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Art. 31. Ohne Genehmigung des Reichstages kann kein Mitglied desselben während der Sitzungs-Periode wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung zur Untersuchung gezogen oder verhaftet werden, ausser wenn es bei Ausübung der That oder im Laufe des nächstfolgenden Tages ergriffen wird."

Gleiche Genehmigung ist bei einer Verhaftung wegen Schulden erforderlich.

Auf Verlangen des Reichstages wird jedes Strafverfahren gegen ein Mitglied desselben und jede Untersuchungs- oder Civilhaft für die Dauer der SitzungsPeriode aufgehoben.

Art. 32. Die Mitglieder des Reichstages dürfen als solche keine Besoldung oder Entschädigung beziehen.

VI.

Zoll- und Handelswesen.

Art. 33. Der Bund bildet ein Zoll- und HandelsGebiet, umgeben von gemeinschaftlicher Zollgrenze. Ausgeschlossen bleiben die wegen ihrer Lage zur Einschliessung in die Zollgrenze nicht geeigneten einzelnen Gebietstheile.

Alle Gegenstände, welche im freien Verkehr eines Bundesstaates befindlich sind, können in jeden anderen Bundesstaat eingeführt und dürfen in letzterem einer Abgabe nur insoweit unterworfen werden, als daselbst gleichartige inländische Erzeugnisse einer inneren Steuer unterliegen.

Art. 34. Die Hansestädte Lübeck, Bremen und Hamburg mit einem dem Zweck entsprechenden Bezirke ihres oder des umliegenden Gebietes bleiben als Freihäfen ausserhalb der gemeinschaftlichen Zollgrenze, bis sie ihren Einschluss in dieselbe beantragen.

- Art. 35. Der Bund ausschliesslich hat die Gesetzgebung über das gesammte Zollwesen, über die Besteuerung des Verbrauches von einheimischem Zucker, Branntwein, Salz, Bier und Tabak, sowie über die Massregeln, welche in den Zollausschlüssen zur Sicherung der gemeinschaftlichen Zollgrenze erforderlich sind.

Art. 36. Die Erhebung und Verwaltung der Zölle und Verbrauchssteuern (Art. 35.) bleibt jedem Bundes

staate, soweit derselbe sie bisher ausgeübt hat, innerhalb seines Gebietes überlassen.

Das Bundes-Präsidium überwacht die Einhaltung des gesetzlichen Verfahrens durch Bundesbeamte, welche es den Zoll- oder Steuerämtern und den Directivbehörden der einzelnen Staaten, nach Vernehmung des Auschusses des Bundesraths für Zoll- und Steuer-Wesen, beiordnet. Art. 37. Der Bundesrath beschliesst:

1) über die dem Reichstage vorzulegenden oder von demselben angenommenen, unter die Bestimmung des Art. 35. fallenden, gesetzlichen Anordnungen einschliesslich der Handels- und Schifffahrts-Verträge;

2) über die zur Ausführung der gemeinschaftlichen Gesetzgebung (Art. 35.) dienenden VerwaltungsVorschriften und Einrichtungen;

3) über Mängel, welche bei der Ausführung der gemeinschaftlichen Gesetzgebung (Art. 35.) hervortreten ;

4) über die von seiner Rechnungs-Behörde ihm vorgelegte schliessliche Feststellung der in die Bundescasse fliessenden Abgaben (Art. 39.).

Jeder über die Gegenstände zu 1. bis 3. von einem Bundesstaate oder über die Gegenstände zu 3. von einem controlirenden Beamten bei dem Bundesrathe gestellte Antrag unterliegt der gemeinschaftlichen Beschlussnahme. Im Falle der Meinungsverschiedenheit giebt die Stimme des Präsidiums bei den zu 1. und 2. bezeichneten alsdann den Ausschlag, wenn sie sich für Aufrechthaltung der bestehenden Vorschrift oder Einrichtung ausspricht, in allen übrigen Fällen entscheidet die Mehrheit der Stimmen nach dem im Art. 6. dieser Verfassung fest-. gestellten Stimmverhältniss.

