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Befehle, das Feuer gänzlich einzustellen, nicht Folge geleistet werde. „Ich mache Sie," donnerte er mich an, mit Ihrem Kopfe dafür verantwortlich, wenn noch ein einziger Schuß von einem Ihrer Jäger fällt, und den Lühower, der dabei attrappirt wird, laß ich an den ersten Baum aufhängen!" Tettenborn, der früher in österreichischen Diensten gestanden, war mit dergleichen Drohungen: „in die Eisen werfen! Profofenarrest! in Ketten gelegt dem Könige zuschicken!“ selbst gegen preußische Officiere sehr freigebig.

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Ich patronillirte nochmals am Wallgraben entlang, um die etwa noch zurückgebliebenen Jäger abzurufen, als dicht vor mir aus einem Weidenbusch ein Schuß fiel. Einer unserer Jäger, vordem ein gefürchteter Wildschütz des Thüringer Waldes, trat mit abgeschossener Büchse hervor. Erdmann!" rief ich ihm zu, „seid ihr des T... ? der General läßt euch hängen!“ „„Immer zu!"" entgegnete er gelassen, „„aber vom Plaß wär' ich nicht gegangen, bevor ich nicht dem Kerl da drüben mit seinem langen Fernrohr eins auf den Pelz gebrannt."" Ich trieb den Wildschütz an, eiligst sich bei seiner Compagnie einzufinden. An dem Zusammenlaufe um den, so eben von Erdmanns Kugel Getroffenen, drüben in der Stadt vor einer Kirche, schloß ich, daß ein Mann von Bedeutung gefallen sein müsse. "Der Bürgermeister wird es nicht gewesen sein," sagte der Wildschütz,,,,,bürgerliche Kleidung trug er, aber einen französischen Militairhut und dabei speculirte er beständig mit seinem langen Fernrohre nach uns; ich hab mir den Burschen durch meines auf seine Büchse zeigend besehen, daß er sein Lebtag nicht mehr nach uns gucken wird!"

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Als ich nach Verlauf einer Stunde zu Tettenborn zurückkam, um ihm Meldung zu thun, trat bald nach mir ein, bis auf das Hemd entkleideter junger Mann ein, triefend wie aus dem Wasser gezogen. „Ich komme," rief er, dem Herrn General zu melden, daß so eben der Commandant Oberst Thuillier, von einer Kugel getroffen, auf dem Kirchplatze geblieben ist. Ich bin, wie Sie mich hier sehen, durch den Wallgraben geschwommen, um Ihnen diese Nachricht zu bringen.“

Der junge Mann, der über die Verhältnisse in der Stadt genau unterrichtet war, versicherte, daß der Major Davallant, welcher jetzt das Commando führe, ein Schweizer sei, welcher, wenn ihm leidliche Bedingungen gestellt würden, die Stadt übergeben werde. Bald darauf meldete sich bei unseren Vorposten ein Officier, welcher das Anerbieten der Uebergabe zu überbringen beauftragt war.

Oberst Pfuel wurde mit den nöthigen Vollmachten zum Abschluß einer

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Capitulation versehen und in die Stadt geschickt, in welcher seit dem Fall des gefürchteten Thuillier ein Aufruhr des Volkes in voller Gährung war. A18 daher der Commandant, in der Hoffnung, daß vielleicht schon am nächsten Tage Davouft Hülfe senden werde, noch einen Aufschub von 24 Stunden verlangte, erklärte ihm Pfuel, daß, wenn binnen einer Stunde die Thore nicht geöffnet, die Capitulation nicht unterzeichnet sei, ohne Weiteres die Sturmcolonnen vorrücken und sich der Stadt mit Gewalt bemächtigen würden.

