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(1806.) Nußlands Freundschaft.

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geriethen in's Stocken, Desterreich erwies sich zurückhaltend. Der König war allein auf Rußlands Hilfe angewiesen, da die noch übrig gebliebenen preußischen Streitkräfte für den Fall eines Krieges gegen Napoleon nicht ausreichten. Die Mannschaften, welche dem Unglück von Jena dadurch entgangen waren, daß man fie zum Schuße der Ostgrenze zurückgelaffen hatte, beliefen sich auf kaum 25,000 Mann, zu denen sich nach und nach als Verstärkung kleine Schaaren einfanden, welche einzelne tapfere Officiere und Wachtmeister, hauptsächlich von Blücher's Corps, heranführten. Die unumgänglich nothwendige Neubildung des Heeres war äußerst schwierig zu vollziehen, da der größte Theil des Landes vom Feinde beseßt, die stärksten Festungen mit ihren reichen Vorräthen in seinen Händen waren. Deffenungeachtet ließ Kaiser Alexander es an eifrigen Freundschaftsversicherungen nicht fehlen, welche der König aufrichtigen Herzens erwiderte. erklärte alle Versuche, mit Frankreich zu unterhandeln, für abgebrochen und gelobte feierlich, die Waffen nicht ohne Zustimmung des Czaren niederzulegen. Von die sen Entschlüssen wurde der österreichische Hof in Kenntniß geseßt, um ihn zum Beitritte zu bewegen, doch) zögerte man in Wien mit der Entscheidung, weil man keineswegs über die eigentlichen Absichten Rußlands beruhigt war, welches sehr zu unrechter Zeit sich in Streitigkeiten mit der Pforte eingelassen und die Mol

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dau und Wallachei besezt hatte. Auch war es in der That viel verlangt, daß Oesterreich, welches man erst kürzlich bei der dringendsten Gefahr im Stich gelassen, sich jest mit einem Staate verbinden sollte, den eine so schmähliche und vernichtende Niederlage betroffen hatte.

Während dieser Unterhandlungen verlor Napoleon keine Zeit. Ende November war er von Berlin nach Posen vorgerückt, wo er eine Deputation aus Polen empfing und derselben die Wiederherstellung ihres vor zwölf Jahren zertrümmerten Vaterlandes in Aussicht stellte. Dadurch wurde die leicht erregbare Nation in feurige Bewegung versezt, und den Russen und Preußen ein neuer, nicht verächtlicher Feind erweckt. Gleichzeitig war durch Vergrößerung des Rheinbundes die Macht des Imperators verstärkt. Sachsen hatte seinen Frieden mit Napoleon gemacht, Coburg, Meiningen, Gotha und Hildburghausen folgten unterwürfig diesem Beispiel (15. December) und mußten dem französischen Kaiser willige Kriegsfolge mit ihren Truppen geloben. Waffen und Munition lieferten die eroberten preußischen Festungen, die Kriegskosten wurden aus den beseßten deutschen Provinzen mit größter Härte beigetrieben.

Friedrich Wilhelm III. hatte jezt seine Armee auf 40,000 Mann gebracht. Zu diesen stießen für's erste 60,000 Ruffen unter Benningsen. Eine zweite, gleich starke Armee war unterwegs. Mit anerkennenswerther Selbstverleugnung ordnete der König seine Truppen

(1806) Kolbergs Vertheidigung. Nettelbeck. 37

dem Oberbefehle des russischen Generals unter, damit keine Zwiespaltigkeit des Commandos die Kriegsmaßregeln lähme.

