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Nachdem der Bundesbeschluß vom 14. Juni den kriegerischen Plan Desterreichs und der Mittelstaaten enthüllt hatte, vollendete Preußen, welches durch seine Armeereorganisation allerdings gut vorbereitet war, mit Blizesschnelligkeit seine Rüstungen und zauderte keinen Augenblick, seinen Gegnern in der Kriegführung zuvorzukommen. Es hatte zwar beinahe seine ganze Kriegsmacht nach Böhmen geschickt und behielt nur wenige kleine Truppenkörper übrig, die überdieß noch zerstreut waren, allein es rechnete darauf, die Mittelstaaten weder concentrirt, noch in gehöriger Ausrüstung, noch unter guter Führung zu finden. Wie Dresden schon am 18. Juni von den Preußen besezt wurde, so Hannover schon am 17. und Kaffel am 18., und überall ohne Widerstand.

In Hannover hatte der König grade noch Zeit, seine Kostbarkeiten nach England zu schicken und mit dem Kronprinzen und den etwa 18,000 Mann starken Truppen südwärts zu entfliehen. Er hätte das gar nicht nöthig gehabt. Er hätte sein Land behaupten können, wenn er mit ruhiger Ueberlegung und Vorbedacht gehandelt hätte. Er konnte die österreichische Brigade Kalik, die aus Holstein ins Hannöversche entwich, zurückbehalten und mit seinen eigenen Truppen vereinigen. Der preußische General Vogel von Falkenstein, der von Minden aus mit nur 17,000 Mann heranrückte, wäre dann viel zu schwach gewesen, um Hannover einnehmen zu können, und unterdeß konnten ihm die Bayern zu Hülfe kommen. Aber in Hannover hatte alles den Kopf verloren. Wollte die Regierung in engem Bunde mit Desterreich Preußen bekriegen, so hätte sie auch wie Desterreich selbst schon im Februar rüsten müssen, aber sie hielt nur die im Frühjahr zu Beurlaubenden zurück und erließ den Mobilisirungsbefehl erst am 14. Juni. Die Truppen konnten also nicht schnell und vollständig vereinigt, noch gehörig ausgerüstet werden. Im Norden des Königreichs blieben Garnisonen und reiche Vorräthe zurück, um in die Hände der preußischen Division zu fallen,

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die unter General Manteuffel nach Vertreibung der Brigade Kalik ins Hannoversche einrückte und die Küstenpläte rasch einnahm. Am 17. Juni überfiel ein preußisches Bataillon, das sich bis vor die Stadt auf ein paar preußischen Kanonenbooten und einem Hamburger Privatdampfer eingeschifft hatte, die kleine Festung Stade. Die kecken Matrosen brachen zuerst das Thor auf, die Soldaten stürmten nach und nach einem kurzen Gefecht ergab sich die Garnison. Auch ein hannoversches Zollschiff wurde genommen und alle Stationen längs der Küste besett. Am 22. Juni capitulirte auch die Stadt Emden. Man schätzte das Kriegsmaterial, dessen sich Manteuffel hier bemächtigen konnte, auf zehn Millionen Thaler. In der Hauptstadt Hannover herrschte bei der übereilten Flucht des Königs und der Truppen ein fabelhafter Wirrwarr.*) Der König entfloh mit den Truppen zunächst nach Göttingen und verweilte hier bis zum 21., viel zu lange, da er ungleich schneller hätte Fulda erreichen sollen, wo damals, nur zwei preußische Bataillone standen, die ihm den Weg nicht hätten verlegen können. Er ließ sich aber aufhalten, um geschwind noch die eilig einberufenen Reservisten an sich zu ziehen und noch Pferde zu kaufen. Dann ließ er sich durch falsche Gerüchte, die Straße nach Fulda sey nicht mehr sicher, verleiten, die Straße nach Eisenach einzuschlagen.

In der Stadt Hannover wagte der Pöbel einige Ungezogenheiten

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*) Weiber, Kinder, betrunkene Taglöhner sorgten für Wegschaffung der Militärgegenstände. Herr von Tschirschnitz, der Generaladjutant, hatte im Drange des Augenblicks sogar seinen Säbel zu Hause vergessen. Die Kriegsverwaltung hatte nichts vorbereitet und völlig den Kopf verloren. Soldaten wurden zum Bahnhof bestellt, ohne Beförderungsmittel zu finden. Auf telegraphische Anfragen an die Generaladjutantur erfolgte kein Bescheid. Da es an Militärpferden fehlte, wurden den benachbarten und zu Markte gekommenen Bauern ihre Pferde weggenommen." Der Bundesfeldzug in Bayern, Wenigen-Jena. S. 16.

gegen die einrückenden Preußen, die sich aber mit bewundernswürdiger Ruhe benahmen und die Ordnung schnell herstellten. Am gleichen Tage, an dem Falkenstein in Hannover einrückte, hatte General Manteuffel die kleine Festung Stade überrumpelt, rückte am 18. in Lüneburg ein und konnte sich schon am 19. mit Falkenstein vereinigen.

Unterdeß seßten sich die mit Preußen verbündeten norddeutschen Staaten, namentlich Mecklenburg und Oldenburg in Bereitschaft, den Preußen nachzurücken und als Reserve zu dienen.

