Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

(1806) Blücher in Gefangenschaft.

15

hatte Blücher nur noch 8000 Mann um sich. Diesen fehlte es an Lebensmitteln und Kriegsbedarf. Nichtsdestoweniger verweigerte der tapfere General die Capi= tulation. Er gab erst nach, als seine sämmtlichen Officiere ihm die Nußlosigkeit ferneren Widerstandes klar gemacht hatten. Unter den mit Bernadotte vereinbarten Vertrag schrieb er eigenhändig: „Ich capitulire, weil ich kein Brod und keine Munition habe." In französische Gefangenschaft abgeführt, wurde Blücher im Anfange des nächsten Jahres gegen den, den Preußen in die Hände gefallenen General Victor ausgewechselt.

Wie erfolglos auch diese Lübecker Unternehmung verlaufen war, und wie unsägliches Elend sie über eine neutrale, ganz schuldlose Stadt gebracht hatte, dennoch bildet sie einen Lichtpunkt in jenen Tagen allgemeiner Muthlosigkeit. Die beffer gesinnten Vaterlandsfreunde erhielten die Ueberzeugung, daß doch noch hie und da ein Funken von Muth und Manneskraft glimmte, aus dem einstmals die läuternde Flamme der Reinigung emporlodern könnte.

Inzwischen hatte Napoleon die Zeit nicht verloren. Er verstand es ebensogut seine Siege zu benußen, wie er sie zu erkämpfen verstand. Ohne auf Hindernisse zu stoßen, eilte er über Leipzig, Halle und Wittenberg, wo man die Elbbrücke nur unvollständig zerstört hatte, nach Potsdam. Hier traf er am 24. October ein. An demselben Tage war bereits französische Cavallerie

in das unvertheidigte Berlin gerückt. Den 25. langte Davoust daselbst an, dem Napoleon, als Belohnung für den Sieg bei Auerstädt, die Ehre des ersten Einzugs gönnte. Von der Westseite rückte Lannes herbei, der Spandau besezt hatte. In der preußischen Hauptstadt war die Ueberzeugung herrschend, daß augenblicklich jeder Widerstand nur dazu dienen könnte, das Loos der Einwohner, ja des ganzen Landes zu verschlimmern. Der Gouverneur, Graf Schulenburg, hatte sich damit begnügt, seinem Namen durch die Proclamation, deren Wortlaut wir an die Spiße dieses Bandes seßten, eine traurige Unsterblichkeit zu sichern. Nachdem er, wie er glaubte, auf diese Weise seine Pflicht erfüllt, verließ er, ohne Befehl, eigenmächtig mit der Garnison die ihm anvertraute Stadt, indem er das mit Kriegsvorräthen aller Art reich gefüllte Zeughaus dem Feinde zur Verfügung gab, während er Zeit genug gehabt hätte, die Waffen vorher in Sicherheit zu bringen. Als Stellvertreter ließ er seinen Eidam, den Fürsten Haßfeld, zurück 1). Dieser trat ganz in die Fußtapfen seines

1) Der erste, 1807 erschienene Band der vertrauten Briefe enthält Berichte eines Augenzeugen über alle diese Vorgänge. Der Minister Stein, obgleich derselbe krank daniederlag, war der Einzige, welcher dafür sorgte, daß die königlichen Kassen und die Bestände der Bank und der Seehandlung über Stettin nach Königsberg geschafft wurden. Das Kriegscollegium, welches noch im leßten Augenblicke die Gewehre fortschaffen wollte, conferirte drei Tage darüber, ob pro Hundert einige Groschen Fracht

(1806.) Napoleon in Potsdam.

17

Schwiegervaters'). Am 19. October ermahnte er die Berliner, sich bei dem wahrscheinlich nahe bevorstehenden Einzuge französischer Truppen an dem Betragen der Wiener ein Beispiel zu nehmen, die durch ruhig männliche Haltung das Unheil abgewehrt hätten. Der geringste Widerstand, oder auch nur ein unruhiges Be= nehmen würde die schlimmsten Folgen nach sich ziehen. ,,Ruhige Fassung," fügte er hinzu,,,ist dermalen unser Loos; unsere Aussichten dürfen sich nicht über dasjenige erheben, was in unsern Mauern vorgeht, dieses ist unser einziges höheres Interesse 2)!