Während man sich an der Ostgrenze des Staates zu gewaltigen Kämpfen vorbereitete, waren die Franzosen gleichzeitig auf's eifrigste bemüht, die bisher noch nicht in ihre Gewalt gelangten festen Pläße Schlesiens zu überwältigen und in Pommern die kleine Küstenfeftung Kolberg zu erobern, welche von den Engländern leicht hätte dazu benußt werden können, um dem preußisch-russischen Heere Kriegsbedürfniffe zuzuführen. Marschall Mortier erhielt den Auftrag, Kolberg zu belagern, stieß aber hier auf einen Widerstand, welcher nach dem Beispiele, welches die wichtigsten Pläße des Landes gegeben, das größte Erstaunen erregte. Comman= dant von Kolberg war General Loucadou, ein braver alter Herr, aber von beschränkter Einsicht und voll alt= preußischen Soldatendünkels. Er wäre zufrieden ge= wesen, nach tapferer Gegenwehr und sobald der militairischen Ehre Genüge geschehen, unter annehmbaren Bedingungen zu capituliren; allein die Bürgerschaft, von echter Pommerscher Treue erfüllt, erklärte sich, unter Leitung des braven alten Seemannes Nettelbeck, bereit bis zum Aeußersten auszuharren.

Dieser treffliche Greis, damals fast 70jährig, hatte schon im siebenjährigen Kriege bei der Belogerung

Kolbergs sich tüchtig erwiesen. Jeßt leistete er die wich: tigsten Dienste dadurch, daß er, mit dem Wasserwesen von Jugend auf vertraut, die zur Vertheidigung noth: wendigen Ueberschwemmungen leitete, und die Verbindung der Stadt mit dem Meere unterhielt, damit die= selbe von daher durch einen von ihm gewonnenen schwedischen Schiffscapitain mit Waffen und Schießbedarf versehen werden konnte. Unermüdlich sorgte Nettelbeck ferner dafür, daß die durch feindliche Bomben entstehenden Feuersbrünste schnell und wirksam gelöscht wurden, vor Allem aber begeisterte der tapfere Mann durch sein Beispiel die Bürger Kolbergs zum Ausharren in der schwierigsten und gefährlichsten Lage, wie man das in seiner, von ihm selbst verfaßten Lebensbeschreibung ausführlich nachlesen mag1). Mit ihm Hand in Hand wirkte der kühne Parteigänger Ferdinand v. Schill, dessen Name sechs Jahre später zu den volksbeliebtesten in ganz Deutschland gehören sollte. Derselbe hatte als Dragonerlieutenant bei Auerstädt mitgefochten, wo er verwundet, nahe daran war in französische Gefangenschaft zu gerathen, als es ihm gelang über Magdeburg nach Kolberg zu entkommen und sich daselbst heilen zu lassen. Die Anlage zu abenteuerlichen Unternehmungen lag in seinem Blute.

1) Nettelbeck's Selbstbiographie erschien in drei Bänden, Leipzig 1824.

(1806.) Schill's Freischaar.

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Schon der Vater, ein Ungar von Geburt, hatte sich im siebenjährigen und im baierischen Erbfolgekriege bald unter dieser bald unter jener Fahne in landsknechtischer Weise hervorgethan. Ferdinand v. Schill, sein jüngster Sohn, war in Kolberg kaum nothdürftig wieder hergestellt, als er mit Hilfe einiger Dragoner seines Regi= ments, die ihm auf der Flucht gefolgt waren, eine Freischaar bildete, mit der er die Belagerer auf jede Weise beunruhigte und denselben nicht unbeträchtlichen Schaden zufügte. Dem alten Loucadou waren diese außer dienstlichen Unternehmungen ebenso zuwider, wie das Treiben Nettelbeck's, welches ihm wie ein Eingriff in sein Amt erschien. Der pedantische alte Commandant wurde um so ärgerlicher, weil er sich sagen mußte, daß es eigentlich seine Sache gewesen wäre, der Festung die Dienste zu leisten, welche jene aus eigenem Antriebe verrichteten.

Der König, welcher von Schill's Erfolgen Kenntniß erhielt, bestätigte ausdrücklich die Freischaar. Schill und seine Genoffen, durch diese hohe Anerkennung noch eifriger geworden, rechtfertigten das Vertrauen des Monarchen dadurch, daß sie gleich nachher den französ sischen Marschall Victor auf deffen Reise nach Stettin überfielen und gefangen nahmen, auch zu verschiedenen Malen bedeutende Züge mit Lebensmitteln in die Festung bringen halfen. Troß dieser Erfolge stieg die Gefahr, besonders seitdem Mortier am 16. April die aus Stral

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