdings gab es Ausnahmen von der allgemeinen Opferwilligkeit. In einigen Kreisen Oberschlesiens und noch mehr in einem Teile Westpreußens stieß die Bildung der Landwehr auf die ernstlichsten Schwierigkeiten, weil hier polnische Bevölkerung saß, welche die begeisterte Stimmung der deutschredenden Preußen nicht teilte. Hier suchte man sich der Wehrpflicht zu entziehen. Ähnlich verhielt sich (mit Ausnahme der in Berlin und anderen Großstädten ansässigen) die Judenschaft; besonders in Westpreußen. Viele Juden baten, ihnen den Kriegsdienst zu erlassen und lieber Geld anzunehmen, worauf die Regierung denn auch einging. Dagegen waren die andern nichtdeutschen Volksstämme Preußens, namentlich die Littauer und Majuren Ostpreußens, vom besten Geiste beseelt. Übrigens deckte jeden Ausfall reichlich die verdoppelte Opferfreude der deutschen Preußen, welche die große Mehrzahl der Nation bildeten.

Es fehlte denn auch nicht an Leuten; bis Ende Juli waren 140 000 Mann. Landwehr schlagfertig. In demselben Verhältnis stand die übrige Leistung. Die Kurmark hat allein für Pferde, Schlachtvieh, Früchte, Ausrüstung der Mannschaften und andere Kriegsbedürfnisse im Jahre 1813 an 30 Millionen aufgebracht.

Auch das Schrifttum trug das feinige dazu bei, das Volk fort und fort in seinen innersten Tiefen aufzuwühlen und auf der Höhe der Zeit zu halten. Zwar der Altmeister der Litteratur, Goethe, verhielt sich abwehrend; ihm war bei dem Neuen, Ungeheuren, das da in Preußen vorging, unbehaglich zu Mute; er fühlte für Napoleons Cäsarenhaftigkeit eher eine beifällige Anteilnahme. ,,Schüttelt nur an euren Ketten!" rief er den Begeisterten unmutig zu, „der Mann ist euch zu groß, ihr werdet sie nicht zerbrechen." Aber die Jüngeren dachten deutscher und ließen der frischen That es nicht an dem rechten Worte

fehlen. Sprachen Rückerts „geharnischte Sonette" mehr zu den seiner Gebildeten, Max v. Schenkendorfs ritterliche Lieder mehr zu den adlig Gestimmten, so fanden Körners schwärmerische Weisen bei der Jugend, Arndts volkstümliche Schriften bei der Masse der Nation den lautesten Widerhall. Zahllose Flugblätter, Gedichte, Spottschriften, Lieder, Ansprachen, Zeitungen flogen durch das Land, in jedes Haus, in jede Hütte, regten und klärten jedermann auf.

Während so das preußische Volk die Zeit der Waffenruhe benußte, um demnächst mit der vollen Wucht seiner Gesamtkraft in den Krieg einzutreten, arbeitete die Diplomatie der Verbündeten eifrig daran, das mächtige Österreich auf ihre Seite zu ziehen. Da war es nun ein großes Unglück für die Sache Deutschlands und der Freiheit, daß in Österreich von deutscher Nationalität so gar wenig vorhanden, daß hier das Volk ein lauer Freund, die Regierung fast ein Feind Deutschlands war. Kaiser Franz, lothringischen Stammes und Italiener von Geburt, hatte, obwohl er den gemütlichen Wiener spielte, in seiner engen Seele keinen Funken deutschen Sinnes; er haßte vielmehr alles Deutsche als „Ausländerei“ und „lutherisches Wesen." Noch mehr, mit Verbissenheit, haßte er jede Regung des Volksgeistes. Ich kenne keine Völker," jagte er, ich kenne nur Unterthanen." Er verabscheute die Schwärmer und die Deutschtümler, die Denker und Dichter, die Kant und Schiller, kurz alles, was dem Volkstum Schwung gab. Er verabscheute besonders die ganze Bewegung, die er in Preußen auflodern sah, als „strafbaren Jakobinismus." Er war schlau genug zu merken, daß sie zu der Geistesenge und Nichtsnußigkeit seines Despotentums in geradem Gegensaße stand. Er verwahrte sich denn auch gegen die „revolutionären, excentrischen" Maßregeln der Verbündeten, gegen ihre Aufrufe an die Deutschen, gegen ihr Unternehmen eines Volksfrieges. Der Versuch des Kalischer Manifestes, die deutschen Bevölkerungen auch nötigenfalls gegen den Willen ihrer Fürsten zum Aufstande zu bringen, erschien ihm als ein Frevel an dem Heiligtum des göttlichen Rechts der Könige. Er ließ daher die Deutschgesinnten, die sich selbst in seinem despotisierten Österreich hie und da fanden, wenn sie so redeten, wie man in Preußen handelte, sorgfältig hinter Schloß und Riegel legen, damit sie ihm nicht die gutgesinnte Herde ansteckten, und die Wiener Polizei mußte dafür sorgen, daß auf den Vorstadttheatern die ehrwürdige Begeisterung der Jünglinge, die bei Großgörschen und Baußen fielen, verhöhnt und beschimpft wurde.*) Franz I. war fest entschlossen, einen deutschen Freiheitskrieg" nicht nur nicht mitzumachen, sondern womöglich zu verhindern.

Jedoch zu einem Kabinettskriege gegen Napoleon hatte er wohl Lust. Die Provinzen, die er verloren, mußte er wiederbekommen. Vor allem, er mußte Rache nehmen für die Schmach, die ihm Napoleon vordem zugefügt. Übrigens

*) Scherr, Blücher III. 132. Vgl. Karoline Pichler, Denkwürdigkeiten, S. 225. Springer, Geschichte Österreichs I. 211.

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