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1863 erfolgten Tod des Königs von Dänemark, Friedrich's VII., akut gewordene schleswig-holsteinische Frage die beiden Grossmächte auf eine Zeit lang wieder zusammen und dieselben nahmen gemeinsam, lediglich als europäische Grossmächte, die Sache Schleswigs in die Hand. Nachdem Dänemark die Zurücknahme der mit den Verabredungen von 1851/52 in Widerspruch stehenden Massregeln in Betreff Schleswigs verweigert hatte, rückten die verbündeten Armeen im Januar 1864 in Schleswig ein. Die anfangs beabsichtigte blosse >>Pfandnahme« führte durch den Widerstand Dänemarks zu einem wirklichen Kriege, welcher mit dem Wiener Frieden vom 30. Oktober 1864 (Staatsarchiv B. VII. S. 322) endigte, in welchem Dänemark die drei Herzogthümer Schleswig, Holstein und Lauenburg an die verbündeten Monarchen von Preussen und Oesterreich abtrat, »en s'engageant à reconnaître les dispositions, que Leurs dites Majestés prendront à l'égard de ces duchés«. Aber gerade dieser gemeinsame Besitz der eroberten Lande war der Keim neuer schwerer Konflikte. Während Preussen, bei allen möglichen Kombinationen über die Zukunft der Herzogthümer, daran festhielt, dass dieselben durch feste Verträge dem militärischen, diplomatischen und merkantilen System Preussens für alle Zeiten eingefügt werden müssten, begünstigte Oesterreich, im Einverständnisse mit den deutschen Mittelstaaten, immer mehr die Schöpfung eines völlig unabhängigen Staates unter der Herrschaft des Herzogs von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Augustenburg.

Schon im Sommer 1865 drohte der Konflikt zwischen Oesterreich und Preussen zum kriegerischen Zusammenstosse zu führen, doch wurde derselbe noch einmal durch die sog. Gasteiner Konvention vom 14. August 1865 vertagt (Staatsarch. B. IX. S. 288), kraft deren »die Ausübung der von beiden Mächten gemeinsam erworbenen Hoheitsrechte, unbeschadet der Fortdauer dieser Rechte beider Mächte an der Gesammtheit beider Herzogthümer, in Bezug auf Schleswig auf Preussen, in Bezug auf Holstein auf Oesterreich übertragen wurde.« Das Herzogthum Lauenburg wurde definitiv an den König von Preussen abgetreten. Bald trat aber der verschiedene Standpunkt der beiden Mächte in der schleswig-holsteinischen Frage wieder hervor, indem Oesterreich die Entscheidung derselben in die Hände des deutschen Bundes legen, Preussen dieselbe lediglich im Einverständnisse mit Oesterreich schen Staatsrechtes.« Leipzig 1867, besonders jetzt auch H. Klüpfel, Geschichte der deutschen Einheitsbestrebungen. B. II. 1866-1871.

regeln wollte. Am 1. Juni erklärte Oesterreich in der Bundesversammlung, dass es in dieser gemeinsamen Angelegenheit alles Weitere den Entschliessungen des Bundes anheimgebe, welchen von Oesterreich bereitwilligste Folge gesichert sei.« Zu gleicher Zeit berief die holsteinische Statthalterschaft einseitig die holsteinische Ständeversammlung ein. Darin sah Preussen die ausdrückliche Lossagung vom Gasteiner Vertrage. Am 7. Juni rückten preussische Truppen zur Wahrung der Kondominatsrechte« in Holstein ein. Am 12. Juni räumte die österreichische Statthalterschaft unter Protest gegen diesen angeblichen Gewaltakt Holstein mit ihren Truppen. An demselben Tage brach Oesterreich die diplomatischen Verhandlungen mit Preussen ab. Es kam Oesterreich nun darauf an, den deutschen Bund auf seine Seite zu ziehen und den Krieg zu einem Bundeskriege gegen Preussen zu stempeln. Diesem Zwecke sollte der am 11. Juni 1866 gestellte österreichische Antrag auf Mobilmachung sämmtlicher nicht preussischer Bundesarmeecorps dienen, welcher stillschweigend eine Kriegserklärung gegen Preussen in sich schloss. Vor der schon auf den 14. Juni anberaumten Abstimmung legte Preussen gegen jede geschäftliche Behandlung dieses >>formell und materiell bundeswidrigen« österreichischen Antrages Protest ein. Trotzdem erfolgte die Abstimmung und es wurde der österreichische Antrag mit einer geringen Mehrheit von 9 gegen 7 Stimmen angenommen. Unmittelbar darauf erklärte der preussische Gesandte im Namen seines Königs, »dass Preussen den bisherigen Bundesvertrag für gebrochen und deshalb nicht mehr verbindlich ansieht, denselben vielmehr als erloschen betrachten und behandeln wird«. Preussen hatte schon vor Annahme dieses Beschlusses den einzelnen Bundesgliedern erklärt, »dass die Annahme des österreichischen Antrags von Preussen als Kriegserklärung behandelt werden werde.<< Die an Hannover, Sachsen und Kurhessen gerichteten sog. »Sommationen«< blieben ohne Erfolg. Darauf erklärte Preussen diesen Fürsten den Krieg, besetzte ihre Hauptstädte und dann ihre ganzen Gebiete. Am 17. Juni erliess der Kaiser von Oesterreich das Kriegsmanifest, am 18. Juni proklamirte der König von Preussen den Krieg gegen Oesterreich. Am 23. Juni marschirten die Preussen in Böhmen ein. Auf eine Reihe siegreicher Gefechte folgte die entscheidende Schlacht von Königgrätz am 3. Juli 1866. Ganz Böhmen und Mähren war in preussischen Händen. Ein Waffenstillstand hemmte am 21. Juli den Siegeslauf der Preussen vor den Thoren

