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Die Diplomaten in Breslau.

Zustimmung ertheilen. Dagegen verlangte der Kaiser, daß der König sich in keine Unterhandlung mit dem gemeinschaftlichen Feind einlasse. „Wenn ich auch," äußerte Napoleon, „Vertrauen zur Person des Königs habe, so habe ich doch keines zu der Mehrheit der preußischen Nation, zumal nicht zu der Partei, welche dort herrscht. Die außergewöhnlichen Aufgebote müssen mich beunruhigen, da der König nur solche Officiere hat, auf die er sich nicht verlassen kann.“

Die verschiedenen Verordnungen zur Errichtung der freiwilligen JägerDetachements, die täglich mit Sang und Klang einziehenden Schaaren von Freiwilligen, veranlaßten den Grafen St. Marsan, sehr dringlich nähere Erklärung über diese Rüstungen zu fordern, welche die, in dem Vertrage mit Frankreich festgesette Truppenzahl überschritten. Aus einem Berichte St. Marsans an das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten in Paris, Breslau, den 15. Februar, ersehen wir, daß Hardenberg ihn noch immer in dem Glauben zu erhalten wußte, daß der König fest an dem Bündniß mit Napoleon halten werde; vielleicht war es damit auch noch ernstlich gemeint. St. Marsan schreibt: „Der Baron Hardenberg hat die Expedition des Briefes, welchen er mir angekündigt hatte, um 24 Stunden verspätet, weil er wünschte, daß ein Courier, den er diesen Morgen nach Paris abgeschickt hat, mit meiner Depesche zu gleicher Zeit eintreffen möchte. Ich habe bemerkt, daß er fürchtet, es könne mein Eifer, den ich ihm bei der Aufrollung schreckenvoller Bilder (von dem Untergange Preußens) zeigte, auf meine Depeschen Einfluß haben und daß, wenn ich die Sachen unter einem dringenden Gesichtspunkte vorstellte, Sc. Majestät der Kaiser sich sofort zu einigen gewaltigen Maßregeln (mesures d'éclat) bestimmen und die Verbindung zerreißen könnte, welche Hardenberg zu erhalten. wünscht, indem er sie fortwährend für die einzige hält, welche den wahren. Interessen Preußens angemessen sei. Er kam heut selbst zu mir und brachte mir den in Rede stehenden Brief und beschwor mich in der allerdringlichsten Weise, ich möchte Alles, was vorgeht und was der König thut und anordnet, nur als eine Folge der dringendsten Umstände und der Nothwendigkeit erachten, dem Könige einen Winkel der Erde als Zufluchtsstätte zu erhalten und die öffentliche Aufregung (exaspération publique) zu beschwichtigen." Er berichtet weiter, „daß der König einen Cordon an der schlesischen Grenze gezogen und Befehl ertheilt habe, die Ueberschreitung desselben den Russen wie den

Hardenberg schwört zwanzigmal den Franzosen Freundschaft.

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Franzosen mit Waffengewalt zu wehren. Dieser Cordon kann bis jetzt noch nicht stark sein, wird es aber nach vier Wochen, und wenn bis dahin Schlesien noch nicht besetzt sein wird und der König gegen den Kaiser Alexander eine feste Sprache führt, ist es sehr wahrscheinlich, daß der lettere sich gezwungen sicht, der Forderung, diesen Theil Schlesiens zu respectiren, nachzugeben. Noch heut hat der Baron Hardenberg mir es zwanzigmal zugeschworen, daß sich das System nicht geändert hat, daß mit Rußland weder directe noch indirecte Eröffnungen stattgefunden haben. Er sagte mir, daß er mit einer Ungeduld und Unruhe sonder Gleichen eine Antwort aus Paris erwarte, da, wenn in Erwägung der Umstände der Kaiser (Napoleon) den für die Neutralität Schlesiens gethanen Schritt billige und Preußen einige Unterstüßung gewähre, das System befestigter als jemals sein würde, da einzig und allein nur die Verzweiflung Preußen in die Arme Rußlands zu treiben vermöchte. Er wiederholte mir, wie sehr das Benehmen des Königs seit dem Rückzuge der großen Armee seine Redlichkeit beweise, daß, wenn er das System hätte ändern wollen, er nicht bis jetzt gewartet, sondern die sich ihm früher darbietende Gelegenheit benutzt haben würde. Außerdem aber ist man hier nicht so bornirt, um nicht einzuschen, daß es für Frankreich nichts erwünschteres geben könnte, als dem Könige einen Mangel an Treue büßen zu lassen.

