Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

den Platz an der Spitze der Nation aus eigner Machtvollkommenheit eingenommen hat, so kann doch das ohne die Zustimmung und den Beistand der Nation begonnene Werk ohne diese Zustimmung und diesen Beistand zu keinem gedeihlichen Ende geführt werden." Darin lag der naive Vorwurf ausgesprochen, der König von Preußen hätte den Ausschuß des Nationalvereins erst fragen sollen, ehe er seine Heere in Böhmen einrücken ließ.

Sechszehntes Buch.

Der venetianische Krieg.

Das Zerwürfniß zwischen Desterreich und Preußen bot dem neuen Königreich Italien die erwünschteste Gelegenheit dar, das mit Preußen beschäftigte Desterreich hinterrücks anzufallen und ihm Venetien zu entreißen. Das Wiener Cabinet mußte wohl Rücksicht darauf nehmen, da ihm der Kampf mit Preußen um so schwerer wurde, wenn es sich zugleich Italiens erwehren sollte. Daraus erklärt sich das Zögern Desterreichs und sein zeitweiliges Nachgeben im Gasteiner Vertrag. Es mußte erst von Frankreich her beruhigende Erklärungen erwarten, die durch seinen Gesandten in Paris, Fürsten Metternich, vermittelt wurden und deren Kern die Zustimmung zu dem Project war, Venetien mit Schlesien zu vertauschen.

In dem Maaße, in welchem Frankreich sich Desterreich näherte, glaubte Victor Emanuel sich Preußen nähern zu sollen, und Preußen war nicht im Fall, diesen Bundesgenossen zurückweisen zu können,

denn wenn es von Desterreich angegriffen wurde, stand ihm ein schwerer Kampf bevor, nach damaliger Meinung ein viel schwererer, als er sich nachher verwirklichte. Preußen hatte bereits im Namen des deutschen Zollvereins einen Zollvertrag mit Italien abgeschlossen, dem auch im Interesse des Verkehrs die übrigen Mitglieder des Zollvereins beigetreten waren. Derselbe wurde am 12. März 1866 ratifizirt. Bereits sechs Wochen vorher war dem König Victor Emanuel von Berlin der schwarze Adlerorden, Preußens höchstes Ehrenzeichen, zugeschickt worden, als eine deutliche Warnung für Desterreich. Als Desterreich gleichwohl den preußischen Forderungen nicht nachgab, kam der italienische General Gavone am 10. März nach Berlin, um einen Allianzvertrag Italiens mit Preußen zu verabreden. Diese Unterhandlung zog sich etwas in die Länge, weil Italien verlangte, Preußen solle ihm außer dem Besitz von Venetien auch den von Südtirol garantiren. Es macht Preußen Ehre, daß es sich hier als Wächter und Beschützer deutscher Ehre und Nationalität bewährte und die Abtretung Südtirols entschieden verweigerte. Darüber kamen Preußen und Italien am 10. April überein, einander im Kriege mit Desterreich beizustehen und auch beim Friedensabschluß zusammenzuhalten, so daß keines ohne das andere einseitig Frieden schließen dürfe.

Man hat die durchaus irrthümliche Ansicht verbreiten wollen, Desterreich sey erst durch das preußisch-italienische Bündniß aus seiner Friedensliebe und Ruhe aufgestört und zu einem Kriege gezwungen worden, den es niemals habe anfangen wollen. Preußen habe mit lauernder Arglist die Verlegenheiten Desterreichs und dessen innere Conflicte, insbesondere die Renitenz Ungarns benutzt, um über diesen Staat herzufallen. Insbesondere stützt man sich bei dieser Anklage auf das Grünbuch, welches dem italienischen Parlament vorgelegt worden ist. Darin steht nun aber lediglich nichts, als daß Italien um Preußen gebuhlt hat und daß Preußen, nachdem Oesterreich

