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Zweites Kapitel.

Die Begründung des idealistischen Naturalismus.

Der Zweifel.

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Inhalt: 1) Der Cartesianismus: Baco und Descartes. Descartes' neue
Methode. Die Abhandlung über die Methode u. s. w. Die erste Regel.
Klarheit und Deutlichkeit.
Die Klarheit nach Art der
mathematischen Axiome. Das selbständige Denken. Die Universalität der
Forschungsmethode. - Unterschied der ersten Regel von den drei folgenden.
Die zweite Regel (Analysis). Die vierte Regel (Induktion).
Regel (Synthesis). Die mathematische Methode.

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Die dritte

Bacos Neues Organon

und Descartes' Methodenlehre. Descartes' Deduktion im Unterschiede von der des Aristoteles. Die intuitive Erkenntnis der allerersten Prämissen. Descartes an der Schwelle des Kritizismus.

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Die,,Meditationen." - Dubito de

Cogito, ergo sum. Die objektive Gewissheit der ausser mir existie-
Der eingeborene Gottesbegriff.

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Kritik des Cartesianismus.

und Descartes.

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bilierte Harmonie.

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Der doppelte Dualismus. Übereinstimmung und Unterschied zwischen Baco

Descartes' Fehler. Die psychologische Erklärung dieses

2) Der Spinozismus: Der Dualismus Descartes' als Ferment der Weiterentwicklung. Influxus physicus. · Der Occasionalismus. Die prästa- Die Cartesianische Tierpsychologie. Vom Dualismus zum Der spiritualistische Monismus. Der materialistische Monismus. Der spinozistische Monismus. Charakteristik desselben.

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Dogmatismus. Die Erkennbarkeit des Weltganzen. Der Modusbegriff und die universale Erkenntnis. Der Naturbegriff. Die Ethik Spinozas.

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Spinoza und Goethe. 3) Leibniz und die Monadenleh re: Die Eleaten und Demokrit. Die Zerlegung der einheitlichen Grundsubstanz in unendliche viele Grundsubstanzen. Die beseelten Atome oder die Monaden. - Monade

und Zelle.

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Begriff der Monade.

Die Notwendigkeit der Monadologie. Das Prinzip der Individualität. Die Unsterblichkeitslehre. Das Universum

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Darwinistische Anklänge in den ,,Nouveaux essays." antimonistischer Pluralismus.

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Der Widerspruch zwischen Universum und
Die prästabilierte Harmonie. - Die

Individuum. Der deus ex machina.
Verwandtschaft mit Platon und Aristoteles.

Seele und Körper.

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Die Widersprüche

Welt. Ausgleichung der Widersprüche. Die Monade als vorstellendes Wesen. Die angeborenen Ideen. Die Widersprüche in der Leibnizischen Lehre von dem Angeborensein der Weltallsvorstellung. im Monadenbegriff. Die Bedeutung und Wirkung der Monadenlehre. Persönlichkeit und Philosophie. Der Ausgleich aller Gegensätze. Die ,,Neuen Versuche". Die Leibniz-Wolfsche Philosophie. Das Zeitalter der Aufklärung. Verstandesaufklärung. Gemütsaufklärung. Der Begriff

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der Stufenleiter und die Methodik des Forschens. Kunst und Religion. Die Originalitätsphilosophie. Der Individualitätscharakter der Monade. Sturm und Drang. Gefühls-, Genie-, und Glaubensphilosophie. Die Monadenlehre und die Freiheitsbestrebungen der Neuzeit. Das Verhältnis des ge

samten idealistischen Naturalismus zur modernen Naturwissenschaft.

