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zuverlässig, ja übermüthig. Man glaubte die Preußen verachten zu müssen, so sehr hatten die Blätter gegen sie geheßt, ihre Energie unterschätzt und den gewissesten Sieg über fie verkündet. Noch in der lezten Woche des Juni, als der Krieg in Böhmen anfing, verbreiteten die österreichischen und bayrischen Blätter nichts als Sieges= nachrichten. Bekanntlich schlugen die Preußen ihre Gegner in raschem Siegeslauf auf allen Punkten zurück, aber wo die Desterreicher auch nur ein paar Stunden lang Stand hielten und in guter Stellung mit ihren Batterien den Preußen Verluste beibrachten, wurden solche Rückzugsgefechte von den Zeitungen als glänzende Siege der Oesterreicher ausposaunt. Wie grenzenlos verblendet die Zeitungsschreiber jubelten, davon gab unter anderm das Würzburger Wochenblatt Zeugniß. Darin war wörtlich zu lesen: „Der Sieg der österreichischen Waffen gegen die Feinde Deutschlands in Italien und Preußen wird allgemein jubelnd begrüßt, und man sieht darin die Gerechtigkeit des Höchsten, gegen den der heuchlerische s. g. Allerhöchste nur Staub ist, der in einem gotteslästerlichen Rescripte einen Bettag befahl, um sich rein zu waschen und unserm Herrgott die Schuld des Krieges zuzuschieben. Grade an ihrem Buß- und Bettage sind die Renommisten von den Sachsen und Desterreichern geworfen worden, wie bald darauf auch von den Hannoveranern. Diese Räuber und Diebe halten also nicht einmal den so verachteten Kleinstaaten Stand, trotz ihrer vielgepriesenen Zündnadelgewehre. Was werden die bezahlten Hanswurste Bismarcks dazu sagen? Jedenfalls werden sie behaupten, Preußen habe gesiegt. Nun, wir wünschen ihnen viel solche Siege. Wenn nur unsere bayrischen Kerntruppen die Strauchdiebe abfassen werden, dann wird hoffentlich Deutschland bald von dieser Landplage gesäubert werden. Finis Borussiae, damit ein freies einiges Deutschland entstehe!" Die Verachtung der Preußen ging in gewissen Kreisen so weit, daß z. B. in Neuburg a. d. Donau an offener Wirthstafel die Aeußerung fiel, um die Preußen zu verjagen, solle man Ober

und Untergewehr ablegen und nur den Steden in die Hand nehmen. Das Mannheimer Wochenblatt schimpfte die Brandenburger, Pommern, West- und Ostpreußen Westslaven", als ob sie gar keine Deutsche sehen, „grade die Deutschen," bemerkte Rüstow dazu, „welche deutsche Sitte und Ehre und Sprache stets am heiligsten von allen deutschen Stämmen bewahrt haben."

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Der bayrische Gesandte am sächsischen Hofe, Freiherr von Giese, welcher den König von Sachsen auf seiner Flucht nach Prag be= gleitete, erfuhr hier mancherlei, was das Vertrauen Bayerns zu Desterreich schwächen mußte, und schrieb es an Herrn v. d. Pfordten. Die Antwort des lettern ist später gedruckt worden und bemerkt, das Mißtrauen sey vorher schon vorhanden gewesen, denn Desterreich hätte die bayrische Armee gern willkürlich wie eins seiner eigenen Armee= corps behandelt, Bayern aber seine Selbständigkeit gewahrt. Desterreich habe übrigens sich so stark gefühlt und sich seiner Uebermacht so gerühmt, daß wenn dieselbe doch nicht so stark gewesen wäre, „die österreichische Politik im April als eine höchst leichtfertige Uebereilung aufgefaßt werden müsse.“

