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Zwanzigstes Buch.

Das südwestliche Deutschland.

Im Prager Frieden waren die süddeutschen Bundesstaaten, die das 7. und 8. Bundesarmeecorps gebildet hatten, Bayern, Württem= berg, Baden und Hessen-Darmstadt aus dem Bundesverband mit Desterreich herausgerissen und vom norddeutschen Bunde ausgeschlossen worden, indem man es ihnen überlassen hatte, einen selbständigen Südbund für sich zu bilden, über dessen Verhältniß zum Nordbunde man sich beiderseits verständigen dürfe. Dieses Arrangement hatte Preußen und Desterreich allein getroffen und die betheiligten vier Staaten mußten es sich gefallen lassen, ohne vorher darüber gefragt worden zu seyn. Es drängte sie auch gar nicht, sich als Südbund zu constituiren. Bayern war nicht mächtig genug, um im Südbunde eine durchgreifende Hegemonie ansprechen zu können, versuchte es also auch nicht. Württemberg, Baden und Hessen würden sich seinem Willen nicht unterworfen haben.

Da nun der Südbund einstweilen noch nicht vereinbart wurde, sondern die vier Staaten, die er umfassen sollte, jeder selbständig handelte, müssen wir ihr Verhalten im Einzelnen verfolgen. Gemeinsam war ihnen nur das Mißbehagen, welches stets einer Niederlage im Kriege folgt, und die unangenehme Ueberraschung, die ihnen Desterreich bereitet hatte, indem es sie bei seinen Friedensunterhandlungen mit Preußen gar nicht mehr berücksichtigte. Die unfreundliche Behandlung der Bundesgenossen motivirte Desterreich damit, daß die leztern während des Kriegs ihre Schuldigkeit nicht gethan hätten. Diesen Vorwurf machte es namentlich Bayern und Baden. Das gab nun viel Aergerniß und obligate Gegenbeschuldigungen, so daß man sich fragen mußte, ob Desterreich nicht besser gethan haben würde, über das Vorgefallene einen Schleier zu decken und Bundesgenossen zu schonen, die es vielleicht noch einmal brauchen konnte.

Was nun zunächst Bayern anlangt, so machte es eine auffallend rasche Schwenkung von der österreichischen Seite auf die preußische hinüber. In Bezug auf das Verhalten Bayerns vor dem Kriege bemerkte die Spenersche Zeitung, Herr v. d. Pfordten, wenn auch in seinen Aeußerungen zurückhaltender als Herr v. Beust, sey doch die Seele der antipreußischen Coalition gewesen und Herr v. Beust würde nicht so weit vorangegangen seyn, wenn ihn Herr v. d. Pfordten nicht geschoben hätte. Es sey daher natürlich, daß Preußen beim Friedensschluß strengere Forderungen an Bayern machen müsse als an Württemberg, Baden oder Darmstadt. Baden sey sogar von Bayern mit einer Theilung bedroht worden, wenn es nicht mitrüste gegen Preußen. Ganz ebenso äußerte sich die Norddeutsche Zeitung in der Mitte des August: „Wäre Bayern auf den früheren Bundesreformplan Preußens eingegangen, worin ihm die militärische Leitung Süddeutschlands angetragen war, so würde es aller Wahrscheinlichkeit nach gar nicht zum Kriege gekommen seyn, denn Oesterreich hätte dann teine Bundesgenossen gegen Preußen gehabt und würde für sich allein

den Krieg schwerlich unternommen haben. Alle Vorstellungen aber, welche Preußen der bayrischen Regierung machte, waren vergebens, sie wurden wiederholentlich offenbar in der Hoffnung zurückgewiesen, daß der Krieg einen für Preußen unglücklichen Ausgang haben würde. Selbst nach dem Siege von Königgräß machte Preußen noch einmal den vergeblichen Versuch, ferneres Blutvergießen zu vermeiden, Bayern zum Rücktritt von der Coalition zu bestimmen. Der Bruch der Neutralität, die Verletzungen des Völkerrechts, deren sich die bayrische Regierung, ihren eigenen Anträgen zum Troß, in Frankfurt a. M. und Mainz schuldig machte, lassen einen Blick in die preußenfeindliche Gesinnung des bayrischen Kabinets thun, welche mit Sicherheit das vae victis Preußen entgegen rufen zu können hoffte."

Als in München selbst große Aufregung über die schlechte Führung der Armee herrschte und in einer größern Volksversammlung, wie das in sehr vielen andern Städten des Südens gleichzeitig geschah, gegen jeden Frieden protestirt wurde, welcher den deutschen Süden vom deutschen Norden trennen und den Zollverein aufheben würde, daher den Anschluß an Preußen empfahl, trat ein rheinbündisches Gelüfte im neuen bayrischen Courier ungescheut hervor. "Jeßt," schrieb er, „nachdem Desterreich hinausgeworfen ist, noch von einem Deutschland reden zu wollen, ist purer Unsinn, es handelt sich also für uns Bayern nur noch darum, unsere Selbständigkeit möglichst zu erhalten, das Vasallenthum unseres Könighauses von den Bismarc schen Krallen frei zu halten, durch Anschluß an den großen Nachbar Frankreich sich zu schüßen. Wer hat Bayern, Württemberg, Baden, Hessen vergrößert? Frankreich, Napoleon I. In welcher Periode bildeten sich unsere bisher nicht erreichten bayrischen Staatsmänner und Gelehrten, wie z. B. Montgelas, Reigersberg, Feuerbach 2c., unsere Heerführer Deroy, Wrede zc. aus? Zur Zeit des Rheinbundes, an der Seite der Franzosen. Darum: Lieber ein Bayern in seiner Größe und Selbständigkeit erhaltendes, ja vielleicht noch

vergrößerndes Bündniß mit Frankreich - als ein preußisch Bismarcsches Helotenthum."