Kaum hatte Pfuel die Commandantur verlassen, als der Tumult auf den Straßen losbrach, so daß der französische Präfect, Graf Arberg, den Commandanten beschwor, den preußischen Oberst eiligst zurückzurufen und ohne weiteren Anstand zu unterzeichnen; dies geschah. Die Besatzung, welche bis auf 1200 Mann geschmolzen war, erhielt freien Abzug mit klingendem Spiel, Waffen und Gepäck, gelobte über den Rhein zurückzugehen und ein Jahr lang nicht gegen die Verbündeten zu dienen. Der Präfect und sämmtliche Civilbeamte erhielten Pässe nach Frankreich.

Am 15. October früh 10 Uhr hielt Tettenborn seinen Einzug; man muß Zeuge eines solchen Freudentaumels gewesen sein, wie der der Bevölkerung der Stadt Bremen an diesem Tage war, um einen Maßstab für den Druck zu haben, welchen französische Gewaltherrschaft in Deutschland auf Athem, Herz und Gemüth ausgeübt. Die Infanteristen waren in Gefahr, von den kräftigen Armen der freudetrunkenen Rhederer und Ruderer erdrückt, die Cavalleristen von den Pferden herabgezogen zu werden, aus allen Fenstern Begrüßung mit wehenden Tüchern, Kränzen und Blumen, mit Willkommenruf und freudestrahlenden Blicken. Wie arg mußten die Franzosen gewirthschaftet haben, wenn man den Kosacken als Befreiern solchen Empfang bereitet!

Tettenborn mit seinem Generalstabe schlug in dem stattlichen Präfecturgebäude sein Hauptquartier auf. Alles französische Eigenthum, wie es immer Namen haben mochte, fiel nach der ausdrücklichen und specificirten Punctation der Capitulation Tettenborn zu. Unermeßliche Beute wurde hier gemacht. Dem russischen General wurde die Präfecturkasse, die Kasse, Niederlagen und Werkstätten der Tabacksregie, die Magazine, Schiffsladungen und Schiffe der Douane, sämmtliche Militairdepots, Pferde, Waffen, 16 Kanonen, Montirungsund Tuchmagazine u. f. w. übergeben. Nicht eine Stecknadel französischen Eigenthums wurde verhehlt oder heimlich fortgeschafft, und nur durch die gewissen

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Tettenborns Beute in Bremen.

hafte und bereitwillige Unterstützung der Behörden und der Bevölkerung ward es möglich, die gewonnenen Schätze zu bergen und in entlegenere Sicherheit zu bringen. Denn unsere Stunden in Bremen waren gezählt; von allen Seiten. her waren feindliche Abtheilungen im Anmarsch, und schwer bepackt wie wir waren, durften wir nicht darauf rechnen, den Weg zur Elbe in solchen Eilmärschen zurückzulegen, als wir ihn von dort zur Weser gemacht hatten. An zweihundert Wagen wurden mit Taback, fertigen Uniformen, Tuch, Cochenille, Colonial- und englischen Waaren, die sich auf den Schiffen und in den Niederlagen der Douane vorfanden, unter guter Bedeckung in ein Depot Tettenborns nach Mecklenburg abgesendet. Den Hauptschatz aber hatte der russische General in seinem Zimmer der Präfectur bei sich. Hier standen in schönster Parade Hunderte von Geldfässern, großentheils mit spanischen Piastern aus der Hamburger Bank gefüllt, ein jedes zu 20 bis 25,000 Francs, wahrscheinlich von Davoust hierher in Sicherheit gebracht. Tettenborn wiederholte seinen Umgebungen und den Behörden, die er bei sich empfing, so oft und so nachdrücklich, daß dies Alles Sr. Majestät dem Kaiser von Rußland zugeschickt werde, daß gegen diese Versicherung sehr bald einige Zweifel rege wurden, zumal auch felbige Geldfässer nach und nach unter guter Bedeckung nach Güstrow dirigirt wurden, wo sich dermalen das Hauptquartier des Kaisers nicht befand.*) Uns anderen lustigen Kriegskameraden erweckten dergleichen beschwerliche Schäße nicht