Die Bayern konnten zwei Wege einschlagen. Sie konnten nach Böhmen gehen und sich an den linken Flügel der Desterreicher anschließen. Das wurde auch von Benedek verlangt, aber aus ver= schiedenen Gründen nicht ausgeführt. Einmal waren die Bayern noch nicht hinlänglich ausgerüstet und der Weg nach Olmüş, wo Benedek damals stand, doch zu weit. Wollte Desterreich Benedeks Armee durch die Bayern verstärken und sollten beide vereinigt operiren, so hätte es den Bayern Zeit laffen, den Krieg nicht so übereilen sollen. Ein zweiter Grund der bayrischen Ablehnung war, daß, wenn die Bayern nicht den Kern der mit Oesterreich verbündeten Bundestruppen im westlichen und südlichen Deutschland bildeten, dieselben zu schwach seyn würden, der preußischen Uebermacht zu widerstehen. Durch Vereinigung der Bayern mit den Hannoveranern, Hessen, Württembergern

und Badenern würde West- und Süddeutschland besser geschützt und würde Preußen genöthigt, seine Streitkräfte zu theilen. Der dritte und nächste Grund der bayrischen Ablehnung könnte die Sorge um Bayern selbst gewesen seyn. Die Bayern fürchteten offenbar einen preußischen Angriff von Sachsen her und wollten sich daher von ihren Nordgrenzen nicht zu weit entfernen. Endlich war zu bedenken, daß im Fall einer Niederlage, welche Desterreich und Bayern gemeinschaftlich erleiden konnten, die letztern übler daran waren, als wenn sie allein fochten. Den Beweis davon lieferte nachher das traurige Schicksal der Sachsen.

Der zweite Weg, den die Bayern einschlagen konnten, führte sie zur Rettung der Hannoveraner diesen entgegen. Es kam nur darauf an, auf welchem Wege die Hannoveraner selbst ihnen entgegenkommen würden. Nun hatte man aber in Hannover auf die unbesonnenste Weise gezögert, den Krieg erklärt, keinen Kriegsplan im Einverständniß mit seinen Verbündeten entworfen und die braven hannoverschen Truppen sollten nun, unvollkommen ausgerüstet, über Hals und Kopf retiriren. Anfangs hieß es, sie sollten über Fulda mit dem 8. Armeecorps vereinigt werden, wo ihnen auch die wenigsten Preußen ent= gegen standen. Nachher wandten sie sich aber nach Eisenach, wo sie die Bayern eher erreichen konnten, aber alles zu spät. Wenn man auch den Bayern vorwirft, sie hätten aus Besorgniß eines preußischen Angriffs von Sachsen her ihre Nordgrenze nicht verlassen wollen, so ist doch die Entschuldigung triftig, die Hannoveraner selbst hätten schneller kommen sollen.

Die Sorge des Prinzen Karl, die Preußen könnten von Sachsen her in Bayern eindringen wollen, schien wenig begründet, wenn man erwägt, daß schon am Ende des Juni die Eisenbahn von Werdau und Gößnitz von den Preußen zerstört wurde. Sie würden das nicht gethan haben, wenn sie hätten in Bayern einfallen wollen. Sie thaten es nur, um einen Einfall der Bayern in Sachsen zu erschweren.