Art. 38. Der Ertrag der Zölle und der im Art. 35. bezeichneten Verbrauchs-Abgaben fliesst in die Bundes

casse.

Dieser Ertrag besteht aus der gesammten von den Zöllen und Verbrauchs - Abgaben aufgekommenen Einnahme nach Abzug:

1) der auf Gesetzen oder allgemeinen VerwaltungsVorschriften beruhenden Steuer-Vergütungen und Ermässigungen ;

2) der Erhebungs- und Verwaltungs-Kosten, und zwar: a) bei den Zöllen und der Steuer von inländischem Zucker, soweit diese Kosten nach den Verabredungen unter den Mitgliedern des Deutschen Zoll- und Handels-Vereins der Gemeinschaft aufgerechnet werden konnten; b) bei der Steuer von inländischem Salze sobald solche, sowie ein Zoll von ausländischem Salze unter Aufhebung des Salzmonopols eingeführt sein wird mit dem Betrage der auf Salzwerken erwachsenden Erhebungs- und Aufsichts-Kosten;

c) bei den übrigen Steuern mit funfzehn Procent der Gesammt-Einnahme.

Die ausserhalb der gemeinschaftlichen Zollgrenze liegenden Gebiete tragen zu den Bundes-Ausgaben durch Zahlung eines Aversums bei.

Art. 39. Die von den Erhebungs - Behörden den Bundesstaaten nach Ablauf eines jeden Vierteljahres aufzustellenden Quartal-Extracte und die nach dem Jahresund Bücherschlusse aufzustellenden Final-Abschlüsse über die im Laufe des Vierteljahres, beziehungsweise während des Rechnungsjahres, fällig gewordenen Einnahmen an Zöllen und Verbrauchs-Abgaben werden von den DirectivBehörden der Bundesstaaten, nach vorangegangener Prüfung, in Hauptübersichten zusammengestellt und diese an den Ausschuss des Bundesrathes für das Rechnungswesen eingesandt.

Der Letztere stellt auf Grund dieser Uebersichten von drei zu drei Monaten den von der Casse jedes Bundesstaates der Bundescasse schuldigen Betrag vorläufig fest und setzt von dieser Feststellung den Bundesrath und die Bundesstaaten in Kenntniss, legt auch alljährlich die schliessliche Feststellung jener Beträge mit seinen Bemerkungen dem Bundesrathe zur Beschlussnahme vor.

Art. 40. Die Bestimmungen in dem Zoll-VereinigungsVertrage vom 16. Mai 1865, in dem Vertrage über die gleiche Besteuerung innerer Erzeugnisse vom 28. Juni 1864, in dem Vertrage über den Verkehr mit Tabak und Wein von demselben Tage und im Art. 2. des Zoll- und Anschluss-Vertrages vom 11. Juli 1864, desgleichen in den Thüringischen Vereins-Verträgen bleiben zwischen den bei diesen Verträgen betheiligten Bundesstaaten in Kraft, soweit sie nicht durch die Vorschriften der gegen

wärtigen Verfassung abgeändert sind und so lange sie nicht auf dem im Art. 37. vorgezeichneten Wege abgeändert werden.

Mit diesen Beschränkungen finden die Bestimmungen des Zoll-Vereinigungs-Vertrages vom 16. Mai 1865 auch auf diejenigen Bundesstaaten und Gebietstheile Anwendung, welche dem Deutschen Zoll- und Handels-Vereine zur Zeit nicht angehören.

VII.
Eisenbahnwesen.

Art. 41. Eisenbahnen, welche im Interesse der Vertheidigung des Bundesgebietes oder im Interesse des gemeinsamen Verkehrs für nothwendig erachtet werden, können kraft eines Bundesgesetzes auch gegen den Widerspruch der Bundesglieder, deren Gebiet die Eisenbahnen durchschneiden, unbeschadet der Landeshoheitsrechte, für Rechnung des Bundes angelegt oder an Privat-Unternehmer zur Ausführung concessionirt und mit dem Expropriationsrechte ausgestattet werden.

