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wandter Minister, der Rheinbund wieder über den Hals kommen, können wir die untreuen Brüder des Nordbundes, und kann dieser unser Stiefvater werden müssen, sobald die gemeinsame Vertheidigung praktisch wird. Alles ziehen wir der Schmach vor, in der offen bleibenden Möglichkeit eines Rheinbundes nach Restaurationspolitik zu fischen."

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"Zu wenig bieten die Augustverträge auch in freiheitlicher Beziehung. Sie reichen hört man äußern gerade hin, um uns die Schnüre des Staatsbeutels aus der Hand zu nehmen, und auf unser constitutionelles Leben einen erdrückenden Alp zu legen, um patentirte Adelsfamilien beim Regierungsmonopol zu erhalten und einer versumpften und impotenten Bureaukratie das Leben zu fristen; allein sie entziehen uns jeden Einfluß im Rathe der Nation, und machen uns der Regierung und dem Parlament des Nordbundes gegenüber rechtlos. Dieses Helotenthum in nationaler Beziehung würde ein Unrecht am Süden, eine Herabseßung desselben, eine Verstümmelung aller Organe seiner politischen Selbstbestimmung seyn, und unserem constitutionellen Leben einen viel schlimmern absolutistischen Mühlstein an den Hals hängen, als es durch das glücklich be grabene Bundesrecht jemals geschehen ist. Für unsere materiellen Interessen würden alle Garantien fehlen, der Zollverein bliebe am Faden der Halbjahrskündigung hängen, Post-, Telegraphen-, Eisenbahn-, Geld, Maß- und Gewichtswesen, einheitliche Gerichtspraxis für Handels- und Wechselrecht 2c. würden auch fortan einem schwerfälligen Vertragsapparat unterliegen, wobei der Süden doch nur einfach anzunehmen hätte, was der Norden zu bieten beliebt."

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Wir bezweifeln deshalb, ob die süddeutschen Kammern, wenn fie die Augustverträge annehmen, dies thun werden und thun dürfen, ohne uns die Rechte von Preußen höherer Classe in demselben Augenblick zu verschaffen, da die militärischen Lasten derselben definitiv auf das süddeutsche Volk übergewälzt werden. Dann müssen

reelle Garantien geschaffen werden, daß Preußen unser Gebiet jederzeit wie sein eigenes vertheidigen wolle und könne, daß kein Rheinbundsversucher Erfolg habe, daß wir nicht Heloten seyen, daß unserem Wohlstand nicht die Schlinge der halbjährigen Zollvereinskündigung als politischer Drücker um den Hals gelegt bleibe. Und hiezu gehört einerseits ehrliche Bundesgenossenschaft von Seiten des Südens mit allen Consequenzen, andererseits Einräumung der factischen wie formellen Gleichberechtigung der Süddeutschen im neuen deutschen Reich. Die Augustverträge dagegen bilden ein juste milieu, welches auf die Dauer niemanden befriedigen kann; weder das süddeutsche Volk, weil es ihm das constitutionelle Leben und die Finanzen verkümmert, um ihm blos Lasten aufzulegen, ihm ein fremdes Zwinguri aufzubauen und es ohne gesicherten Schuß der Gefahr des allgemeinen Kriegsschauplatzes auszusetzen noch die norddeutschen Bevölkerungen, weil nur ein fest angeketteter Süden ein Verlaß ist, eine wechselseitig erleichternde Militärlast an Stelle allgemeiner Erhöhung gestattet, und weil die Süddeutschen mit ihrem beweglicheren, leidenschaftlicheren und stürmischeren Wesen ein wohlthätiges Ferment im Rathe der Nation bilden sollen noch die norddeutsche Bundesgewalt, da aus den Bundesgenossen vom August ohne weitere Bande auch wieder Feinde, Feinde von verstärkter Wehrkraft, in der Mitte zwischen Frankreich und Desterreich werden können noch die süddeutschen Regierungen, da sie in großer Gefahr bleiben, entweder von Preußen oder von Desterreich und Frankreich vergewaltigt zu werden, und entweder in Mediatisirung oder durch erzwungenen Abfall von der Nation, zu Grunde zu gehen.“

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In diesem Sinne äußerten sich viele süddeutsche Blätter, wie auch die Kammern von Bayern, Baden und Darmstadt und viele Vereine und Redner in Volksversammlungen. Es fehlte jedoch auch nicht an einem großen Phlegma, welches sich jenen Wahrheiten ver schloß, und an Agitationen theils des Particularismus, theils der

Demokratie, theils des Ultramontanismus, in denen man sehr deutlich Wiener und Pariser Impulse durchfühlte. Die deutsche Nation hatte sich zu lange nicht ins Gesicht gesehen, es war zu vielen Leuten niemals eingefallen, daß sie Deutsche seyen; irgend ein kleinstaatliches, Partei- oder Privatinteresse hatte sie ganz eingenommen und das große Nationalinteresse hatten sie zu sehr darüber vergessen, als daß man ihnen hätte zumuthen dürfen, sich schnell in dem ihnen geöffneten größern Horizont zu orientiren. Wenn die verlassene Ariadne der deutsche Michel gewesen wäre, würde sie den rettenden Gott, der sie weckte, dumm angegloßt und womöglich mit plumper Faust ins Geficht geschlagen haben. Das ist der Fluch der langen Vernachlässigung unserer großen Nationalinteressen. Man war zu lange verwöhnt und der Deutsche denkt überhaupt zu langsam, um sich mit kluger Besonnenheit schnell in eine neue Lage zu finden.

