Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

[ocr errors]

"In dieser Lage, meine Herren, befindet sich, soviel der Königl. Regierung bekannt ist, die Sache noch in dieser Stunde. Ich betone, soviel ihr bekannt ist, und beziehe mich auf das zurück, was ich kurz vorher über die Möglichkeit eines Abschlusses gesagt habe. Sie werden nicht von mir verlangen, daß ich in diesem Augenblicke ähnlich wie es einem Volksvertreter, einer Volksvertretung gestattet ist über die Absichten und Entschlüsse der Königl. Regierung und ihrer Bundesgenossen in diesem und in jenem Falle in der Oeffentlichkeit Erklärungen abgeben solle. (Sehr richtig.) Die verbündeten Regierungen glauben, daß keine fremde Macht zweifellose Rechte deutscher Staaten und deutscher Bevölkerungen beeinträchtigen werde; fie hoffen, im Stande zu seyn, solche Rechte zu wahren und zu schüßen auf dem Wege friedlicher Verhandlungen und ohne Gefährdung der freundschaftlichen Beziehungen, in welchen sich Deutschland bisher zur Genugthuung der verbündeten Regierungen mit seinen Nachbarn befindet. Sie werden sich diesen Hoffnungen um so sicherer hingeben können, je mehr das eintrifft, was der Herr Interpellant vorher zu meiner Freude andeutete, daß wir durch unsere Berathungen das unerschütterliche Vertrauen, den unzerreißbaren Zusammenhang des deutschen Volkes mit seinen Regierungen und unter seinen Regierungen bethätigen werden." (Sehr lebhaftes Bravo.)

Etwas später erklärte die Norddeutsche Zeitung, es sey zu bes klagen, „daß von vielen Pariser Journalen in der Luxemburger Angelegenheit nicht nur die Nachrichten, sondern auch die für ihre Behauptungen als Beleg angeführten Urkunden gefälscht werden. So beruft sich die Patrie für ihre Behauptung, daß Luxemburg nur Bundesfestung gewesen sey, auf den Territorialreceß vom 20. Juni 1819. Dort heißt es aber wörtlich:,Der König von Preußen und der König der Niederlande als Großherzog von Luxemburg sind übereingekommen, um auf die wirksamste Weise für die Vertheidigung ihrer respectiven Staaten zu sorgen, in der Festung Luxemburg eine ges

meinschaftliche Garnison zu halten. Es unterliegt also keinem Zweifel, daß Preußen nicht nur als deutscher Bundesstaat, sondern gerade so gut als preußischer Staat das Besaßungsrecht in Luremburg genießt."

Die deutsche Presse war sehr aufgeregt. Nur demokratische und ultramontane Blätter konnten ihre vaterlandsverrätherischen Hoffnungen kaum verbergen. Der weitaus größte Theil deutscher Zeitungen äußerte sich diesmal im Sinn des deutschen Rechts und der deutschen Ehre. Man hob hervor, Luxemburg sey ein deutsches Land von jeher gewesen, auf das der Franzose nun und nimmer ein Recht habe. Was Frankreich sagen würde, wenn der König von Belgien Antwerpen an England verkaufen wollte?

Im französischen Volke und insbesondere in dem menschenvollen Paris war durchaus keine Kriegslust wahrzunehmen. Man wußte hier die Gefahr eines Krieges mit Deutschland wohl zu würdigen, wünschte durchaus keine neue Erschütterung des Kredits, keinen neuen Ruin des Wohlstandes und glaubte um so weniger, der Kaiser werde die Nation unbesonnenerweise in einen ungerechten Angriffskrieg fortreißen, als er am 1. April die große Welt-Industrieausstellung eröffnet hatte, als das großartigste Produkt und zugleich Symbol des Friedens. Die Studenten von Paris liehen damals der Friedensliebe den würdigsten Ausdruck in einer Adresse an die deutschen Studenten, die sogleich allbekannt wurde. „Deutsche Brüder! Der Horizont zeigt sich finster und drohend. Kriegslärm läßt sich zu beiden Seiten des Rheines hören. Die Nationen erwarten unruhig, was ihnen die Zukunft bringt. Und ist die Zeit des Völkerhasses nicht längst vorbei? Fern von uns sind die Ideen eines andern Zeitalters. Die Völker find groß nicht durch ihre Gebiete, sondern durch ihre Einrichtungen. Es ist nicht die Ausdehnung ihrer Grenzen, sondern diejenige ihrer Freiheiten, welche Frankreich und Deutschland wollen müssen. Kein Mann von Muth hat jemals den Krieg gefürchtet, aber jeder Ehren