Jede bestehende Eisenbahn-Verwaltung ist verpflichtet, sich den Anschluss neuangelegter Eisenbahnen auf Kosten der letzteren gefallen zu lassen.

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Die gesetzlichen Bestimmungen, welche bestehenden Eisenbahn-Unternehmungen ein Widerspruchsrecht gegen die Anlegung von Parallel- oder Concurrenzbahnen einräumen, werden, unbeschadet bereits erworbener Rechte, für das ganze Bundesgebiet hierdurch aufgehoben. Ein solches Widerspruchsrecht kann auch in den künftig zu ertheilenden Concessionen nicht weiter verliehen werden.

Art. 42. Die Bundes - Regierungen verpflichten sich, die im Bundesgebiete belegenen Eisenbahnen im Interesse des allgemeinen Verkehrs wie ein einheitliches Netz verwalten und zu diesem Behuf auch die neuherzustellenden Bahnen nach einheitlichen Normen anlegen und ausrüsten zu lassen.

Art. 43. Es sollen demgemäss in thunlichster Beschleunigung übereinstimmende Betriebs - Einrichtungen getroffen, insbesondere gleiche Bahn-Polizei-Reglements eingeführt werden. Der Bund hat dafür Sorge zu tragen, dass die Eisenbahn-Verwaltungen die Bahnen jederzeit in einem, die nöthige Sicherheit gewährenden, baulichen

Zustande erhalten und dieselben mit Betriebsmaterial so ausrüsten, wie das Verkehrs-Bedürfniss es erheischt.

Art. 44. Die Eisenbahn-Verwaltungen sind verpflichtet, die für den durchgehenden Verkehr und zur Herstellung ineinandergreifender Fahrpläne nöthigen Personenzüge mit entsprechender Fahrgeschwindigkeit, desgleichen die zur Bewältigung des Güterverkehrs nöthigen Güterzüge a einzuführen, auch directe Expeditionen im Personen- und Güterverkehr, unter Gestattung des Ueberganges der Transportmittel von einer Bahn auf die andere, gegen die übliche Vergütung einzurichten.

Art. 45. Dem Bunde steht die Controle über das Tarifwesen zu. Derselbe wird namentlich dahin wirken:

1) dass baldigst auf den Eisenbahnen im Gebiete des Bundes übereinstimmende Betriebs- Reglements eingeführt werden;

2) dass die möglichste Gleichmässigkeit und Herabsetzung der Tarife erzielt, insbesondere dass bei grösseren Entfernungen für den Transport von Kohlen, Coaks, Holz, Erzen, Steinen, Salz, Roheisen, Düngungsmitteln und ähnlichen Gegenständen ein dem Bedürfniss der Landwirthschaft und Industrie entsprechender ermässigter Tarif, und zwar zunächst thunlichst der Ein-PfennigTarif, eingeführt werde.

Art. 46. Bei eintretenden Nothständen, insbesondere bei ungewöhnlicher Theuerung der Lebensmittel, sind die Eisenbahn-Verwaltungen verpflichtet, für den Transport, namentlich von Getreide, Mehl, Hülsenfrüchten und Kartoffeln, zeitweise einen dem Bedürfniss entsprechenden, von dem Bundes-Präsidium auf Vorschlag des betreffenden Bundesraths-Ausschusses festzustellenden, niedrigen Special-Tarif einzuführen, welcher jedoch nicht unter den niedrigsten auf der betreffenden Bahn für Rohproducte geltenden Satz herabgehen darf.

Art. 47. Den Anforderungen der Bundes-Behörden in Betreff der Benutzung der Eisenbahnen zum Zweck der Vertheidigung des Bundesgebiets haben sämmtliche Eisenbahn-Verwaltungen unweigerlich Folge zu leisten. Insbesondere ist das Militair und alles Kriegsmaterial zu gleichen ermässigten Sätzen zu befördern.

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