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Kriegserklärung an Frankreich.

Zu dieser Zeit" im December 1812 -beliefen sich Preußens Vorschüsse an Frankreich auf 94 Millionen Franken. Die Rechnung war in der besten Ordnung; dessenungeachtet weigerten die französischen Behörden sich beständig, sie der Uebereinkunft gemäß abzuschließen.

,Ueberdies, als ob es nicht genug sei, die bestimmtesten Verträge zu brechen, traten neue Umstände und Verfahrungsarten ein, um Preußen über die Gesinnungen des Kaisers und über das, was es von ihm zu erwarten habe, die Augen zu öffnen. Der König, der einen Theil seiner Provinzen angefallen und den anderen bedroht sah, ohne sich auf den Beistand der franzöfifchen Armee verlassen zu können, sah sich nothgedrungen die feinige zu verstärken und da der gewöhnliche Weg zu lang und unzulässig war, ließ Se. Maj. einen Aufruf an die preußische Jugend ergehen, welche den Trieb fühlte, sich unter seinen Fahnen zu versammeln. Dieser Aufruf weckte in allen Herzen die Begierde, dem Vaterland zu dienen. Eine große Anzahl Freiwilliger schickte sich an, Berlin zu verlassen und nach Breslau zu gehen. Da gefiel es dem Vicefönig, alles Recrutiren zu untersagen und der Abreise der Freiwilligen in den von französischen Truppen besetzten Provinzen Hindernisse in den Weg zu legen. Dieses Verbot wurde auf eine peremtorische Weise ins Werk gerichtet, ohne den König auch nur davon benachrichtiget zu haben. Ein Verfahren, welches so geradezu gegen die Rechte der Souverainetät stritt, erregte in dem Herzen Sr. Majestät und seiner treuen Unterthanen einen gerechten Unwillen. — — — In einer solchen Lage der Dinge konnte des Königs Entschluß nicht lange zweifelhaft bleiben. Seit Jahren hatte Se. Majestät alles und jedes für die Unterhaltung seiner politischen Existenz aufgeopfert. Jett compromittirte Frankreich diese Eristenz und that nichts, um sie zu beschützen. Rußland kann seine Leiden vergrößern und erbietet sich großmüthig, ihn zu beschützen. Der König kann nicht unschlüssig sein. Getreu seinen Grundsägen und seinen Pflichten, vereinigt er seine Waffen mit denen des Kaisers Alexander und ändert sein System, ohne den Gesichtspunkt desselben zu ändern. Er hofft, indem er mit Frankreich bricht und sich mit Rußland verbindet, durch einen ehrenvollen Frieden, oder durch die Gewalt der Waffen den einzigen Gegenstand seiner Wünsche: die Unabhängigkeit seines Volkes, die Wohlthaten, die hieraus fließen und das Erbtheil seiner Väter, das ihm geraubt wurde, wieder zu erlangen."

Die Antwort auf die Kriegserklärung.

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Der Herzog von Bassano und sein Kaiser sahen es als eine Verhöhnung an, sie glauben machen zu wollen, daß, wenn nur der Vicekönig die Berliner Freiwilligen ungehindert hätte nach Breslau ziehen lassen, der König dem französischen Bündnisse würde tren geblieben sein und an Rußland den Krieg erklärt haben. Das französische Cabinet ließ nicht lange auf die Antwort warten, welche durchaus nicht für eine Musterschrift diplomatischer Höflichkeit gelten kann.

Napoleon und sein Minister der auswärtigen Angelegenheiten, Herzog von Bassano, gaben in der Antwort, welche dem General Krusemark ertheilt wurde, sich die sehr vergebliche Mühe, dem preußischen Cabinet ein Register alter Sünden vorzuführen, um dasselbe in der öffentlichen Meinung herabzusetzen. Diese Absicht mußte gänzlich fehlschlagen, zumal in Preußen selbst, wo die, seit zwanzig Jahren verfolgte, Cabinetspolitik von der öffentlichen Meinung längst verurtheilt worden war. Dem Kaiser war es ein Leichtes, den deutschen Hof- und Staatsfanzlern und Schranzlern die Schamröthe in das Gesicht zu jagen; allein es erschien jezt im Felde ein Gegner mit gutem Gewissen: das preußische Volk. „Was in ernsthafte Betrachtung zu kommen verdient," heißt es in Bassano's Antwort, dürfte auf folgendes zurückgeführt werden: Im Jahre 1812 suchte Preußen eine Allianz mit Frankreich nach, weil die französischen Armeen den preußischen Staaten näher gerückt waren, als die russischen. Im Jahre 1813 erklärte Preußen, daß es seine Tractaten verlegt, weil die russischen Armeen seinen Staaten näher gerückt sind, als die französischen. Die Nachwelt wird darüber richten, ob ein solches Verfahren treu, eines großen Fürsten würdig, der Billigfeit und gesunden Politik angemessen sei; sie wird den Wankelmuth des preußischen Cabinets in seinen Grundsägen nach Gebühr verurtheilen.