1) Der Cartesianismus.

o tass' ich dich, unendliche Natur? Das ist die Grundfrage, auf welche im Gegensatz zum Mittelalter das wissenschaftliche Streben der neueren Zeit sich vorzugsweise richtet. Die neuere Philosophie ist ihrem wesentlichen Charakter nach Naturalismus; aber hinsichtlich des Weges, auf welchem sie die Natur des Alls erkennen zu können meint, also hinsichtlich der Methodik, unterscheidet sie sich als realistischer und idealistischer Naturalismus. Franz Baco ist der Begründer des ersteren; der letztere nimmt seinen Ausgang von Descartes und erreicht seine höchste Ausbildung in Spinoza und Leibniz. In der Entwicklung der modernen Naturwissenschaften ist der idealistische Naturalismus ein nicht minder bedeutendes Glied gewesen als der realistische. Wenn er auch heute durch Kants Kritizismus thatsächlich als überwunden gelten kann, so ist er deshalb doch nicht fruchtlos gewesen er hat im Gegenteil eine Fülle nicht bloss von Anregungen, sondern auch von den Gedanken geliefert, die für unsere naturwissenschaftliche Weltbetrachtung fundamental geworden sind.

Dieser idealistische Naturalismus beginnt in Descartes (1596) -1650); keineswegs ist er bei ihm schon in höchster typischer

Ausprägung vorhanden. Im Gegenteil waltet bei Descartes das realistische Element noch im gleichen Masse wie das idealistische, und von ihm aus hätte die Entwicklung ebenso gut in die rein realistische Bahn einlenken können, was schon daraus hervorgeht, dass die französischen Materialisten des 18. Jahrhunderts Descartes sogar für ihren Materialismus verantwortlich machen konnten; es ist aber sein später zu erklärendes Schicksal gewesen, dass seine bedeutsamsten Nachfolger vorzugsweise die in ihm liegenden idealistischen Keime weitergebildet haben. Die Übereinstimmung Descartes' mit Baco ist deshalb viel grösser, als es gewöhnlich dargestellt wird: beide sind des neueren naturalistischen Geistes voll; bei beiden wird der Zweck der philosophischen Forschung in derselben Weise gefasst; beide stimmen hinsichtlich der Methode der Forschung im höchsten Grade überein und sind gerade in Beziehung auf diese nicht Gegensätze, sondern Ergänzungen, die ihre Einseitigkeiten ausgleichen. Erst am Schlusspunkt seiner Philosophie macht Descartes im Widerspruch zu den Forderungen seiner Methodik jene ,,reaktionäre Wendung", aus der seiner Nachfolger dogmatischer Idealismus hervorgewachsen ist.

In seinem Hass gegen den mittelalterlichen Geist und in seiner Überzeugung, dass in der Wissenschaft einmal wieder ganz von vorn angefangen werden müsse, stimmt Descartes mit Baco völlig überein; auch die Beantwortung der Frage, welches die Methode der neuen Wissenschaft sein müsse, hat bei beiden die grösste Ähnlichkeit; aber darin unterscheidet sich Descartes vorteilhaft von Baco, dass er diese neue Methode der Wahrheitsforschung nicht bloss allseitiger und tiefer entwickelte, sondern sie auch in der Praxis der empirischen Forschung selbst auf das fruchtbarste zu verwenden verstand. Er ist nicht bloss grosser theoretischer Methodologe gewesen, sondern hat besonders auf den Gebieten der Mathematik und Physik, wie bekannt, grosse Entdeckungen gemacht. Er selbst schreibt diese Errungenschaften seiner neuen Methode zu; ihr will er alles zu verdanken gehabt haben; sie werden wir also zuerst darstellen müssen. Sie ist keineswegs etwa bloss eine müssige Wiederholung der Methode

des Neuen Organon, sondern entschieden eine Vertiefung und Erweiterung der Baconischen Induktion, welche gerade die Grundmängel derselben zu verbessern weiss.

Der Zweck aller Forschung ist, wahre Erkenntnis zu begründen. Aber diese ist niemals zu finden durch unsicheres, dem Zufall sich überlassendes Umhertappen, niemals durch unmethodisches Umherirren, sondern allein durch streng methodisch eingerichtetes Suchen. Eine mangelhafte Methode ist immer noch besser als gar keine, aber es kommt darauf an, die völlig sichere Methode zu entdecken. Worin besteht das methodische Denken, welches zur Erkenntnis führt? Descartes hat die Beantwortung dieser Frage vorzugsweise in seiner ,,Abhandlung über die Methode des richtigen Vernunftgebrauchs und der wissenschaftlichen Wahrheitsforschung" (nach Kuno Fischers Übersetzung) niedergelegt, die gewissermassen das Cartesianische Neue Organon bildet. In vier kurzen Regeln hat er die gesamte Methodik zusammengefasst. Dieselben sind zu erläutern.