Napoleon hatte das Stadtschloß in Potsdam bezogen. Mit großer Aufmerksamkeit nahm er alle Orte in Augen= schein, welche an Friedrich den Großen erinnerten. Auch die Gruft des Königs ließ er sich aufschließen. In Potsdam erschien demnächst eine Deputation aus Berlin; Haßfeld an der Spize. Man überreichte die Schlüffel der Hauptstadt, und machte den Versuch, durch Anerbieten einer großen Contributionssumme die Last feindlicher Be=

mehr als gewöhnlich gezahlt werden sollten. Die Folge war, daß die Sendung zu spät abging und den Franzosen in die Hände fiel. Einige rühmliche Ausnahmen von der allgemeinen Rath- und Muthlosigkeit erwähnt Bassewiß, die Kurmark Brandenburg I. 146. Der Name des Kriegssecretairs Mügge, der einen großen Waffenvorrath nach Stettin beförderte, verdient hervorgehoben zu werden.

1) Schladen p. 18 schreibt am 23. October: Fürst Haßfeld handelt, als wäre er französischer Gouverneur der Hauptstadt. 2) Spener'sche Zeitung vom 21. October 1806. Eberty, Preuß. Geschichte 2c. VI.

2

faßung abzuwenden, öder doch zu erleichtern. Napoleon erwiderte die folgenden Worte, die durch ein wunderbares Spiel des Schicksals im Jahre 1870 einen inhaltschweren Wiederhall finden sollten: „Ihr habt den Krieg gewollt," sagte der Imperator:,,Nun habt Ihr ihn! In meinem Plane lag dieser Krieg nicht. Uebrigens versichere ich der Stadt Berlin meinen Schuß. Das Privateigenthum und die Personen sollen gesichert sein.“

Den Aufenthalt in Potsdam benußte Napoleon dazu, um nach seiner Gewohnheit glänzende Sieges= zeichen nach Paris zu senden. Degen, Schärpe und Orden Friedrich des Großen wanderten in das dortige Invalidenhaus 1).,,Unsere Veteranen," schrieb der Kaiser dabei,,,werden Alles, was einem der ersten Feldherrn angehört hat, den die Geschichte kennt, mit heiliger Ehrfurcht empfangen.“

Am 27. October erfolgte der Einmarsch in Berlin. Von Charlottenburg her bewegte sich der glänzende Reiterzug des kaiserlichen Gefolges. Die Einwohnerschaft empfing den Sieger keineswegs mit Haß und

1) Der Degen soll keinesweges derjenige gewesen sein, den der große König für gewöhnlich zu tragen pflegte, und der, wie alle seine Sachen, abgenußt und schadhaft war. Dieser echte Degen mit geflickter Scheide wird in der Kunstkammer in Berlin aufbewahrt, wie der frühere Director dieser Anstalt, Fr. Förster, bekundet. Vergleiche jedoch Politisches Journal von 1807 I. 570 und II. 750.

(1806.) Napoleon in Berlin.

19

Widerwillen. Die Bewunderung, welche dem größten Manne des Jahrhunderts nicht versagt werden konnte, überwog alle anderen Empfindungen. Wie einer gewaltigen Naturerscheinung stand man diesem Allüberwinder gegenüber, und unterwarf sich in der Ueberzeugung von der Unmöglichkeit des Widerstrebens.

Schadenfroh blickten die Berliner auf die gefangenen Preußischen Gardeofficiere, welche in Prenzlau capitulirt hatten, und zu absichtlicher Schaustellung in ihren beschmußten abgeriffenen Uniformen im Gefolge des Siegers durch die Straßen wandern mußten. Der Haß gegen diese übermüthigen Junker, denen man die Niederlagen der Armee zur Last legte, war in höhnende Verachtung übergegangen. Man freute sich, daß der Einsturz des Staatsgebäudes dieses Ungeziefer" mit zerstört habe. Napoleon nährte eine solche Stimmung, indem er die ganze Schuld für den unbesonnen heraufbeschworenen Krieg dem Adel zur Last legte. „Ich will," sprach er,,,diese Junker so klein machen, daß sie ihr Brod auf den Straßen erbetteln müssen!" Dagegen kannte er die Berliner schlecht, wenn er glaubte, dieselben würden auch in die Schmähungen einstimmen, mit denen er die edle Königin Louise in seinen Bülletins zu überhäufen fortfuhr. Und doch hätte Napoleon, abgesehen von der moralischen Verwerflichkeit solcher Verleumdungen, die Geschmacklosigkeit erkennen müssen, die er, als größter Feldherr und Staatsmann

« ZurückWeiter »