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Reineke der Fuchs.

Das er.ft e

Buch.

Das erste Kapitel.

Wie der Löwe, König aller Thiere, einen festen Frieden ausrufen und alle Thiere an seinen Hof entbieten låßt.

(1→ 32.)

Es war an einem Pfingstentag;

Der Mai auf Wald und Wiesen lag;
Es grůnte Laub und Gras hervor;
Die Vöglein all im hellen Chor
Auf Hecken und auf Bäumen sangen;
Die Kräuter und die Blumen sprangen.
Und gaben wundersüßen Duft:
Der Tag war schön und klar die Luft.
Der König von den Thieren allen,
Nobel, hielt Hof und ließ erschallen
Den Ruf durchs Land allüberall.
Da kamen Herren viel mit Schall,
Stolze Gefellen allzumahl,

Die kamen an in großer Zahl:

Lütke der Kranich und Marquart der Hehr
Und viele viele andre mehr.

Dieweil der König trug Begehren
Zu halten Hof mit großen Ehren,
Mit Freuden und mit Lob und Preis;
Darum entbot er auch mit Fleiß

Die Thiere alle groß und klein,

Bis auf Reinke den Fuchs allein.

Nach dem, was schon durch ihn geschehn,
Durft er nicht mit nach Hofe gehn.
Wer Böses thut, der scheut das Licht,
Und so auch er, der Bösewicht.

1

Man wußte wenig Guts ihm nachzusagen,

Drum durft er auch nach Hofe nicht sich wagen.
Als nun allda der Hof begann,

Hatte zu klagen Jedermann:"

Daß Reineke ein Bösewicht;

Und nur der Dachs, der klagte nicht.

Das andere Kapitel.

Wie Reineke der Fuchs von dem Wolf und vielen andern Thieren vor dem Könige verklagt wird. (33-148.)

Isegrim der Wolf begann die Klage;

Au seine Freunde, wer von seinem Schlage,
Die traten alle zu dem Thron heran,

Wo Ifegrim der Wolf also begann :

>>Mein gnädger Herr und König mehre
Den lichten Glanz von seiner hohen Ehre!
Er wolle sich nach Rechte und nach Gnaden
Erbarmen über meinen großen Schaden,

Den Reineke an mir begangen.

Durch ihn hab ich schon oft empfangen
Die größte Schande und Verlust an Gut.
Vor allem dieß zu würdigen geruht:

Daß er mein gutes Weib zum Spott gemacht,
und an den Meinen Schändlichkeit vollbracht.
Mit seinem Harn hat er die Kinder mein
Mir so besudelt, daß bei ihrer Drein
Die Augen sind erblindet schon.
Drauf sprach er mir noch selber Hohn.
Es war einmal so weit gekommen,
Daß schon der Tag war angenommen,
An dem ich sollte rechtlichen Bescheid
Empfangen. Reinke bot den Eid,

Und ich verlangt ihn, da hielt ers fürs Beste
Schnell zu entfliehn; er fuhr in seine Feste.
Herr, das bezeugen alle die hier stehn,
Die besten Mannen finds in eurem Lehn.
Herr, ich vollbråcht es nicht in vielen Tagen,
Wollt ich das Böse alles vor euch sagen,
Was Reineke, der falscheste Kumpan,
Mir schon zu Leide hat gethan.

Ja, wåre alles Tuch auch Pergament,
Das man gemacht in Niederland zu Gent,
Es wäre nicht genug um drauf zu schreiben,
Was er mir angethan; drum soll es bleiben.
Doch meines Weibes Schmach, die muß ich sehn
Gerochen, wies auch mag geschehn.<<

Als Isegrim die Klage so gethan,
Da kam ein kleines Hündchen an,

Das war geheißen Wackerlos

Und sprach zum König als Franzos :
Im Winter seis so arm gewesen mal,

Daß es für seines Hungers Qual

Nichts hatte als ein Würstchen, schlecht und klein.
Das bargs in einem Busche fein,
Wo ihm dasselbe Reinke nahm.

Herbei auch Hinz der Kater kam,
Der sprudelte vor Zorn nicht wenig
Und sprach: »Gnådiger Herr und König,
Möget auch Reinken zürnen ihr,

Nicht jung, nicht alt, kein Thier ist hier,

Das nicht vor ihm mehr als vor euch noch zagt.

Was aber Wackerlos geklagt,

Ist viele Jahre her, muß ich berichten,

Die Wurst war mein, doch klag ich deß mit nichten.

Denn als ich einstens Jagd gemacht,

Kam ich in eine Mühl bei Nacht,
Wo tief im Schlaf der Müller war,
Dem nahm die Wurst ich, das ist wahr.
Hatt' Wackerlos ein Recht an der,
Das kam von meiner List doch her.«
Als dessen Klage war zu Ende,
Da sprach das Pantherthier behende:
»Hinz, laffet eure Klagen bleiben,
Ihr werdet nichts damit betreiben!
Reinke hat keine Ehre lieb,
Er ist ein Mörder, ist ein Dieb!
Das fag ich laut bei meinem Leben,
Und all die Herren Recht mir geben.

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