Die erste Regel. Das methodische Denken, welches zur wahren Erkenntnis führen soll, besteht offenbar darin, dass man wahr denkt. Aber eben diese beiden Begriffe,,wahr" und ,,denken" sind auf das genaueste zu analysieren, damit es nicht scheine, als blieben wir bei einer nichtssagenden Tautologie stehen. Wir legen zunächst den Nachdruck auf den Begriff,,wahr". Wahr denken" heisst nach Descartes klar und deutlich denken. Was heisst,,klar"? Die Erkenntnis eines Objektes setzt offenbar die vollste Sicherheit voraus, dass das Objekt, welches erkannt werden soll, auch wirklich existiert. Die Klarheit bezieht sich also auf die thatsächliche Existenz des Gegenstandes. Was heisst,,deutlich"? Zur Erkenntnis gehört ferner, dass der Gegenstand, über welchen gedacht wird, nicht mit anderen Gegenständen verwechselt und vermengt, vielmehr auf das genaueste von jedem anderen, irgendwie sonst noch existierenden Gegenstande unterschieden werde. Die Deutlichkeit bezieht sich demnach auf die genaueste Unterscheidung des zu erkennenden Dinges von allen übrigen. Klar denken heisst also sicher wissen, dass das

Ding existiert; deutlich denken heisst sicher wissen, wie es existiert. Diese Bestimmungen sind durchaus nicht überflüssig und selbstverständlich. Descartes hatte die mittelalterliche Scholastik vor sich, die weder klar noch deutlich dachte; die vorzugsweise über Gegenstände dachte, deren objektive Existenz nicht bewiesen war, und deren Bestimmungen über das Wesen der Dinge stets verschwommen und verworren blieben. Indes haben wir nicht

auch heute noch das Recht zu fragen, ob Descartes' Methode wirklich überall angewendet werde, oder ob nicht eine Fülle von sogenannter Wissenschaft, ganz abgesehen von dem haltlosen Meinen der Individuen, der Kritik dieser Cartesianischen Bestimmungen weichen müsste?

Klar und deutlich denken heisst also so denken, dass jeder Zweifel an der Richtigkeit des Urteils schliesslich unmöglich ist. Bis dahin muss aber an der Richtigkeit fortgesetzt gezweifelt werden. Das Mittel zur Erkenntnis ist also, so lange zweifeln, bis überhaupt kein Zweifel mehr möglich ist, zweifelnd denken bis zum Ausschluss des Zweifels. Wie bei Baco und in demselben Sinne wird also auch von Descartes, im Gegensatz zur mittelalterlichen Verpönung des Zweifels, der Zweifel für das erste Gebot des wissenschaftlichen Forschens erklärt.

Giebt es nun ein Erkennungszeichen für die Erreichung dieses Grades der Sicherheit, auf welchem jeder Zweifel aufgehoben ist? Um ein solches Kriterium zu erlangen, wendet sich Descartes an die Mathematik. Ihre Axiome sind schlechthin klare und deutliche Erkenntnisse, die keinem Zweifel unterliegen. Demnach muss auch für alle übrigen Erkenntnisgebiete dieses gelten: Was so klar, deutlich und zweifellos dasteht, wie die mathematischen Axiome, ist wahr. Solange aber dieser Grad der Widerspruchslosigkeit nicht erreicht ist, kann eine Lehre auf das Prädikat,,wahre Erkenntnis" noch nicht Anspruch machen. Die absolute Unmöglichkeit des Zweifels auf irgend einem Wissensgebiete tritt also erst da ein, wo die Klarheit und Deutlichkeit nach dem Muster der mathematischen Axiome erlangt ist. An diesem gewaltigen Massstabe, mit aller Strenge gemessen, muss allerdings wiederum eine Fülle sogenannter Erkenntnis als zu kurz

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