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mung der Volksvertretung veräussert werden können, soweit solche Veräusserungen nicht durch die Forderungen einer verständigen Administration geboten werden, eine Ausnahme, die auch von den oben erwähnten Verfassungsurkunden in verschiedenen Wendungen ausgesprochen wird, doch muss der Erlös stets zu neuen Erwerbungen verwandt oder der Schuldentilgungskasse zugeführt werden, so dass keine Vermögensverminderung des Staates eintritt.

§ 216.

VI. Prüfung der Staatsrechnungen durch den Landtag und Entlastung der Staatsregierung.

Die Kontrolle, welche die Volksvertretung über die gesammte Finanzverwaltung führen soll, ist eine doppelte, eine vorgängige und eine nachträgliche. Die vorgängige findet bei der Aufstellung des Staatshaushaltsetats statt, wobei ein volles Einverständniss über alle auf den Etat der künftigen Finanzperiode zu bringenden Einnahmen und Ausgaben zwischen Regierung und Volksvertretung erzielt werden soll; die nachträgliche besteht darin, dass der Landtag nach Ablauf der Finanzperiode zu prüfen hat, ob der rechtsgültig zu Stande gekommene Etat auch von der Regierung wirklich beobachtet worden ist, insbesondere ob die im Einverständnisse mit dem Landtage festgestellten Positionen thatsächlich eingehalten worden sind. Zuletzterem Zwecke ist die Regierung verpflichtet, dem Landtage eine vollständige Rechnung über den Staatshaushalt der abgelaufenen Finanzperiode vorzulegen, und der Landtag hat das Recht und die Pflicht, die gesammte Finanzverwaltung einer eingehenden Prüfung zu unterwerfen. Der Prüfung der Staatsrechnungen durch den Landtag geht regelmässig eine Vorprüfung voraus. Diese ist meistens in die Hände einer besonderen Behörde gelegt. In den grösseren Staaten besteht zu diesem Zwecke eine besondere Oberrechnungskammer oder ein Rechnungshof (S. 304). In kleineren Staaten wird die Vorprüfung von einem Ausschusse des Landtages unter Zuziehung von Beamten des Finanzministeriums vorgenommen. (Sachsen-Weimar, Staatsgrundgesetz § 44. Sachsen-Meiningen, Grundgesetz § 60. Braunschweig, Neue Landesordnung § 189 u. s. w.) Mit den Bemerkungen dieser vorprüfenden Behörde wird die allgemeine Rechnung dem Landtage zur Entlastung der Staatsregierung unterbreitet. Wo Zweikammersystem besteht, wird diese allgemeine Rechnung zuerst dem.

Abgeordnetenhause vorgelegt. Jedes Haus lässt diese Rechnung durch seine Budgetkommission prüfen, und auf den Bericht derselben beschliesst dasselbe über die Ertheilung oder Versagung der sogenannten Decharge an die Staatsregierung. Bei bestehendem Zweikammersysteme kann die verfassungsmässig nothwendige Entlastung der Regierung nur Seitens beider Häuser des Landtages stattfinden; die einseitige Entlastung von Seiten eines Hauses ist ungenügend. Welche Mittel der Landtag anzuwenden hat, wenn er pflichtgemäss ausser Stande ist, der Regierung die Entlastung zu ertheilen, wird durch die Besonderheit des einzelnen Falles bestimmt. In den gravirendsten Fällen würde die Erhebung einer Ministeranklage, bezw. ein civilrechtlicher Regress gegen das Privatvermögen der Minister zulässig sein.

Zweiter Abschnitt.

Das Recht der inneren Verwaltung 1.

§ 217.

Im Allgemeinen.

Wenn die Verwirklichung der Rechtsordnung als eigentliche specifische Aufgabe des Staates erscheint, so wachsen dem Staate, bei der höheren Kulturentwickelung der Menschheit, mit einer geschichtlichen Nothwendigkeit immer weiter gehende Aufgaben zu,

1 Die ältere Literatur behandelt die gesammte innere Verwaltung unter dem Namen der >>Polizeiwissenschaft«. Hauptwerke: Johann Heinrich Gottlob v. Justi, Grundsätze der Polizeiwissenschaft in einem vernünftigen, auf den Endzweck der Polizei gegründeten Zusammenhange und zum Gebrauche akad. Vorlesungen abgefasst. Göttingen 1756. III. Aufl. 1782. Derselbe, die Grundfeste der Macht und der Glückseligkeit der Staaten oder ausführliche Darstellung der gesammten Polizeiwissenschaft. I. II. Königsberg 1760. 4. Joseph v. Sonnenfels, Grundsätze der Polizei-, Handlungs- und Finanzwissenschaft. I-III. Wien 1765. 7. Aufl. 1804. Friedrich Christian Jonathan Fischer, Lehrbegriff sämmtlicher Kameral- und Polizeirechte sowohl von Deutschland überhaupt, als insbesondere von den preussischen Staaten. 3 Bde. Frankfurt a. O. 1875. Günther Heinrich v. Berg, Handbuch des deutschen Polizeirechtes. Göttingen 1799. 2. Aufl. I-VII. 1802 (Mit vorwiegend juristischem Gesichtspunkt). Das bedeutendste Werk über Polizeiwissenschaft in diesem Sinne ist Robert v. Mohl, Die Polizeiwissenschaft nach den Grundsätzen des Rechtsstaates. I-III. Tübingen. 1. Aufl. 1843.