Wiens. In gleicher Weise warf Preussen im westlichen Deutschland alle seine Gegner nieder. Nassau, Hessen-Darmstadt, ein Theil von Württemberg, Baden und Bayern wurden besetzt. Am 16. Juli rückten die Preussen in Frankfurt a. M. ein. Das grosse Gottesgericht des Jahres 1866 hatte gegen Oesterreich und den Bund entschieden. Das Schicksal Deutschlands lag in Preussens Händen.

§ 66.

Die deutschen Friedensschlüsse des Jahres 1866 1.

Am 26. Juli 1866 kam ein Präliminarfriedensvertrag zwischen Preussen und Oesterreich zu Nikolsburg zu Stande, auf welchen dann der definitive Friedensvertrag zu Prag am 23. August 1866 folgte (Staatsarch. B. IX.). Von dessen Bestimmungen sind besonders folgende von bleibender Bedeutung für die staatsrechtliche Neugestaltung Deutschlands. Prager Frieden Art. IV. »Seine Majestät der Kaiser von Oesterreich erkennt die Auflösung des bisherigen deutschen Bundes an und giebt Seine Zustimmung zu einer Gestaltung Deutschlands ohne Betheiligung des österreichischen Kaiserstaates. Ebenso verspricht Sr. Majestät das engere Bundesverhältniss anzuerkennen, welches Sr. Majestät der König von Preussen nördlich von der Mainlinie begründen wird, und erklärt sich damit einverstanden, dass die südlich von dieser Linie gelegenen deutschen Staaten in einen Verein treten, dessen nationale Verbindung mit dem norddeutschen Bunde der näheren Verständigung zwischen beiden vorbehalten bleibt.« Art. VI: »Auf den Wunsch Sr. Majestät des Kaisers von Oesterreich erklärt Sr. Majestät der König von Preussen sich bereit, bei den bevorstehenden Veränderungen in Deutschland den gegenwärtigen Territorialbestand des Königreichs Sachsen in seinem gegenwärtigen Umfange bestehen zu lassen, indem Er sich dagegen vorbehält, den Beitrag Sachsens zu den Kriegskosten und die künftige Stellung des Königreichs Sachsen innerhalb des norddeutschen Bundes durch einen mit Sr. Majestät dem Könige von Sachsen abzuschliessenden Friedensvertrag besonders zu regeln. Dagegen verspricht Sr. Majestät der Kaiser von Oesterreich, die von Sr. Majestät dem Könige von

1 Vergleiche meine im August 1866 zu Breslau erschienene kleine Schrift: Die Friedensbestimmungen in ihrem Verhältnisse zur Neugestaltung Deutschlands, geschichtlich und politisch erörtert.«<

Preussen in Norddeutschland herzustellenden neuen Einrichtungen, einschliesslich der Territorialveränderungen anzuerkennen.<<