mann muß ihn verachten. Hassen wir ihn wegen des Elends, welches er im Gefolge hat und wegen seines Despotismus. Ist es nicht auch Sache der Studenten, diese großen Wahrheiten laut auszusprechen? Gehen wir nicht zusammen auf diesem furchtbaren Wege, deutsche Brüder? Durch uns und mit euch möge Friede seyn, welcher die Völker zu Glück, Größe und Freiheit führt."

In ganz ähnlichem Sinne äußerten sich die Pariser Arbeiter in einer großen an die deutschen Arbeiter gerichteten Adresse. Nur der Chauvinismus war überaus thätig, die Franzosen gegen Deutschland aufzustacheln, und hinter die Maske dieses Chauvinismus versteckten sich auch die Orleanisten und alle Feinde Napoleons III., um ihn in einen Krieg zu treiben, von dem sie hofften, er werde für Frankreich unglücklich ausfallen und das ihnen so verhaßte Kaiserthum begraben.

Napoleon III. spielte hiebei, wie immer, doppeltes Spiel. Indem er einerseits durch die offizielle Presse und seinen Sprechminister Rouher, wie durch den Minister des Auswärtigen de Moustier fortwährend Frieden verkündigen ließ und die Weltausstellung ihren ungestörten Fortgang nahm, ließ er gleichwohl plötzlich ungeheure Kriegsrüstungen machen, Hinterladungsgewehre in großen Massen und größter Eile verfertigen und gewaltiges Kriegsmaterial in die Grenzfestungen werfen. Man wird nicht irren, wenn man vorausseßt, alles sey keine wirkliche Vorbereitung zu einer blutigen Entscheidung, sondern nur eine großartige Demonstration gewesen, um einerseits den Deutschen auf die Mittheilung der im August 1866 insgeheim geschlossenen Schuß- und Truzbündnisse zwischen Nord- und Süddeutschland eine frappante Antwort zu geben und die Schadenfreude zu dämpfen, die seine Feinde über die durch jene Mittheilung ihm bereitete unangenehme Ueberraschung äußerten, und um andererseits den Kriegseifer der Opposition in Frankreich selbst dadurch zu dämpfen, daß er selbst diesen Eifer zu theilen schien und die Initiative der Rüstungen erMenzel, der deutsche Krieg 1866. II.

30

griff. Er blieb somit auf der Höhe der Situation und wußte wohl, daß ihn Deutschland nicht beim Wort nehmen und sich nicht in den Krieg stürzen, sondern ruhig abwarten würde, bis er wieder abgerüstet hätte. Denn es sprachen viel mehr vernünftige Gründe für den Frieden, als für den Krieg.

Die französischen Rüstungen hatten viel Pomphaftes, denn das ist einmal der Franzosen Art so. Sie prahlen gern schon vor der Schlacht, gleich den homerischen Helden. Insbesondere bemühte sich die französische Presse, etwaigen ängstlichen Gemüthern in Deutsch= land eine Kinderfurcht einzujagen mittelst einer kleinen kupfernen Kanone, die von einem Mann regiert, in einer Minute 50 Kartätschenschüsse abgeben sollte.