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„Ich darf glauben, daß der gegenwärtige Plan so ist, wie ihn der Baron Hardenberg angekündigt; allein ich weiß nicht, ob er dabei wird beharren können, ob man der Gewalt, im Fall der Kaiser Alexander deren sofort anwendet, und ob man seinen freundschaftlichen Anträgen, welche durch die uns hier widrige Partei unterstügt werden, widerstehen wird, wenn nicht Se. Majestät der Kaiser es für angemessen findet, Preußen einiges wirksame Wohlwollen zu zeigen.“

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Er theilt mit, daß die Abreise des Königs nach Breslau vornehmlich durch das in Potsdam von einem französischen Officier ausgesprengte Gerücht, den König zu entführen, beschleunigt worden sei. Man will nun wissen, daß jezt die Rede von Geißeln sei und dies veranlaßt eine gute Anzahl böser Köpfe, welche Furcht haben, von Berlin nach Breslau zu kommen. Nach der Verweigerung meiner Zustimmung zu einer Unterhandlung (mit Rußland durch Knesebeck) wegen der Neutralität Schlesiens, hat man der Aushebung der jungen Leute eine größere Ausdehnung gegeben, wie Ew. Excellenz aus den Breslauer Zeitungen werden ersehen haben.

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Des Grafen St. Marfans Berichte.

„Trotz alle dem wird es ein Leichtes sein, die von Preußen aufgebotenen Kräfte zu Gunsten der gemeinschaftlichen Sache zu verwenden, wenn Se. Maj. der Kaiser die Erhaltung Preußens in seinem Interesse findet und etwas für dasselbe thun würde; in diesem Falle würde es nicht schwer sein, den König auf dem Wege, den er bisher befolgte, zu erhalten. Man hält die vorlauten jungen Leute ein wenig nieder und hat einen Profeffor (Steffens) zurückgewiesen, welcher sich erlaubte, seine Schüler aufzuregen, indem er durchblicken. ließ, daß der zu bekämpfende Feind die französische Armee sei. Nachrichten aus Ostpreußen fehlen hier. Man weiß nichts, weder vom G. neral York, noch vom Herrn v. Stein. Der Graf Haugwig ist hier einzig und allein, um dem Könige den Hof zu machen.“

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Mittheilungen desselben Juhalts macht der Graf St. Marsan aus Breslau den 18. Februar an den Vice-König von Italien, dem er schreibt, daß er sich der Unterhandlung mit dem Kaiser Alexander wegen der Neutralität Schlesiens und der Verstärkung des preußischen Heeres widersetzt habe. „Allein die Umstände," fährt er fort, „haben Alles, was ich dagegen vorstellte, unnüg gemacht. Der König erklärte mir, in Betracht des unvermeidlichen Rückzuges der großen Armee nach der Oder und bei der gänzlichen Blosstellung Schlesiens, könne er nicht seine Zustimmung dazu geben, sich der ihm noch gebliebenen Mittel zu begeben, wodurch er sich die Sicherheit einer Zufluchtsstätte gegen den Feind verschaffen könne, welche Se. Majestät der Kaiser Napoleon ihm zuzugestehen für angemessen erachtet. Er sei seinem Volke die ergriffenen Maßregeln schuldig und außerdem sei es unerläßlich, daß er selbst seine Unterthanen aufrufe, und ihnen eine Richtung gebe, um derselben Herr zu bleiben, da, wenn er sich unthätig und gleichgültig verhalte, er Gefahr liefe, sie bei der Annäherung des Feindes, ohne auf ihn zu hören und selbst gegen ihn fortgerissen zu sehen. Ich vernachlässige nichts, um Preußen auf der Linie, welche ihm sein wahres Interesse vorschreibt, zu erhalten. Dasselbe scheint auch all die Gefahren, denen es sich ausseßt, wenn es das Bündniß mit Frankreich aufgiebt, einzusehen, allein es hält vielleicht auch den Zeitpunkt für günstig, seine Unabhängigkeit wieder zu gewinnen; es wird beunruhigt dadurch, daß wir ihm die Unterhandlung mit Rußland wegen der Neutralität versagen und Mißtrauen in seine Bewaffnung setzen. 3m Uebrigen beträgt

Gewissenhaftigkeit Friedrich Wilhelms III.

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man sich jetzt uns gegenüber sehr rücksichtsvoll, d. h. ich spreche von der Regierung, denn die Nation ist ganz des Teufels."

Der König war so gewissenhaft, daß er die entschlossenen Vaterlandsfreunde, die in ihn drangen, mit Napoleon zu brechen, sehr ernstlich bedeutete: „abzuwarten, bis Napoleon sich ins Unrecht gesetzt habe;" daß dies seit dem Tilsiter Frieden schon hundertmal geschehen sei, gab er wohl zu, hielt sich aber durch den Allianzvertrag gebunden. Er rechnete mit Bestimmtheit darauf, daß die Anfräge wegen der Neutralität Schlesiens, die Rüstungen und das Aufgebot der Freiwilligen Napoleon zur Verlegung des Vertrags von seiner Seite veranlassen würden, daß Napoleon eher zu Gewaltmitteln greifen, als nachgeben werde; und dann war er in seinem Gewissen frei.