*) Aus Besorgniß, von seinen Kosackenofficieren bestohlen zu werden, hatte Tettenborn mich mit dem Dienst im Präfecturpalast beauftragt. Bei einer Nachtrunde, die ich im Innern machte, wurde ich auf ein Geräusch in einem abgelegenen Zimmer aufmerksam, ging dem nach und überraschte hier einen Kosackenofficier, welcher in Gemeinschaft mit einem zurückgelassenen Kammerdiener des Präfecten irgend eine Spitzbüberei ausgeführt haben mußte, denn Beide machten sich eiligst davon. Der Kammerdiener wurde erwischt und gezwungen, eine versteckte Tapetenthür aufzuschließen. Bei näherer Besichtigung fand sich's, daß der Kosack und der Kammerdiener eine Anzahl Geldfäffer in diesem Zimmer unter Matrazzen und Betten versteckt hatten. Sofort machte ich dem General Meldung, welcher zur Hebung des Schatzes gern bereit war, wobei uns der Kantschu als Wünschelruthe dienen sollte. Unter den aufgeschichteten Matrazzen verborgen fanden wir sechs volle Geldfäffer, eine dem Gewicht nach mit Gold gefüllte Caffette vom schönsten Mahagoni, einige Mappen und Mantelsäcke des Präfecten. Tettenborn befahl die Geldfäffer und Mappen in sein Zim mer bringen zu lassen. „Die Caffette," sagte er zu mir, „behalten Sie für sich; von dem Inhalte nehme ich keine Notiz." Nachdem die Fässer zu den anderen ihres Gleichen gebracht waren, wurde ein Schlosser herbeigeholt, welcher nähern Aufschluß über die verborgenen Schätze verschaffen sollte. Die Cassette enthielt die französischen Maße und Gewichte in Messing und Blei. Als ich Tettenborn dies meldete, antwortete er gelassen:,,wie ich Ihnen sagte, von dem Inhalte nehme ich keine Notiz."

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den geringsten Neid; wir lebten für heut, sorgten nicht für den kommenden Tag und sangen guten Muthes: „trifft es morgen, so lasset uns heut noch schlürfen die Neige der köstlichen Zeit." Von ganz besonders ergreifender Wirkung war dies Lied in den heiligen Hallen der zwölf Apostel und in dem Allerheiligsten der Sta. Rosa des berühmten Rathskellers zu Bremen, in welchem wir des Basses Grundgewalt bei perlendem zweihundertjährigem Rheinweine erschallen ließen.*)

Wie gut aufgenommen und wohl versorgt wir auch in Bremen waren, durfte der unternehmende Führer eines Streifcorps nicht an einen längeren Aufenthalt denken. Den von der Bürgerschaft kund gegebenen Wünschen, die alte Verfassung wieder herzustellen, gab Tettenborn kein Gehör, um nicht wie in Hamburg die Patrioten, welche sich dabei betheiligten, der Rache des zurückkehrenden Feindes Preis zu geben. Auch waren Tettenborns Maßregeln nicht geeignet, ein besonderes Vertrauen der Bürger zu seiner Schutzherrlichkeit zu erwecken. Er ließ Tag und Nacht an der Abtragung der Festungswerke arbeiten, Alles wurde losgeschlagen, was für französisches Eigenthum erklärt werden konnte: die Maschinen der Tabacksfabrik wurden als altes Eisen unter dem Hammer verkauft, um zu räumen, fort mit Schaden!

Nachdem Tettenborn seine Beute in Sicherheit gebracht, verließ er Bremen. am 18. October und verlegte sein Hauptquartier nach dem vier Meilen entfernten Verden. Ein unter dem Rittmeister Schulz zurückgelassener Kosackenposten zog am 22. ab und an demselben Tage wurde die Stadt von 2000

*) In dem Allerheiligsten lagen drei Stückfäffer; der Eingang dazu war vermauert und ein geheimer Eingang durch das Gewölbe gebrochen worden. Kein Franzos hat von dem Tufte der heiligen Rose jemals genippt. An der Decke der Zelle ist eine Rose gemalt mit folgender Inschrift, die mir treu im Gedächtniß geblieben:

Cur Rosa, flos Veneris, Bacchi depingitur antro?
Causa, quod absque mero frigeat ipsa Venus.