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Inzwischen vertheidigte von der Pfordten die bayrische Sache bei den Friedensverhandlungen in Berlin mit großem Geschick. Bayern stand isolirt. Desterreich hatte es bei den Friedenspräliminarien im Stich gelassen. Allein konnte Bayern den Krieg gegen Preußen nicht fortführen. Es mußte also den Frieden mit Preußen eingehen und suchte dabei so wenig als möglich zu verlieren, ja noch zu gewinnen. Wenn wir nämlich den erst im April in der Kölner Zeitung ver= öffentlichten Enthüllungen Glauben schenken sollen und das dürfen wir, weil sie nicht widerlegt worden sind, so suchte Herr von der Pfordten mittelst Preußen zu erreichen, was ihm durch die Verabredungen des 14. Juni von Oesterreich hätte gewährt werden sollen, wenn dieses gesiegt hätte, nämlich Grenzerweiterungen auf Kosten seiner nächsten Nachbarn. Als diese Nachbarn davon Kunde erhielten, beeilten sie sich, den bayrischen Plan durch unbedingte Hingabe an Preußen zu vereiteln. Dies der wahre Grund, warum Württemberg zuerst und dann auch Baden und Hessen-Darmstadt das enge Schutz- und Trußbündniß mit Preußen eingingen, welchem Beispiel nun auch Bayern folgen mußte, wenn es die Zeche nicht allein selber bezahlen sollte, die es zu bezahlen den Nachbarn hatte aufbürden wollen. Preußen zog es vor, Württemberg nachzugeben, und ging auf den bayrischen Plan nicht ein, ohne Zweifel ein sehr großmüthiges und loyales Verfahren, wodurch es die süddeutschen Staaten zu versöhnen, zum Anschluß an den Nordbund in ihrem eigenen Interesse geneigter machen und überhaupt ihnen Vertrauen beweisen wollte.

Die Kölner Zeitung schrieb: „Als es zu den Friedensverhandlungen kam, verlangte Graf Bismarck, daß alle süddeutschen Staaten pro rata der Bevölkerung in gleicher Weise zu den Lasten des Kriegs herangezogen würden, und daß deshalb sowohl Darmstadt als auch Menzel, der deutsche Krieg 1866. II,

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Bayern für die abgetretenen Gebietstheile von Württemberg und Baden entschädigt würden. Für Darmstadt war als Entschädigung für die eventuelle Abtretung Oberhessens entweder die Rheinpfalz oder das bayrische Aschaffenburger Gebiet in Aussicht genommen. Bayern, welches auch an Preußen bedeutende Theile von Ober- und Unterfranken abzutreten gehabt haben würde, hätte von Baden und Württemberg entschädigt werden sollen. Den süddeutschen Staaten war diese Aussicht auf bedeutende Gebietsabtretungen durchaus unerwünscht. Sie ergriffen zur Abwendung derselben die Initiative und machten den Vorschlag eines Schuß- und Truzbündnisses mit Preußen. Graf Bismarck wollte dem Ernste dieses Angebots anfangs keinen Glauben schenken, er glaubte hinter demselben nur den Wunsch nach Zeitgewinn erblicken zu dürfen; indessen gelang es doch den süddeutschen Unterhändlern, den preußischen Premier von dem Ernste und der Ehrlichkeit des Angebots zu überzeugen, und diesen zur Verzichtleistung auf die territoriale Vergrößerung Preußens auf Kosten der Südstaaten zu Gunsten einer allgemeinen Solidarität der deutschen Staaten zu bestimmen.“

Man ersieht aus diesen Enthüllungen, wie auch aus den Annectirungen Hannovers und Kurhessens, daß die kleinen Staaten nur im engen Anschluß an Preußen, als an die erste und stärkste deutsche Macht, ihren bisherigen Besißstand, ihre verhältnißmäßige Autonomie und ihre Dynastie zu behaupten vermögen, oder daß sie, wenn sie das verhältnißmäßig kleine Opfer einer vertragsmäßigen oder bundesverfassungsmäßigen Unterordnung gleich derjenigen der Reichsfürsten im alten Reiche nicht bringen wollen, sie keine Macht und kein Recht mehr haben, sich den Maßnahmen, welche die Neugestaltung Deutschlands verlangen, zu widerseßen und daß sie alsdann verdientermaßen zu einem rein passiven Entschädigungsmaterial herabsinken. Sämmt= liche Kleinstaaten haben ihre Sonderrechte nur als organische Glieder des deutschen Reichs erworben und können sie nur behaupten, wenn

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