Der Aufmarsch der Bayern begann am 17. Juni der Eisenbahn entlang, die nach Hof führt, aber das Hauptquartier blieb bis zum 25. in Bamberg. Am 21. wurde Prinz Karl ersucht, eine Brigade nach Fulda vorzuschicken, um sich mit den Hannoveranern in Verbindung zu setzen. Der Prinz erfüllte die Bitte, aber am 23. bekam er sichere Nachricht, die Hannoveraner hätten sich anders besonnen und rückten nicht nach Fulda vor. Das hannoversche Hauptquartier befand sich am 23. Juni in Langensalza. In der folgenden Nacht reiste von hier der dem König nahe stehende, als preußenfeindlicher Geschichtschreiber bekannte Hofrath Onno Klopp eilig ins bayrische Hauptquartier, um von dort Hülfe zu holen. Man sagte ihm hier, es sey schon zu spät. Doch wir wollen den Hofrath selber reden lassen: „Seine Excellenz der General v. d. Tann (Chef des bayrischen Generalstabs) erwiderte auf meine Darlegung des Sachverhalts, daß eine Nachricht von Eisenach her die Capitulation der Hannoveraner melde. Ich bestritt die Wahrheit dieser Nachricht in entschiedener Weise. Ich erklärte ebenso, wie am Abend zuvor in meinen telegra= phischen Depeschen, daß der König, mein Herr, entschlossen sey, eher alles über sich ergehen zu lassen, als daß er capitulire, und daß er sich auf die vortreffliche Gesinnung seiner Armee unbedingt verlassen könne. Ich gab dann Auskunft über die Formation, den Bestand, die Beschaffenheit der einzelnen Theile, die Stellung, die Absicht, die Eisenbahn bei Eisenach oder Gotha zu forciren. Der Herr General v. d. Tann rügte die Fehler, die bisher in der Leitung der hannoverschen Armee gemacht worden seyen. Er erwiderte dann, daß seit meinem Abgang aus dem hannoverschen Hauptquartier reichlich 36 Stunden verflossen seyen, daß seitdem die Dinge sich sehr verändert haben könnten. Ich hielt dies für sehr unwahrscheinlich. Ich hob hervor, daß wir vor den etwa nachrückenden Feinden einen bedeutenden Vorsprung hätten, daß dagegen vor uns, nämlich in Gotha und Eisenach, wo die Eisenbahn forcirt werden müßte, nach meiner

eigenen Wahrnehmung und Erkundigung sehr wenige feindliche Truppen stünden. Der Weg von Gotha nach Lichtenfels, den ich am Tag zu= vor gekommen, sey völlig frei. Der Herr General v. d. Tann forderte mich dann auf, mit ihm nach dem Telegraphenamt zu fahren. Der Herr General ließ von dort in Eisenach anfragen: wie es um die Nachricht von der Capitulation der Hannoveraner stehe. Die Antwort meldete dies und jenes, alles als Gerücht und gab für die Nachricht einer Capitulation so wenig einen positiven Anhalt, daß sowohl der Herr General v. d. Tann als ich gar nicht daran dachten, eine Abschrift der telegraphischen Antwort an uns zu nehmen. Inzwischen kam Se. t. Hoheit der Prinz Karl zum Bahnhof ange= fahren; denn das Hauptquartier sollte an diesem Tag, am 25. Juni, von Bamberg nach Schweinfurt verlegt werden. Der Herr General v. d. Tann führte Sr. k. Hoh. mich als Abgesandten aus dem hannoverschen Hauptquartier vor. Ich legte Sr. k. Hoh. so kurz und eindringlich wie mir möglich den Stand der Dinge in und um Langensalza dar. Ich bemerkte, daß das Gerücht von einer Capitulation sowohl nach meiner Kenntniß der Sachlage nicht gerechtfertigt sey, als auch durch die eben eingezogene Nachricht von Eisenach her nicht bestätigt werde. Zum Schlusse fragte Se. k. Hoh. nochmals: ,Wie stark ist denn Ihre Armee ? Auf meine Antwort: 19,000 Mann, erfolgte die Erwiderung: ,Mit 19,000 Mann schlägt man sich durch." Auf meine nochmalige Bitte schloßen Se. t. Hoh. mit den Worten: Ich werde thun, was in meinen Kräften steht. Dies war am Montag Nachmittag, am 25. Juni, vier volle Tage vor der wirklich geschehenen Capitulation der hannoverschen Armee. Der Verlauf der Dinge hat meine Aussagen vom 25. Juni durchaus bestätigt. Ich erkläre daher, daß das bayrische Hauptquartier am Montag, 25. Juni, über den Bestand, die Stellung und den Aufenthalt der hannoverschen Armee genau unterrichtet war, und zwar aus zuverlässiger, weil vom bayrischen Hauptquartier selbst nicht angezweifelter Quelle.“

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