welche der Thätigkeit der Staatsgewalt einen immer umfassenderen Umfang, einen immer reicheren Inhalt gewähren. Zu dem nothwendigen Postulate des Rechtsstaates treten, in immer wachsenden Dimensionen, die Ziele des Kulturstaates. Diese stets sich vermehrenden Ansprüche an die Thätigkeit des Staates entspringen aus einer tieferen Erkenntniss des menschlichen Wesens überhaupt, sowie der staatlichen Gemeinschaft insbesondere. Dem denkenden Menschen erscheint »die Vollendung des Menschen in sich selbst« als vernunftgemässes Ziel aller menschlichen Bestrebungen. Bei der schwachen, hülfsbedürftigen Natur des Menschen ist aber die Vollendung des Einzelnen in der Vereinzelung unmöglich. Der Mensch findet seine Ergänzung nur in der Gemeinschaft mit seines Gleichen. Da aber keine Gemeinschaft auf Erden mächtiger ist, als der Staat, so ist es klar, dass auch keine mehr für die Entwickelung der Menschheit thun kann, als dieser.

Da der Staat in der Gesammtheit aller seiner Angehörigen besteht, so arbeitet er, indem er für die Einzelnen sorgt, zugleich für sich selbst. Das individuelle Wohl wird von selbst zum Gesammtwohle. Jeder Einzelne, welcher mit Erfolg für seine eigene Vollendung arbeitet, arbeitet zugleich für den Fortschritt aller anderen. Auf diesem Gebiete der Kulturarbeit findet ein fortwährender Austausch zwischen den Leistungen der Individuen und der Gesammtheit, ein gegenseitiges Geben und Nehmen statt, welches zu immer höheren Leistungen befähigt und anspornt.

Aber auch in der staatlichen Gemeinschaft bleibt der Mensch eine selbständige und selbstthätige Persönlichkeit. Wahren Werth für ihn hat nur das, was er sich selbst erarbeitet. Damit ist auch die Aufgabe der Staatsthätigkeit auf

3. Aufl. 1866. Den Wendepunkt der Literatur von der alten Polizeiwissenschaft zu der modernen Verwaltungslehre bezeichnet das bahnbrechende Werk L. v. Stein's, Die Verwaltungslehre Th. I-VII. Stuttgart 1865-68. Derselbe, Handbuch der Verwaltungslehre. Stuttgart 1870. 2. Aufl. 1876. Nach des Verfassers eigenem Ausdruck »ein Lehrbuch der Institutionen des Verwaltungsrechtes. F. F. Mayer, Grundsätze des Verwaltungsrechtes mit besonderer Rücksicht auf gemeinsames deutsches Recht, sowie auf neuere Gesetzgebung und bemerkenswerthe Entscheidungen der obersten Behörden, zunächst der Königreiche Preussen, Bayern und Württemberg. Tübingen 1862. v. InamaSternegg, Verwaltungslehre in Umrissen. 1870. G. Rössler, Lehrbuch des deutschen Verwaltungsrechtes, I. Bd. das sociale Verwaltungsrecht. Abth. 1 u. 2. Erlangen 1872 und 1873. Eine werthvolle Skizze des Verwaltungsrechtes giebt Prof. Dr. Ernst Meier in Holtzendorff's Encyklopädie.

diesem Gebiete bestimmt und begrenzt. Der Staat würde eine ebenso unmögliche, als gefährliche Aufgabe übernehmen, wenn er die individuelle Thätigkeit durch seine eigene Thätigkeit ersetzen, wenn er den Einzelnen wohlhabend, gebildet, sittlich machen wollte. Der Staat hat vielmehr nur die Bedingungen herzustellen, welche es dem Einzelnen ermöglichen, für seine äussere Wohlfahrt und innere Bildung mit Erfolg zu sorgen.