Diesen Verlauf sah der König mit solcher Zuversicht voraus, daß er schon in den ersten Januartagen dem Kaiser von Rußland Eröffnungen machte, welche, wie der Gang der Dinge zeigt, nur eine eventuelle Bedeutung haben sollten.*) Wie großen Werth man auch einer formellen Gewissenhaftigfeit beilegen mag, in der damaligen Lage der Verhältnisse konnten an dem Formalismus, den der König festzuhalten bemüht war, leicht die größten Interessen zu Grunde gehen. „Wenn ich" so äußerte der Kaiser auf St. Helena „die Armee nicht selbst von Wilna nach Deutschland zurückführte, so geschah es, weil ich besorgte, meine Person nicht sicher nach Frankreich zurückzubringen. Nur Kühnheit und Eilflucht konnten mich, indem ich Deutschland durchflog, retten. In Schlesien war ich jeden Augenblick darauf gefaßt, festgenommen zu werden; glücklicher Weise brachten die Preußen die Zeit, in der sie hätten handeln sollen, mit Ueberlegen zu. Sie machten cs, wie einst die Sachsen mit Carl XII., welcher, als er Dresden hinter sich hatte, vergnügt ausrief: ihr werdet sehen, die Herren Sachsen werden es morgen in Ueberlegung ziehen, ob sie nicht sehr wohl daran gethan hätten, mich heut festzunehmen."

Auch York wurde, mit wie heftigen Worten auch Napoleon seine Convention mit Diebitsch als Verrath bezeichnete, von ihm verhöhnt, daß er nicht

*) Droysen, der in Yorks Leben Bd. II. S. 131 davon spricht, deutet hier auf die Sendung Nazzmers.

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Bülows Brief an den König vom 18. Januar.

Entschlossenheit gehabt, sogleich loszuschlagen. Zudessen brachte sein Zögern der guten Sache manchen Vortheil.

York stand, wie wir uns erinnern, jezt nicht mehr allein, er hatte die zum Krieg sich rüstenden Provinzen Ost- und West - Preußen und Lithauen hinter sich, zur Seite Bülow, den commandirenden General in Pommern, in welchem der Entschluß, sich York anzuschließen, mehr und mehr heranreifte. In dem Cabinet freilich ward es Bülow schon für ein Ausschreiten aus dem Kreise seiner Befugniß angerechnet, daß er, ohne anzufragen, oder aufgefordert zu sein, in einer, an Se. Majestät gerichteten Denkschrift das Wort für den Krieg gegen Frankreich nahm, und er würde, wenn er den Willen des Königs noch länger für unfrei hätte halten müssen, eben so wie York auf eigene Verantwortung das Schwert aufgenommen haben. Er schrieb dem Könige aus Neustettin den 18. Januar: „Die gegenwärtige, für den Staat so wichtige Epoque, die wahrscheinlich für die künftige Existenz des Staats entscheidend sein wird, bewegt mich, auch meine Ansichten Ew. K. M. chrfurchtsvoll vorzutragen. Man kann hoffen, daß die neueren Ereignisse, die so sichtbar durch die Hand der Vorschung herbeigeführt, dazu dienen werden, den Staat groß und blühend wieder herzustellen. Auf der andern Seite kann man sich, bei Befolgung eines gewissen Systems, nicht die Möglichkeit verhehlen, daß der Staat noch mehr in feinen Grenzen beengt, noch tiefer sinken könnte. Das Erste kann man mit Zuversicht hoffen, wenn Ew. K. M. sich mit Rußland verbinden. Es kann und wird dahin führen, daß Deutschland dem fremden Joche entzogen werde und daß alle norddeutsche Staaten sich unter dem Schuße Ew. K. M. vereinigen. Das Zweite: die Zerstückelung des Staats, wird ohnfehlbar erfolgen, wenn Ew. K. M. dem, durch die Nothwendigkeit aufgedrungenen Bündniß treu bleiben wollten. Die beispiellose Vernichtung der großzen französischen Armee wird nun durch das rasche Folgen russischer Corps vollendet. Es ist nichts vorhanden, was diesen widerstehen kann, wenige werden nur die Oder erreichen und weder an der Oder, noch an der Elbe etwas aufgestellt werden können, was auch nur einigen Widerstand leisten kann. Ew. K. M. stehen noch immer sehr bedeutende Streitkräfte zu Gebot, vereinigen diese sich mit den russischen, so ist mit Gewißheit zu erwarten, daß man in Kurzem bis an die Ufer des Rheins vordringen könne, da nicht zu zweifeln, daß nicht alle norddeutsche Völker sich anschließen und gemeinschaft

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