Von Süden her rückte eine preußische Division unter General von Beyer aus Wezlar am 16. Juni in Kurhessen ein und fand keinen Widerstand, konnte jedoch, weil die Eisenbahn zum Theil zerstört war, erst am 19. in Kaffel eintreffen. Sie führte, wie alle preußischen Corps, das nöthige Geräth zur schnellen Wiederherstellung zerstörter Eisenbahnen mit sich und fing durch ein geschicktes Manöver auf der noch fahrbaren Strecke Kassel-Bebra bedeutende Kriegsvor räthe ab, welche den nach dem Main abgezogenen kurhessischen Truppen nachgeführt werden sollten. Der Kurfürst von Hessen hatte keine Miene gemacht, sein Land zu verlassen, sondern residirte auf der Wilhelmshöhe bei Kassel, bezeigte sich aber auch nichts weniger als geneigt, sich nunmehr Preußen anzuschließen, sondern troßte in seiner alten Weise, bis ihn die Preußen auf Befehl ihres Königs am 22. in Verhaft nahmen und rasch mit der Eisenbahn nach Stettin beförderten, wo er einstweilen im alten herzoglichen Schlosse seinen Wohnsitz nehmen mußte.

Da dieser Fürst, wie seine nächsten Vorfahren, das abschreckendste Beispiel von Mißregierung gegeben hatte, durfte der in Kurhessen einrückende preußische General in seiner Ansprache an das Volk wohl andeuten, er bringe demselben bessere Tage.

Wenn sich die Hannoveraner frühzeitig genug mit den Kurhessen, die man zu 8000 Mann schäßte, und mit den Nassauern (5000 Mann) vereinigt und an den Main gewendet hätten, um vom 7. und 8. Bundes

armeecorps aufgenommen zu werden, oder wenn die beiden letztern rascher zu ihrem Schuß nach dem Norden aufgebrochen wären, so hätten sich diese concentrirten Streitkräfte des Bundes gegenüber den Preußen in einer beinahe dreifachen Uebermacht befunden, denn das 7. Armeecorps, Bayern unter dem Prinzen Karl, war zu 45,000 Mann berechnet und hätte bei einiger Anstrengung auf mehr als 80,000 Mann gebracht werden können. Das 8. Bundesarmeecorps unter dem Befehl des Prinzen Alexander von Hessen zählte 14,000 Württemberger unter General-Lieutenant von Hardegg, 12,000 Badener unter Prinz Wilhelm von Baden, 10,000 Hessen-Darmstädter unter General von Perglas. Zu ihnen gesellten sich noch die Kurhessen und Nassauer und ein österreichisches Hülfscorps, eine Division von 12,000 Mann unter dem Feldmarschall-Lieutenant Grafen von Neipperg. Diese zahlreichen Truppenmassen vereinigten sich aber nicht. Das 7. und 8. Bundesarmeecorps zauderte. Man schob die Schuld darauf, daß man zum Ausmarsch nicht gehörig vorbereitet gewesen sey, daß die Armeeorganisation und Verwaltung in alter Weise einen zu schleppenden Gang nehme und daß die Führung zu vielköpfig sey. Zwar hatte der Bundestag dem Prinzen Karl von Bayern den Oberbefehl gegeben, das war aber schon ein alter Herr, der lange keinen Krieg mehr gesehen hatte, und die ihm untergebenen Contingente der übrigen süddeutschen Staaten standen nicht unter demselben Kriegsherrn, wie die Bayern. Man wird indeß den Grund des Zauderns vorzugsweise in einer politischen Vorsicht zu suchen haben. Es war den Mittelstaaten, als den schwächern Bundesgenossen, nicht unter allen Umständen übelzunehmen, daß sie ein wenig abwarteten, was ihr mächtiger österreichischer Bundesgenosse ausrichten würde. Man darf dabei nicht vergessen, wie groß schon viele Wochen vorher das Vertrauen auf Benedek und die Desterreicher gewesen war. Wir erinnern uns, daß in den kritischen Wochen vor der Schlacht bei Königgräß das Zaudern des 7. und 8. Bundesarmeecorps sogar mit dem

Zaubern Benedeks selbst in Verbindung gebracht wurde, und daß manche Stimmen mit auffallender Zuversicht davon träumten, es solle mit aller Gemächlichkeit erst um Preußen her ein Cordon gezogen werden, welcher dann vorrücken und in immer engern Kreisen Preußen erdrücken solle.

Genug, die Zeit, welche die Verbündeten Oesterreichs versäumten, wurde von den Preußen mit merkwürdiger Geistesüberlegenheit benußt. Die kleinen zerstreuten Truppenkörper, welche gegen die Mittelstaaten zu fechten bestimmt waren und die sich später als s. g. Mainarmee concentrirten, bestanden nur aus den genannten drei Divisionen und zählten nicht mehr als 53,400 Mann.

Sobald Hannover und Kassel von den Preußen besetzt waren, schichte der nunmehr den Oberbefehl führende General Vogel von Falkenstein seine Division unter General von Göben der abgezogenen hannöverschen Armee in den Rücken, während zugleich einige Landwehr- und Ersazbataillone von der preußischen Besatzung der Festung Erfurt und das kleine Contingent des mit Preußen verbündeten Herzog von Coburg - Gotha den Hannoveranern entgegen geschickt wurden.

Die Hannoveraner, commandirt von General von Arentsschild und begleitet von ihrem König und Kronprinzen, zogen von Göttingen, anstatt sich füdwärts nach Fulda zu wenden, wo sie hätten entkommen und sich mit dem achten Bundesarmeecorps vereinigen können, westwärts über Heiligenstadt und Mühlhausen gegen Langensalza, um durch Thüringen zu den Bayern zu stoßen, während ihnen Falkenstein und Manteuffel im Rücken folgten, Beyer aber von Kassel aus ihnen den Uebergang über die Werra wehrte. Auf dem Wege von Göttingen bis Langensalza brauchten die Hannoveraner eine ganze Woche, eine viel zu lange Zeit, so daß, wenn sie sich mit den Bayern nicht vereinigten, dies zum Theil ihre eigene Schuld war. Was den Hannoveranern in der Gegend von Langensalza an preußischen Streit

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