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"Im Jahre 1792, als Frankreich, im Innern durch eine Revolution bewegt und von Außen von einem furchtbaren Feinde angegriffen, dem Untergange nahe schien, erklärte ihm Preußen den Krieg. Drei Jahre später, in dem Augenblicke, wo Frankreich über die coalisirten Mächte triumphirte, verließ Preußen seine Alliirten, die es ihrem Schicksale Preis gab, und der König von Preußen war von allen Souverainen, welche die Waffen gegen Frankreich ergriffen hatten, der Erste, welcher die Republik anerkannte. Kaum waren vier Jahre verstrichen, als Frankreich 1799 den Wechsel des Krieges fühlte; in der Schweiz und Italien waren einige Schlachten verloren gegangen, der Herzog von York war in Holland gelandet, die Republik war sowohl im Norden, als im Süden bedroht.

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Das Glück hatte sich gewendet, Preußen machte mit dem Glück eine Schwenkung. Allein die Engländer wurden aus Holland vertrieben, die Russen wurden bei Zürich geschlagen, der Sieg trat wieder zu unsern Fahnen in Italien und Preußen wurde von Neuem Frankreichs Freund. Im Jahre 1805 ergriff Oestreich die Waffen, es führte seine Armeen nach der Donau, es nahm Besig von Baiern, während die russischen Truppen über den Niemen gingen und sich der Weichsel näherten. Die Vereinigung von drei großen Mächten und ihre unermeßlichen Zurüstungen schienen Frankreich nichts als Niederlagen zu verkünden. Preußen war sogleich entschlossen, es bewaffnete sich, es unterzeichnete den Tractat von Berlin und die Manen Friedrichs II. wurden zu Zeugen des ewigen Hasses aufgerufen, den es Frankreich weihte. Als der Minister, den es an Se. Maj. absandte, um ihm Gesetze vorzuschreiben, in Mähren anlangte, hatten die Russen so eben die Schlacht bei Austerlit verloren und verdankten es der Großmuth der Franzosen, daß sie die Erlaubniß erhielten, in ihr Land zurückzukehren. Sogleich zerriß Preußen den Tractat von Berlin, der erst vor sechs Wochen abgeschlossen war, nahm den berühmten Schwur von Potsdam zurück, betrog Rußland, wie es Frankreich betrogen hatte und trat in neue Verbindungen mit uns. Aber aus diesen ewigen Schwankungen der Politik ging eine wirkliche Anarchie in der öffentlichen Meinung in Preußen hervor, Exaltation bemächtigte sich der Gemüther; unfähig dieselbe abzuleiten, unterstützte sie die preußische Regierung und im Jahre 1806 erklärte sie Frankreich den Krieg in demselben Augenblicke, wo es für den größten Vortheil für sie war, mit uns in gutem Vernehmen zu sein. Preußen gänzlich erobert, sah sich, über alle seine Hoffnungen hinaus, zu Tilsit zur Unterzeichnung eines Friedens hinzugelassen, durch welchen es alles erhielt und nichts gab.*) Im Jahre 1809 brach der Krieg mit Oestreich aus. Preußen wollte sein System aufs Neue ändern; da aber die ersten militairischen Ereignisse über das endliche Resultat des Feldzuges keinen Zweifel ließen, wurde Preußen von der Klugheit geleitet, es wagte nicht sich zu erklären.

"Im Jahre 1811 bedrohten die von Rußland gemachten Rüstungen Europa mit einem neuen Kriege. Die geographische Lage von Preußen erlaubte ihm nicht, ein gleichgültiger Zuschauer der Ereignisse zu sein, welche stattfinden konnten,

*) La Prusse, entièrement conquise se vit, contre toute espérance, admise à signer à Tilsit une paix, où elle recevait tout et ne donnait rien. Unfinu, du siegst!"

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und Sie, Herr Baron, wurden schon im März desselben Jahres beauftragt, eine Allianz mit Frankreich nachzusuchen. Es würde für mich ganz unnütz sein, in Ihr Gedächtniß zurückzurufen, was in jener Zeit vorging. Es ist fruchtlos, Ihre inständigen Bitten und Ihre eifrigen Bemühungen zu wiederholen.

„Se. Majestät der Kaiser war anfänglich unschlüssig, welche Maßregeln er zu nehmen habe. Er glaubte indeß, daß der König von Preußen, aufgeklärt durch die Erfahrung, endlich die unbeständige Politik Seines Cabinets empfinde. Der Kaiser gab zuleßt den persönlichen Gefühlen für Ihren Souverain nach und willigte in eine Allianz mit Preußen.