schon im Februar gerüstet hatte, sich erst durch diese Rüstungen dazu genöthigt, sehr spät, erst am 10. April mit Italien einließ. Auch ließ Desterreich nicht die geringste Verlegenheit spüren, als es eigenmächtig den Gasteiner Vertrag brach, über den Austausch Venetiens gegen Schlesien in Paris unterhandeln ließ, den deutschen Bundestag zur Kriegserklärung gegen Preußen aufreizte und die allerübermüthigste Sprache gegen Preußen führte. Der Krieg wurde nicht von Preußen, sondern von Oesterreich herbeigeführt. Preußen wurde dazu gezwungen. Ganz anders verhält es sich mit Italien. Italien war von Desterreich nicht bedroht, wie es Preußen war. Kriege, wie in denen von 1848, 1849 und 1859, ohne von Desterreich irgend herausgefordert zu seyn, dasselbe heimtückisch im Rücken angegriffen, während Desterreich mit einem stärkeren Feinde zu kämpfen hatte.

So viel über die bestrittene Rechtsfrage.

Italien hatte in diesem

Italien war außerordentlich aufgeregt. Die heißblütige Partei sah schon im Geist ihre letzten Wünsche verwirklicht, Italien einig bis zur Abria. Die österreichische Regierung bemühte sich, wenigstens unter den Venetianern die Hiße abzukühlen, um die Feindseligkeiten bis zum geeigneten Zeitpunkt hinauszuschieben. Sie machte also am 9. Januar 1866 den Venetianern bedeutende Concessionen, hob den Sequester über die Güter der Emigranten auf und bewilligte die Trennung der Stadt Venedig vom Landgebiet. Allein es war schon zu spät, mit solchen Nachgiebigkeiten die Gemüther zu beruhigen. Sowohl die Centralcongregation als die Provinzialcongregation, als auch der Stadtrath von Venedig lehnten die neuen Bewilligungen trotig ab. Die Erbitterung der Italiener verrieth sich am 5. Mai durch den Brand der berühmten österreichischen Fregatte Novara, der Weltumsegelnden, welche durch italienische Verräther heimlich angezündet wurde. Sogar das Vergnügen hatten sich die Venetianer versagt. Das beliebte Theater la Fenice war seit 1859 wegen poli

tischer Demonstrationen geschlossen worden. Im Jahr 1863 wünschte das österreichische Gouvernement, es wieder zu öffnen; aber die Municipalität lehnte es ab und die Meinung wurde verbreitet, das venetianische Publikum wolle sich nicht eher darin blicken lassen, bis die Stadt von den Desterreichern geräumt seyn werde.

Im Verlauf des Frühjahrs machte Victor Emanuel ungeheure Kriegsrüstungen, die er anfangs verbarg und verleugnete, später aber leichtfertig damit entschuldigte, daß die Oesterreicher zuerst gerüstet und ihn bedroht hätten. Das war um so unwahrer, als Desterreich im schweren Kampfe mit Preußen, auch nicht entfernt daran denken konnte, sich in Italien anders, als defensiv zu verhalten. Victor Emanuel wartete nur die Zeit ab, bis der Krieg zwischen Desterreich und Preußen wirklich zum Ausbruch kam, ließ aber unterdeß den noch immer murrend auf seiner Insel sizenden Garibaldi herbeirufen und wieder ein Heer von Freischaaren organisiren.

[ocr errors]

Als der Augenblick gekommen war, schickte Victor Emanuel aus seinem Hauptquartier Cremona dem in Verona commandirenden Erzherzog Albrecht die vom 20. Juni datirte italienische Kriegserklärung zu, in welcher auf eine bisher unerhörte Weise das Nationalitätenprincip zur alleinigen Quelle des Rechts gemacht wurde. Es hieß darin: Das Kaiserreich Desterreich ist seit Jahrhunderten die Hauptursache der Theilung, Knechtung und moralischen und materiellen Schädigung Italiens. Heute ist die Nation constituirt. Desterreich mißkennt dies, indem es fortwährend eine unserer edelsten Provinzen unterdrückt und dieselbe zu einem großen, unsere Eristenz bedrohenden Lager macht. Darum erklärt der König als Wächter der Volksrechte und Vertheidiger des italienischen Bodens dem Kaiserthum Oesterreich den Krieg.

In höchst ominöser Weise verbreiteten officiöse Wiener Blätter am 22. Juni den Inhalt einer Mittheilung des französichen Gesandten an den Grafen Mensdorff, wonach Frankreich sich in Italien nicht

« ZurückWeiter »