Durch die große Entscheidung in Böhmen war allerdings schon im Sommer 1866 für Süddeutschland ein Wendepunkt eingetreten, wie ihn ihm die Weltgeschichte seit Jahrhunderten nicht geboten hat. Nie war die Gelegenheit günstiger, die lang ersehnte Einheit Deutschlands rasch zu verwirklichen. Nie waren die süddeutschen Mittelstaaten und Bevölkerungen in der Lage, eine wichtigere, einflußreichere Entscheidung abzugeben. Die Verhältnisse hatten sich so gestaltet, daß sie troß ihrer verhältnißmäßigen Schwäche mitten unter den Großstaaten, doch ein schweres Gewicht in die Wagschale legen konnten, auf welcher die Zukunft der gesammten deutschen Nation gewogen wurde. Ein nicht zu verkennendes wohlwollendes Verhängniß machte sie, welche zu schwach gewesen waren, die ärmliche Triasidee des Herrn von der Pfordten zu verwirklichen, jetzt auf einmal stark genug, etwas viel Besseres, viel Größeres zu verwirklichen, nämlich die Einheit Deutschlands.

Niemand zweifelte daran und es ist auch oft ausgesprochen worden, vor allem vom Fürsten von Hohenlohe, daß ein aufrichtiger An

schluß des südlichen an das nördliche Deutschland beide so stark machen würde, daß sie von außen keine Kriegsgefahr mehr würden zu besorgen haben, daß sie die Segnungen des Friedens und die bisherigen Vortheile des Zollvereins mit den neuen Vortheilen verbinden würden, die ihnen der Neu- und Ausbau des deutschen Bundes zu gewähren verspricht.

Die süddeutschen Regierungen hatten schon im August 1866 dem norddeutschen Bunde sich auf halbem Wege genähert. Dies war nicht nur nöthig, um einen raschen Frieden zu erzielen und Gebietsabtre tungen, die ihnen drohten, zu vermeiden, sondern es war auch der besonnene Eintritt in eine neue Politik, die ihre Zukunft sichern sollte. Nach den großen Territorialveränderungen in Norddeutschland trat auch an die süddeutschen Dynastien die Frage heran, ob sie nicht besser thäten, wenn doch ein neues deutsches Reich erstünde, in das natürliche frühere Verhältniß von erblichen Reichsfürsten zum Oberhaupte des Reichs zurückzutreten, oder ob sie den Versuch wagen sollten, das Metternichsche System zum zweitenmal, wie im Jahr 1850, wieder Herstellen zu können, oder ob sie den noch verwegenern Versuch machen sollten, den Rheinbund mit Frankreich zu erneuern. Was auch Herr von der Pfordten in der Mitte des Juli 1866 hin und her gedacht haben mag, gewiß ist, daß er die beiden lettgenannten Wege nicht wählte, sondern schon im folgenden Monat das Schußund Trußbündniß mit Preußen abschloß. Nach dem Vorgang Württembergs haben sämmtliche füddeutsche Regierungen diesen Weg der Vereinbarung mit Norddeutschland eingeschlagen und befinden sie sich somit auf der Höhe der Situation.

Es handelte sich daher nur darum, denen entgegen zu treten, welche sich diesen deutschen Regierungen noch fortwährend mit ihrem undeutschen Rathe aufdrängten, und den süddeutschen Bevölkerungen einzuprägen, sich durch dieselben Rathgeber nicht verführen zu lassen, die in der Presse noch immer unermüdlich waren, zum Verrath an

Deutschland aufzufordern, wovon wir oben schon einige Beispiele angeführt haben. Die füddeutsche Presse plaidirte gegen den Anschluß an den norddeutschen Bund hauptsächlich im particularistischen Sinne, stellte sich auf den Rechtsboden des früheren deutschen Bundes und nannte die Vertreibung einiger norddeutschen Dynastien eine widerrechtliche Gewaltthat. Hieß das nun so viel, als die Wiederherstellung des alten Bundes fordern, so vergaß man doch, daß es eine Unmöglichkeit geworden war, zu demselben zurückzukehren. Denn gesetzt auch, der norddeutsche Bund, wie er heute sammt dem Schutzund Trußbündniß mit Süddeutschland besteht, wäre in Folge eines neuen großen Krieges wieder auseinander gerissen und Preußen durch Niederlagen außer Stand gefeßt, ferner die Geschicke Deutschlands in der Hand zu behalten, würde doch der alte Bund nicht mehr in seinem alten Bestande zurückkehren. Die Mittelstaaten würden willenlos der Machtsphäre Desterreichs und Frankreichs anheimfallen.

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Wer irgend seit mehr als dreißig Jahren die großen Vortheile des Zollvereins kennen gelernt und genossen hatte und hat nicht ganz Süddeutschland sie genossen? würde wohl sehr erstaunt und erschrocken seyn, wenn er sich plößlich im Nez der Wiener Finanzwirthschaft eingefangen sähe. Wer die Zustände sämmtlicher Provinzen Desterreichs in dieser Beziehung kennt, wird vollkommen überzeugt seyn, daß ein kleiner Mehraufwand, den die Genossen des norddeutschen Bundes für das Militärwesen zu bestreiten haben, ein kaum nennenswerthes Opfer ist im Vergleich mit den Opfern, die ein Finanzsystem, wie das österreichische, neuen Bundesgenossen unfehlbar zumuthen würde. Aber wichtiger noch ist Folgendes. Die ganze Art und Weise, wie von der Wiener Burg aus den widerspenstigen Nationalitäten in den verschiedenen Kronländern nachgegeben und mit dem Liberalismus Komödie gespielt wurde, war im höchsten Grade unnatürlich und nur ein Nothbehelf. Die österreichische Monarchie war nie etwas anderes als Autokratie und muß, wenn sie das auf

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