Die Kugelsprite, mit der man so viel prahlte, ist gar keine französische, noch auch eine amerikanische Erfindung. Es ist die Steinheilsche Fugalmaschine, welche im Jahr 1832 zuerst in Deutschland erfunden und probirt wurde. Die Augsb. Allgem. Zeitung be merkte: Das Prinzip ist der Fugalschwung. Die Ausführung besteht in einer Metallscheibe, die für kleine Kaliber durch Menschenkraft, für größere durch Dampf in Rotation versezt wird. Der Rand dieser Scheibe nimmt eine Geschwindigkeit an, welche die Geschwindigkeit der abgeschossenen Kugel übertrifft. In der Oberfläche der drehenden Scheibe ist eine radiale Rinne von etwas mehr als der Hälfte des Kaliberdurchmessers ausgearbeitet. Wenn man in die vertiefte Mitte Kugeln rollen läßt, so müssen sie in Folge des Fugalschwungs an der Rinne der drehenden Scheibe hinausgleiten und verlassen die Scheibe mit 12 Mal der Randgeschwindigkeit. Damit aber alle Kugeln in derselben Richtung entweichen, ist über der drehenden Scheibe eine Eisenplatte mit ganz kleinem Abstand von der drehenden Scheibe angebracht. In dieser Platte ist nun zur Aufnahme der obern Hälfte der Kugel eine Curve eingearbeitet (die logarithmische Spirale), durch welche alle Kugeln, bei allen Geschwindigkeiten, ohne Zwang zu er

leiben, entweichen müssen. An der Platte ist ein Rohr in der Verlängerung der Seitencurve angebracht, das allen Kugeln genau dieselbe Richtung gibt. Im Jahr 1848 hat Steinheil eine Maschine für Kartätschenkugeln mit Dampf getrieben, ausführen lassen. Aber auch da fand eine Militärcommission den Gegenstand nicht für unsere Verhältnisse, sondern mehr für Festungen und Marine geeignet. Es scheint also die Steinheilsche Fugalmaschine mit seinem galvanischen Telegraphen das Schicksal zu theilen, daß beide erst Werth bekommen, wenn sie über Amerika zu uns zurückkehren. Nach obigem ist übrigens klar, daß Frankreich dieses Geschoß nicht ausschließlich besißt, sondern daß es jeder haben kann, wenner es ausführen will." Auch in Preußen hatte Dreyse schon seit längerer Zeit eine Revolverkanone von ähnlicher Wirkung erfunden, ohne daß man damit geprahlt hätte. In einem Artikel der Allg. deutschen Zeitung im Anfang Mai machte ein deutscher Ingenieur geltend, daß die Kugelsprite zum Feldgebrauch unpraktisch sey. „Die Flugbahn eines Geschosses bildet eine Parabel, und da durch Versuche ermittelt wurde, daß der theoretisch günstigste Wurfwinkel von 45 Grad (im luftleeren Raume) nicht auch der in der Praxis günstige Winkel sey, sondern jener von 33 Grad, so liegt der Scheitel der Parabel bei einer Wurfweite von 1500 Metern circa 1 englische Meile, 250 Meter über der Oberfläche der Erde. Um ein Geschoß von 2 Pfd. oder 1 Kilogramm Gewicht mit der gewöhnlichen Geschwindigkeit der Flintenkugeln von 2-300 Metern per Sekunde durch diese Parabel zu treiben, bedarf es unter den günstigsten Umständen mindestens einer Arbeit von 162 Meterkilogramm circa 2 Pferdekräfte; es kann in diesem Falle jede Sekunde eine Kugel fortgeschleudert werden. Soll aber die Zahl der in 60 Sekunden fortgeschleuderten Kugeln auf 360 steigen, so muß die Maschine schon ziemlich 10 Pferdekräfte besißen. Dieses wäre der allergünstigste Fall, es ist hierbei die Reibung der Apparatbestandtheile und der Luftwiderstand gar nicht berücksichtigt.

=

[ocr errors]
« ZurückWeiter »