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hört zu seyn, zerbröckeln. Nur mit eiserner Gewalt vermag sie die heterogenen Elemente in ihrem Innern zu bezwingen und sich dienstbar zu machen, und zu dieser Politik wird sie jederzeit naturgemäß zurückgreifen, sobald sie kann. Sie that es bald nach der Thronbesteigung des gegenwärtigen Kaisers und machte mit eiserner Gewalt den Thorheiten von 1848 ein Ende. Sie war im Begriff, das absolutistische System im Jahr 1859 zu verstärken und zu erweitern, wenn das Glück der Waffen in Italien sie nicht verlassen hätte. Wenn es ihr je gelänge, die Schlacht von Königgräß zu rächen und mit fremder Hülfe Preußen aus der Reihe der Großstaaten wegzustreichen, so würde mit der militärischen Energie auch der politische Absolutismus und in dessen Sclavendienst auch der s. g. Ultramontanismus dermaßen überhand nehmen, daß die Bevölkerungen in den süddeutschen Mittelstaaten, besonders der liberale und protestantische Theil derselben, unter der österreichischen Pression in eine Verzweiflung kommen würden, die sie sich nie geträumt hätten. Die vielen Schwärmer für das Parlament und überhaupt für liberale Bürgschaften würden dann Erfahrungen machen, die sie lieber nicht gemacht hätten. Das Festland von Europa würde dem Imperialismus von Paris, Wien und St. Petersburg gänzlich verfallen.

Es wäre kaum daran zu denken, daß Desterreich noch einmal in Deutschland Meister werden könnte, außer mit der Hülfe Frankreichs. Daraus würde aber zweierlei folgen, einmal würde die berüchtigte Compensation im vollsten Maaße von Desterreich geleistet, das ganze linke Rheinufer würde an Frankreich abgetreten werden müssen; zweitens würden die süddeutschen Mittelstaaten in die bedenklichste aller Alternativen versezt werden, entweder die Vasallen Desterreichs oder die Vasallen Frankreichs werden zu müssen. Bei der Gefahr, das Danaidenfaß der österreichischen Finanzen mit dem durch langen Fleiß erworbenen Wohlstand füllen zu sollen; bei der uralten Furcht der Bayern, von Desterreich annectirt zu werden, bei dem Wider

willen der süddeutschen Protestanten, sich dem Concordat, das ihnen das siegreiche Desterreich wiederbringen und als härtestes Joch aufladen würde, zu unterwerfen, kann kein Zweifel obwalten, daß man auf dieser Seite den Rheinbund bei weitem vorziehen und bei Frankreich Schutz vor Desterreich suchen würde. Aber auch dann würde man schmerzlich bedauern, nicht rechtzeitig die Bruderhand der Norddeutschen angenommen zu haben. Denn was würde Süddeutschland bei einem neuen Rheinbund gewinnen? Gibt es Bayern, die vergessen hätten, wie Montgelas ihren Glauben, ihre alte Sitte, ihr altes Recht verhöhnte, wie er ihre Beutel durch die Juden fegen und wie er ihr Blut in Strömen für den fremden Tyrannen vergießen ließ? Gibt es Württemberger, die vergessen hätten, mit welchen Beschwerden die Vertreter des Volks im Jahr 1815 vor die Krone hintraten? Ist ihnen die berühmte Denkschrift des Calwer Zahn nicht mehr erinnerlich? Und haben füddeutsche Katholiken vergessen, wie der verewigte Görres in seinem Rheinischen Merkur die fluchwürdige Rheinbundzeit und die Schergen der damaligen napoleonischen Tyrannei mit dem Flammenschwert der Wahrheit und Gerechtigkeit peitschte? Der feurigste Katholik seiner Zeit, war er zugleich der größte deutsche Patriot, weshalb ihn Napoleon auch die fünfte Macht in Europa nannte. Und von solcher Geistesgröße sollte unter den süddeutschen Katholiken keine Ahnung mehr seyn?

Der Abfall von Norddeutschland würde Süddeutschland unfehlbar von undeutscher Herrschaft abhängig machen, von der ungarisch - slavischen in Oesterreich oder von der französischen, am wahrscheinlichsten von beiden. Ihre Deutschheit kann lediglich von Norddeutschland aus geschützt werden. Dort allein lebt deutscher Sinn und ist man stolz auf deutsches Wesen. Wo sind alle die großen Denker und Dichter des Schwabenlandes so bekannt und ver ehrt, als in Norddeutschland? Welche Achtung und Liebe kommt dort allen Süddeutschen entgegen? Nationale, Geistes- und materielle Menzel, der deutsche Krieg 1866. II.