Durch A. IV. des Prager Friedens wurde jener unheilvolle Dualismus im deutschen Staatensystem endlich gelöst, welcher das deutsche Reich gesprengt und jede Reform des deutschen Bundes bisher verhindert hatte. Erst das durch einen jahrhundertelangen staatsrechtlichen und kulturgeschichtlichen Process vorbereitete Ausscheiden Oesterreichs (S. 73) aus dem deutschen Staatenverbande machte einen kräftigen und einheitlichen Neubau möglich, indem nun in Preussen ein fester Mittelpunkt für die Neukonstituirung Deutschlands gegeben war. Während indessen die frühern von Preussen ausgehenden Einigungsversuche immer das ganze ausserösterreichische Deutschland umfasst hatten, tritt jetzt zum ersten Male die Beschränkung des unter Preussens Leitung zunächst zu bildenden, engern Bundesverhältnisses auf das nördlich von der Mainlinie gelegene Deutschland in bestimmter Weise auf. Welche politischen Motive die vorläufige Beschränkung des engern bundesstaatlichen Verhältnisses auf Norddeutschland herbeigeführt haben, ist hier nicht weiter zu erörtern. Rechtlich steht nur soviel fest, dass Oesterreich sich verpflichtet hatte, auf seine Betheiligung an dem deutschen Bundesverhältnisse zu verzichten und einen auf Norddeutschland beschränkten, von Preussen zu bildenden engern Bundesstaat anzuerkennen. Eine Verpflichtung Preussens, seine Bundesbestrebungen niemals über die Mainlinie auszudehnen, war in Art. IV ebensowenig ausgesprochen, als eine Verpflichtung der süddeutschen Staaten, einen süddeutschen Bund abzuschliessen, welcher, als ein blos in Napoleon's Kopf entstandener Gedanke, auch in Süddeutschland wenig Anklang fand und niemals ernstlich in Aussicht genommen wurde. Nur hatte sich Preussen Oesterreich gegenüber verpflichtet, keine Zwangsmassregeln anzuwenden, um die süddeutschen Staaten in ein engeres Bundesverhältniss zu ziehen1. Während so Oesterreich seinen süddeutschen Verbündeten eine nicht unwichtige Garantie ihrer Selbständigkeit und völkerrechtlichen Willensfreiheit ausgewirkt hatte, überliess es durch A. VI Norddeutschland ganz dem Belieben des Siegers und versprach, alle dort vorzunehmenden Einrichtungen, einschliesslich

↑ Ueber die rechtliche Tragweite dieser Bestimmungen vergl. besonders K. L. Aegidi's Aufsatz »über die völkerrechtlichen Grundlagen einer neuen Gestaltung Deutschlands« im IV. Hefte der Zeitschr. für deutsches Staatsrecht.

der Territorialveränderungen anzuerkennen. Dadurch waren die beabsichtigten Einverleibungen der eroberten norddeutschen Gebiete im voraus von Oesterreich anerkannt. Nur zu Gunsten Sachsens wurde stipulirt, dass dieses Königreich in seinem Territorialbestand aufrecht erhalten und mit ihm ein besonderer Friedensvertrag, in Betreff seiner Stellung innerhalb des norddeutschen Bundes, abgeschlossen werden sollte. Auch trat Oesterreich alle aus dem Wiener Frieden vom 30. Oktober 1864 erworbenen Rechte auf die Herzogthümer Holstein und Schleswig an Preussen ab.

Nachdem so die beiden kriegführenden Hauptparteien Frieden geschlossen hatten, folgten die Friedensschlüsse Preussens mit den süddeutschen Staaten, mit Württemberg am 13. August (Staatsarch. XI S. 182), Bayern am 22. August (S. 184), Baden am 17. August (S. 188), Hessen-Darmstadt am 3. September (S. 190).

Von bleibendem staatsrechtlichem Interesse ist in diesen Verträgen nur der Artikel, wornach die süddeutschen Fürsten sich verpflichten: »die Bestimmungen des zwischen Preussen und Oesterreich zu Nikolsburg am 26. Juli abgeschlossenen Präliminarvertrages anzuerkennen und denselben beizutreten, so weit sie die Zukunft Deutschlands betreffen«. Damit erkannten diese Fürsten die Aufhebung des deutschen Bundes, das Ausscheiden Oesterreichs aus Deutschland, die Bildung eines norddeutschen Bundes durch Preussen, ebenso die Territorialveränderungen und Annexionen in Norddeutschland als rechtsbeständig an. Ausserdem verpflichtete sich Hessen-Darmstadt, mit seinen nördlich des Mains gelegenen Gebietstheilen in den von Preussen zu bildenden norddeutschen Bund einzutreten. Eine gleiche Verpflichtung des Beitritts und zwar für ihr ganzes Gebiet müssen diejenigen mit Preussen in Kriegszustand befindlich gewesenen Fürsten, deren Staaten nördlich vom Main liegen, in den Friedensverträgen übernehmen, so Reuss ä. Linie am 26. September (Staatsarch. a. a. O. S. 402), so Sachsen-Meiningen am 8. Oktober (S. 405), so endlich das Königreich Sachsen am 26. Oktober. Damit war der längst thatsächlich sistirte Kriegszustand beendet und der Frieden in Deutschland auch rechtlich überall wieder hergestellt.

§ 67.

Die preussischen Einverleibungen.

Mit dem Könige von Hannover, dem Kurfürsten von Hessen, dem Herzoge von Nassau und der Stadt Frankfurt am Main, welche

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