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So lange die Ereignisse uns günstig waren, zeigte sich Ihr Hof uns treu; aber kaum hatte die allzufrühe Strenge des Winters unsere Armee am Niemen angegriffen, als der Abfall des Generals York den nur allzugegründeten Verdacht von Neuem erweckte. Das zweideutige Betragen Ihres Hofes bei einem so wichtigen Umstande, die Abreise Ihres Königs nach Breslau, die Verrätherei des Generals Bülow, welcher dem Feinde die Uebergänge der Nieder-Oder gestattete; die öffentlichen Bekanntmachungen, um eine unruhige und factionssüchtige Jugend zur Ergreifung der Waffen zu bewegen; das Zusammentreffen dieser Ruhestörer in Breslau, die täglichen Mittheilungen zwischen Ihrem Hof und dem Hauptquartier des Feindes, dies Alles hatte über die Entschließungen Ihres Hofes keinen Zweifel übrig gelassen, als ich, Herr Baron, Ihre Note vom 27. März erhielt, die eben deswegen keine Ueberraschung enthielt. Preußen wünscht, so wird darin gesagt, das Erbe seiner Väter wieder zu erhalten, aber wir möchten es fragen, ob, wenn es von den Verlusten spricht, welche seine falsche Politik ihm zugezogen hat, ob es nicht auch einige Erwerbungen in die Schale zu legen hat, ob unter diesen Erwerbungen sich nicht auch einige befinden, die es seiner treulosen Politik verdankt? Schlesien verdankt es dem Umstande, daß es die französische Armee in den Mauern von Prag Preis gab und seine Eroberungen in Deutschland (im Lüneviller Frieden) der Verlegung der Gesetze und der Interessen des deutschen Reichs. Preußen spricht von seinem Verlangen nach einem Frieden, der auf fester Basis beruhe: aber wie ist es möglich, auf einen solchen Frieden mit einer Macht zu rechnen, welche sich für gerechtfertigt hält, wenn sie ihre Verpflichtungen nach den Launen des Schicksals bricht. Se. Majestät der Kaiser zieht einen erklärten Feind einem Freunde vor, welcher immer bereit ist, ihn aufzuopfern

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„Jezt, Herr Baron, was bleibt für Preußen übrig? Es hat nichts für Europa, es hat nichts für seinen alten Alliirten gethan, es will nichts für den Frieden thun, Eine Macht, deren Tractate blos bedingt sind, kann niemals ein nüglicher Vermittler werden; sie garantirt nichts, sie ist nichts weiter, als ein bloßer Gegenstand des Gesprächs, sie ist nicht einmal eine Barriere. Der Finger der Vorsehung hat sich in den Ereignissen des vergangenen Winters gezeigt; er hat sie herbeigeführt, um falsche Freunde zu entlarven und getreue kennen zu lernen. Der Himmel hat Sr. Majestät hinreichende Macht gegeben, um den Triumph der einen und die Züchtigung der anderen zu sichern.“

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Die Zeiten waren vorüber, wo dergleichen Schmähschriften von Wirkung sein konnten: man gab ihnen in Preußen jedwede Verbreitung, welche nur dazu diente, die schwache Seite Napoleons kennen zu lernen, der sich jetzt aufs Schimpfen und Verumglimpfen legte. Dem Cabinet gönnte man eine solche Lection in der Hoffnung, daß der diplomatischen Taschenspielerei und Notenspiegelfechterei für die nächste Zeit ein Ende gemacht sei. Selbst jetzt noch," ruft der mit einem Male gewissenhaft gewordene Diplomat Bignon aus, „obschon das Bündniß mit Rußland abgeschlossen ist, wagt man es nicht, die Maske abzunehmen, nur nach und nach lüftet man sie und der Baron Hardenberg mißbraucht auf eine unverantwortliche Weise die Leichtgläubigkeit des französischen Gesandten. Das Vertrauen des Grafen St. Marsan in die Redlichkeit des Königs und Herrn v. Hardenbergs, ein Vertrauen, welches in der Diplomatie vielleicht für einen Fehler gelten dürfte; ging so weit, daß er noch am 2. März aus Breslau dem Kaiser schrieb: wenn man Einiges für den König thäte, bin ich weit davon enfernt, an der Unmöglichkeit, ihn auf unserer Seite festzuhalten, zu zweifeln."" Erst einige Tage später glaubte er bei dem Baron Hardenberg einige Aufgeregtheit (un peu d'exaltation), wie die Sectirer es nennen, oder, um es milder zu bezeichnen, ein wenig chevaleresken Geist zu verspüren. Nun endlich hebt sich auch für ihn der Schleier. Das Einverständniß mit den Russen springt ihm in die Augen; die Ankunft des Kaisers Alexander macht es ihm einleuchtend, daß es Zeit sei, seine Pässe zu fordern.“

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Als Graf St. Marfan in Breslau von Hardenberg Abschied nahm, bat er ihn auf das allerinständigste: Excellenz möge doch die großen Hülfsmittel Frankreichs und das Feldherrn-Genie Napoleons bedenken und die Existenz des Königs und des Landes, die er so liebgewonnen habe, nicht muthwillig aufs

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