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Interessen verbinden sie gleichermaßen als von Natur zusammengehörige deutsche Brüder. Und es soll noch Süddeutsche geben, die lieber französisch werden wollen? Schwaben hat Deutschland seine größten Kaiser gegeben, die Hohenstaufen. Aus Schwaben oder dem Herzogthum Alemannien stammen heute noch Deutschlands erste Dynastien, die Zollern, die Habsburger, die Welfen. Schwaben gab Deutschland die ersten Dichter, schon zur Zeit der Minnesänger und wieder in der neuern Zeit. Schwaben trugen des Reichs Sturmfahne voran. Sind einmal erst wieder Süd- und Norddeutschland verbunden, so wird auch den Schwaben die einflußreichste Stellung im neuen Bunde nicht fehlen, eine Stellung so ehrenvoll und vortheilhaft, wie sie ihnen keine Verbindung mit Slaven oder Franzosen jemals bieten kann.

Einundzwanzigstes Buch.

Der norddeutsche Bund und Reichstag.

Der Bundesreformvorschlag, den Preußen am 10. Juni 1866 gemacht hatte, bildete die Grundlage der von den verbündeten Regierungen berathenen norddeutschen Bundesverfassung.

Die Einladung zum Norddeutschen Bunde, welche Preußen am 16. Juni an die beiden Mecklenburg, Oldenburg, Weimar, Coburg-Gotha, Altenburg, Braunschweig, Anhalt, Waldeck, beide Schwarzburg, beide Lippe, Reuß jüngere Linie, Lübeck, Bremen und Hamburg hatte ergehen lassen, beantragte 1) ein Schuß- und Trußbündniß zur gemeinschaftlichen Vertheidigung ihres Besißstandes. 2) Ein aus sämmtlichen Bundesstaaten zu berufendes Parlament nach dem Reichswahlgeseh vom 12. April 1849. 3) Die Unterstellung sämmtlicher Bundestruppen unter den Oberbefehl des Königs von Preußen. Die Einladung war auch an Meiningen und Reuß ältere Linie ergangen, diese allein weigerten sich. Die übrigen Ge

nannten alle nahmen den am 4. August von Preußen neu vorgelegten Bundesvertrag an, eventuell auf ein Jahr. Nachträglich schloßen sich auch noch Meiningen, dessen Herzog Bernhard Erich Freund zu Gunsten seines Sohnes Georg abdankte, und Reuß ältere Linie an.

Es wurde im Herbst viel unterhandelt, denn obgleich die eingeladenen Regierungen sich durch die Umstände genöthigt sahen, der Einladung zu folgen und die verlangten Opfer zu bringen, so kam es doch dem König von Preußen nicht darauf an, ihnen Gewalt an= zuthun, sondern er hoffte sie durch Güte und Nachgiebigkeit in allen nicht wesentlich nothwendigen Punkten zu freiwilliger und ehrlicher Anerkennung der ihn leitenden Idee, der Wiederherstellung eines einigen deutschen Reichs zu bewegen, wozu ihm auch wirklich schon mehrere Regierungen die Hand geboten hatten. Es kam darauf an, aus den alten Bundeszuständen sanft und gelinde in die neuen hinüberzuführen und die Betheiligten zu überzeugen, daß Preußen sich Deutschland hingebe, eine große national deutsche Politik befolge. Auch hierbei wieder bereitete ihm das Berliner Abgeordnetenhaus Schwierigkeiten, denn die Fortschrittspartei bildete sich ein, sie werde im norddeutschen Parlamente die Stärke wieder gewinnen, die ihr seit der Schlacht von Königgrätz abgängig geworden war. Sie wollte das Berliner Abgeordnetenhaus nicht dem norddeutschen Parlament unterordnen, sondern in dasselbe hinüberspielen, um dem Ministerium Bismarck in ihrem alten Fanatismus zu opponiren. Die schwächern Bundesregierungen besorgten nun, unter dem Druck des norddeutschen Parlaments noch mehr verlieren zu können, und suchten daher ängst lich, sich im voraus durch die neue Bundesverfassung zu schüßen. Auf der andern Seite hatte die preußische Regierung auch nicht im Sinn, illiberal zu verfahren, sondern hoffte, durch weise Mäßigung im Siege wenigstens einen Theil der Fortschrittsleute eben so zu versöhnen und an sich zu ziehen, wie die allzu besorgten Bundesregierungen. Auch nahm sie die geeignete Rücksicht auf die Staaten

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