Der Staat hat bald negative Hindernisse zu beseitigen, bald positive Anstalten ins Leben zu rufen, welche der Förderung des individuellen Lebens dienen, aber auch nur so weit und nur dann, wenn die individuellen Kräfte nicht ausreichen oder wenigstens von Seiten der Einzelnen ganz ungewöhnliche Opfer gebracht werden müssten. Auch hier fordert das Gesetz der Selbstthätigkeit, dass der Staat stets nur subsidiär eintrete, wo weder das Individuum, noch das freiwillige Vereinswesen, noch die kleineren Körper der Selbstverwaltung das Nöthige beschaffen können. In der Bestimmung des richtigen Maasses der zu leistenden staatlichen Hülfe beruht die schwierigste Aufgabe der Verwaltungspolitik. Immer neue Ziele, immer höhere Aufgaben werden der inneren Verwaltung gestellt, welche als das umfassendste Gebiet der modernen Staatsthätigkeit betrachtet werden muss; darum liegt auch in der Geschichte der inneren Verwaltung die Kulturgeschichte der Staaten und Völker wesentlich beschlossen.

I. Geschichtliche Entwickelung der inneren Verwaltung.

§ 218.

1) Der Staat des Mittelalters.

Der Staat des Mittelalters galt lediglich als eine Friedensgenossenschaft. Erhaltung des Friedens nach aussen durch das Heer, Erhaltung des Friedens nach innen durch die Gerichte war der einzige Staatszweck (Heerbann und Gerichtsbann). Mit der Justiz war nothwendig eine Art von Sicherheitspolizei gegen die gröbsten Ausbrüche sinnlicher Rohheit verbunden (»conservatio pacis«).

Die Sorge für das geistige und leibliche Wohl seiner Angehörigen durch Errichtung positiver Anstalten war dem Staate des Mittelalters fremd. Diese Seite des menschlichen Daseins blieb entweder ganz unversorgt oder wurde anderen Verbänden überlassen. Vor allem nahm die Kirche die ganze ideale Seite des menschlichen

Lebens in Anspruch. Was für Unterricht, Erziehung, geistige Förderung überhaupt geschah, ging lediglich von ihr aus. Für die Förderung materieller Interessen, welche jetzt der Staat in seine Obhut nimmt, sorgten andere Verbände. Die Markgenossenschaften übten eine gewisse Land- und Forstwirthschaftspolizei, die Zünfte überwachten den Betrieb der städtischen Gewerbe. Die erste allgemeine Fürsorge für derartige Interessen findet sich in den Städten, welche durch die Exemtion des Stadtrechtes eine staatsähnliche Stellung einnahmen, indem ihre Autonomie bereits der Gesetzgebung sehr nahe kam (S. 418). Der städtischen Obrigkeit gebührte, ausser der Verwaltung des Gemeindegutes und der Ausübung der der Gemeinde zustehenden korporativen Rechte, auch die Handhabung der nöthigen Ordnung überhaupt und die Aufsicht über den Betrieb der städtischen Gewerbe, als des Hauptnahrungsstandes der Bürger insbesondere. Obgleich das Wort »Polizei« dem früheren Mittelalter fremd ist, so finden sich doch schon seit dem XII. Jahrhundert in den meisten Städten Vorschriften und Einrichtungen, welche die spätere Zeit unter den Begriff der Polizei gestellt haben würde, und machen einen Hauptinhalt aller städtischen Statuten des XIV. und XV. Jahrhunderts aus. (Eichhorn, Staats- und Rechtsgeschichte B. III. § 434. Anm. a.) Erst seit dem XV. Jahrhundert begann die Gesetzgebung im Reiche und in den Territorien für diese Aufgaben thätig zu werden. Die sogenannten Landesordnungen beziehen sich grösstentheils auf solche Gegenstände des gemeinen Wohles, welche man später unter dem Namen »Polizei« begreift. (Armenordnungen, Maassordnungen, Bau- und Apothekerordnungen, Verordnungen über Armen- und Theuerungswesen, Sittenpolizei, Sicherheitspolizei, Zunft- und Taxordnungen.) Reichspolizeiordnungen kommen erst am äussersten Ende des XV. und am Anfange des XVI. Jahrhunderts vor. Die Vorsorge für den gemeinen Nutzen tritt in der sogenannten Polizeigewalt besonders hervor, doch wird in dieser Periode dieselbe noch von keinem Schriftsteller als besonderes Hoheitsrecht angesehen. Die Polizei in ihren viel verzweigten Gebieten war dasjenige Thema, über welches auf den Reichstagen die meisten Bestimmungen oft in sehr kleinlicher, in das Privatleben tief eingreifender Weise erlassen. wurden. Schon die älteren Reichsgesetze enthalten vieles dahin Gehörige; dies wurde im Reichstagsabschied von 1500 zusammengefasst und vermehrt. Aus der Revision dieser Verordnungen entstand 1530 die erste Polizeiordnung, welche 1548 und 1577 in

H. Schulze, Deutsches Staatsrecht.

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