Die schwerste Aufgabe bestand darin, diese Verse, nachdem die Nathsherren uns gut zugetrunken hatten, rückwärts gebogenen Hauptes zu lesen, wo dann, wer nicht mehr ganz fest auf den Füßen war, von Freundes Armen der Unterstützung bedurfte. An Stärke und Kostbarkeit kommt kein anderer Wein diesem gleich. Zu nicht geringem Erstaunen erfuhren wir, daß wir bei diesem ersten Besuche für viele Millionen Thaler der goldenen Perlen vertilgt hatten. Nach einer im Jahre 1816 gemachten Berechnung kostete damals eine 3/4 Flasche Wein aus dem Rosenkeller Einundzwanzig Millionen siebenhundert neunzigtausend vierhundert achtzig Thaler. Ein Nömer voll 2,723,808 Thlr. Ein Tropfen 2720 Thlr. Es wurden im Jahre 1624 fünf Oxhoft Rüdesheimer für 300 Thlr. gekauft. Mit 10 Thlr. Zinsen, Ausgeld und Zins auf Zins hatte sich nach Verlauf von 192 Jahren der Werth bis zu dieser Höhe gesteigert.

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Tettenborns Abzug von Bremen.

Franzosen unter General Lauberdière, der von Osnabrück in Eilmärschen herbeikam, wieder besetzt.

Eine Anzahl Bremenser Studenten und junge Kaufleute machten sich beritten und traten in das Detachement der freiwilligen Lüßower zu Pferd; einige weniger Bemittelte, darunter ein Fräulein aus achtbarer Familie unerkannt, in das Jäger-Detachement zu Fuß. Der alte Fischer ordnete an, daß sie sämmtlich den Fahneneid schwören mußten. Die Feierlichkeit fand in der Domkirche statt. Vor dem Altar stand der Domprediger, ihm rechts und links zur Seite die Rittmeister Petersdorf und Fischer. Nach der Nede des Dompredigers nahm der alte Fischer das Wort in kräftiger Kernsprache; er und Petersdorf kreuzten ihre Säbel, die Freiwilligen legten ihre Klingen darauf und da es in Fischers Rede an verschiedenen Himmeldonnerwettern und Kreuzelementen nicht fehlte, war sie von größerer Eindringlichkeit als die des Predigers.

Unterdessen war die Völkerschlacht bei Leipzigges chlagen worden; die Nachricht von dem Rückzuge des Kaisers nach dem Rheine bestimmte den General Lauberdière, Bremen bereits am 26. October zu verlassen und sich zunächst nach Münster zurückzuziehen.

Das Wallmodensche Corps hatte die ihm zugetheilte schwierige Aufgabe gelöst: den Marschall Davoust zu hindern, während der Monate August, September und October mit seinen überlegenen Streitkräften die Unternehmungen der Marschälle Ney und Oudinot auf Berlin zu unterstüßen, das linke Elbufer bis Magdeburg von Streifparteien zu säubern, oder endlich einen rühmlichen Rückzug nach Holland anzutreten.

Nach der Schlacht von Leipzig traten die Absichten, welche Karl Johann auf den Kriegsschauplatz geführt, unverhohlen hervor. Nicht die Befreiung Deutschlands, wie er zu Anfang sich gerühmt, war sein Ziel; die Eroberung Norwegens im Winterfeldzuge gegen Dänemark war es.

Norwegen war der Kampfpreis, den zu gewinnen er bei Großbeeren, Dennewig und Leipzig seine schwedischen Regimenter so besorglich im Hintertreffen halten ließ. Später werden wir mit ihm in Schleswig und Holstein wieder zusammentreffen; jeßt rufen uns die Tage der Entscheidung in das Feldlager Napoleons, Schwarzenbergs und Blüchers zur großen Zahlwoche nach Leipzig.

Druck von G. Bernstein in Berlin, Behrenstraße 56.

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