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fallen, der noch immer die Unterwerfung unter Napoleon's Willen gepredigt hatte 1).

In der That wurde der Graf entfernt, doch vors läufig nur unter der Form eines Urlaubs aus Gesundheitsrücksichten; ihn förmlich zu entlassen konnte der · König sich immer noch nicht entschließen, theils aus alter Anhänglichkeit, theils um den Schein abzuwenden, als sei er zu einer solchen Maßregel gedrängt worden.

Daß Stein der einzige Mann sei, der Kraft und Einsicht in solchem Maße in sich vereinige, um die nothwendige Umgestaltung des Staates anzubahnen und durchzuführen, darüber war bei allen Verständigen und Wohlgesinnten nur Eine Stimme. Auch der König hatte eine hohe Meinung von der Fähig= keit dieses Ministers und sah ein, daß dessen Achtung gebietende Persönlichkeit dazu geeignet sei, dem preu= ßischen Staate bei den europäischen Höfen das Ver= trauen zurückzugewinnen, welches unter Haugwig's charakterloser Geschäftsführung verloren gegangen war. In diesem Sinne richtete der König (29. November) die Aufforderung an Stein, das auswärtige Ministerium zu übernehmen; allerdings nur einstweilen“ bis zu Haugwiß's Genesung.

Nach der offenen Erklärung, welche Stein erst vor wenigen Monaten 2) über die Verwerflichkeit der Cabi

1) Schladen p. 52. 2) Siehe p. 650 des fünften Bandes.

(1806.) Stein will in keine Cabinetsregierung treten. 31 netsregierung abgegeben hatte, zeigte es von einem gänzlichen Verkennen seines Charakters, daß der König ihm nun dennoch zumuthete, in dies alte Getriebe als ein neues Rad sich einfügen zu lassen. Er sollte gemein: schaftlich mit Beyme arbeiten, über deffen Unwissenheit und Gesinnungslosigkeit er ganz kürzlich sich auf's deutlichste ausgesprochen hatte. Der allmächtige Cabinetsrath erkannte selbst die Größe einer solchen Zumuthung. In den schmeichelhaftesten Ausdrücken schrieb er deshalb an Stein:,,Kommen Ew. Ercellenz doch ja, und das recht bald zu uns. Ich sehe in Ihnen den von der Vorsehung unserem Vaterlande bestimmten Retter!" Stein ließ sich dadurch nicht wankend machen. Er schüßte Mangel an Kenntnissen und an derjenigen Geschäftsgewandtheit vor, deren ein Minister des Auswärtigen bedürfe, unterließ aber nicht nochmals auf die förmliche Entlassung von Haugwig, Lombard und Beyme zu dringen, weil auch der leztere dem russischen Hofe verdächtig, und im Volke verhaßt sei1). Er schlug Hardenberg als passende Persönlichkeit vor. Da dieser mit Beyme in offener Feindschaft lebte, war dem König deffen Berufung durchaus zuwider. Er wollte einen Mittelweg einschlagen, indem eine Conferenz aus den drei wichtigsten Ministern gebildet, dabei aber das Cabinet beibehalten werden sollte. Stein schlug es

1) Stein's Leben von Pert I. 386 ff.

aus in diesem Zwitterwesen eine Stellung anzunehmen. Ohne seine Weigerung zu berücksichtigen, ernannte der König Stein zum Finanzminister, übertrug dem General Zastrow die auswärtigen und dem General Rüchel die Kriegsangelegenheiten, indem er diesen drei Ministern befahl, mit Beyme, der das Protokoll führen sollte, gemeinschaftliche Sißungen zu halten. Rüchel war wider Verhoffen von den bei Jena erhaltenen Wunden genesen. Der König erblickte darin einen unmittelbaren Wink der Vorsehung, welche diesen Mann zu einer großen glänzenden Rolle bestimmt habe. Mit ausgedehnten Vollmachten ernannte er ihn zugleich zum Generalgouverneur von Preußen 1).

Stein beharrte bei seiner Weigerung. Der König aber, der den offenen Widerspruch gegen einen von ihm erlassenen Befehl geradezu für unmöglich hielt, fuhr fort, den Freiherrn als seinen Finanzminister zu behan= deln, indem er ihm eine verwickelte französische Con= tributionsangelegenheit zum Bericht übertrug. Stein. schickte die Akten zurück. Der König, ein Mißverständniß vorausseßend, sandte ihm die Papiere zum zweiten Male zu, aber zum zweiten Mal verweigerte Stein den Gehorsam. Das erregte den heftigsten Zorn des

1) Die höchst charakteristische Correspondenz bei Förster I. 862. Wenn Förster sagt: Rüchel's Antwort erinnere an die Zaubersprüche Sarastro's, so ist das kaum übertrieben.

(1806.) Stein's Entlassung.

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Monarchen. In einer, seinem sonstigen ruhigen Wesen fremden Erregtheit schrieb er eigenhändig dem Minister am 3. Januar 1807 jenen berühmt gewordenen Absagebrief1). Er habe, heißt es daselbst, anfangs Vorurtheile gegen ihn gehabt, dieselben aber auf Grund der Fürsprache gerade derjenigen Männer zurücktreten lassen, die Stein unschuldiger Weise so heftig angreife. „Jeßt aber," heißt es zum Schluffe, „ersehe ich zu meinem großen Leidwesen, daß ich mich anfänglich in Ihnen nicht geirrt habe, sondern daß Sie viel= mehr als ein widerspenstiger, troßiger, hartnäckiger und ungehorsamer Staatsdiener anzusehen sind, der, auf sein Genie und seine Talente pochend, weit entfernt das Beste des Staates vor Augen zu haben, nur durch Capricen geleitet, aus Leidenschaft und aus persönlichem Haß und Erbitterung handelt. — — Da Sie indessen vorgeben ein wahrheitsliebender Mann zu sein, so habe ich Ihnen auf gut deutsch meine Meinung gesagt, indem ich noch hinzufügen muß, daß, wenn Sie nicht Ihr respectwidriges und unanständiges Benehmen zu ändern Willens sind, der Staat keine große Rechnung auf Ihre ferneren Dienste machen kann.“

Noch selbigen Tages forderte Stein seine Entlassung. Am 4. Januar erhielt er dieselbe mit folgenden Worten:,,Da der Herr Baron v. Stein unter gestrigem

1) Perg I. 392.

Eberty, Preuß. Geschichte 2c. VI.

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Dato sein eigenes Urtheil fällt, so weiß ich nichts hinzuzuseßen. Friedrich Wilhelm.“ Stein verlangte seinen Abschied in der üblichen Ausfertigungsform, erhielt aber hierauf nicht einmal eine Antwort 1). —

Bweites Kapitel.

Der Tilsiter Friede.

Während durch Stein's Entlassung die Verbeffe= rung der inneren Angelegenheiten des Staates in's Ungewisse hinausgeschoben waren, wirkte gleichzeitig der Rücktritt des allgemein hochgeachteten Mannes auch nach Außen hin im höchsten Maße verderblich. An den fremden Höfen erwachte das alte Mißtrauen gegen die preußische Politik; man hielt mit Recht den General Zastrow, der das auswärtige Ministerium einstweilen übernahm, für verblendet genug, um noch immer an geheime Unterhandlungen mit Frankreich zu denken, von welchen er das einzige Heil für die preußische Monarchie erwartete 2). Die Beziehungen zu England

1) So berichtet Perß a. a. D. Bassewiß, Mark Brandenburg I. 358 giebt jedoch an, daß nach Anzeige in den Akten Stein die erbetene Ausfertigung erhalten habe.

2) Schladen 105.

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