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burger Thor gekommen war, überreichten ihm fünfzig schwarz-weiß gekleidete Jungfrauen ein Gedicht und drei Lorbeerkränze. Er antwortete voll Huld: „Meine Damen, in meinem Alter ist man doppelt erfreut, wenn junge Damen einen so freundlichen Empfang bereiten. Ich danke für die Worte und für den Kranz, den ich gern annehme; da Sie auch für die beiden Prinzen Kränze bestimmt haben, so vertrauen Sie mir sie nur an. Ich werde sie ihnen selbst von Ihnen übergeben." Hierauf gab er dem Kronprinzen einen, den andern dem Prinzen Friedrich Karl, der ihm unter stürmischem Volkszuruf dankend die Hand küßte. An der Tribüne des Magistrats hielt der Oberbürgermeister von Seidel im Namen der Stadt eine Anrede an den König voll Bewunderung für das Heer, voll Versicherungen der Treue für den König. Dieser wies in seiner bescheidenen Antwort die ganze Ehre des Tages dem tapfern Heere zu und dankte der Stadt für den so würdigen Empfang desselben. Hierauf bewegte sich der Triumphzug unter den Linden durch die lange glänzende Allee voller Trophäen. In sinniger Weise nahm der König zu Pferde, den Lorbeerkranz in der Hand haltend, seine Stellung unter dem Denkmal des alten Blücher und hielt hier an, die Königin an seiner Seite, umgeben von seinem ganzen Gefolge, um von hier aus die Truppen vorüberziehen zu sehen. Es war nur der größere Theil der zum Einzug bestimmten Massen, der andere sollte erst morgen nachkommen. Wenn alle mit einemmal eingezogen wären, hätte es doch zu lange gedauert. Ueberhaupt konnten natürlicherweise nicht alle Truppen bei der Hand seyn, welche die siegreichen Schlachten geschlagen hatten. Doch waren alle Regimenter durch Deputationen vertreten und sämmtliche Soldaten wurden als Ehrengäste bei den Bürgern einquartiert.

Noch an demselben Tage verkündete der Staatsanzeiger eine umfassende Amnestie für alle politischen Verbrechen. Auch wurde ein Statut verkündet, betreffend die Verleihung von Erinnerungskreuzen an den Feldzug von 1866.

Am folgenden Tage zogen die übrigen Truppen vollends ein, unter gleichem Volksgedränge und Jubel wie am ersten Tage. Der König hielt auf dem Opernplaße und sah sie vorbeidefiliren. Um ein Uhr begab er sich mit der Königin und sämmtlichen Prinzen und Prinzessinnen und fremden Fürsten nach dem Lustgarten unter ein großes Zelt. Rechts davon nahmen die Generale ihren Plat, links die Minister. Jenen reihten sich Deputationen aller Heerestheile, diesen die Mitglieder des Herren- und Abgeordnetenhauses an. Nun begann das Te Deum. An den Stufen des Altars standen 104 Geistliche aller Confessionen. Der Feldprobst Thielen aber sprach über den Psalm 118, Vers 23: „Das ist vom Herrn geschehen und ist ein Wunder vor unsern Augen." Er knüpfte an den Bettag vom 27. Juni an, pries die Wunder der Tapferkeit im überstandenen Kriege und den greisen Heldenkönig, gedachte der Gefallenen und Verwundeten, tröstete ihre Angehörigen und betete. Darauf erscholl der ambrosianische Lobgesang und nach Beendigung der Feier donnerten die Kanonen wieder. Beim Diner im königlichen Schlosse brachte der König den ersten Trinkspruch auf das Heer aus und dachte dabei der gefallenen Helden. Die Stadt war illuminirt. In der Nacht wurden dem Grafen Bismarck vor seinem Hotel stürmische Huldigungen dargebracht.

Noch ist zu bemerken, daß den Altar ein großes goldnes Kreuz zierte, und daß am Sockel der hinter dem Altar befindlichen riesigen Borussia die Inschriften angebracht waren: „Vow Fels zum Meer, 1415." (In welchem Jahre Friedrich I. die Markgrafschaft Brandenburg erhielt) und: „Vom Meer zum Fels, 1866."

Am dritten Festtage gab die Stadt Berlin ein großes Festmahl, aber nicht auf einem großen Plaze gemeinschaftlich allen, sondern je 100 bis 200 Mann in den einzelnen Stadttheilen, was zur Gemüth= lichkeit wesentlich beitrug, denn das Volk in Waffen wollte ein Familienfest feiern, und Weiber und Kinder feierten es mit und saßen

mit an den Tischen. Auch schon beim Einzuge der Truppen hatten sich viele Frauen der verheiratheten Landwehrmänner, nicht minder Bräute und Geliebten der jungen Soldaten an deren Arme gehängt und in die Reihen gemischt.

Am 20. September richtete der König von Preußen an den Kronprinzen folgenden Brief: „Beim Ausbruch des nun glorreich geendigten Krieges habe ich Dir den größten Beweis königlichen und väterlichen Vertrauens gegeben, indem ich Dir die Führung einer Armee übertrug! Du hast diesem Vertrauen im hohen Grade ent sprochen und an der Spitze der zweiten Armee Sieg auf Sieg erfochten, welche Armee sich durch Ausdauer, Hingebung und Tapferkeit eine der ersten Stellen in der Geschichte des preußischen Heeres erworben hat. Ein ehrenvoller Friede bereitet Preußen und Deutschland eine Zukunft vor, die Du berufen seyn wirst, unter Gottes gnädigem Beistande dereinst auszubauen." Den Brief begleitete ein goldener Stern mit dem Medaillon Friedrichs des Großen und der Umschrift: pour le mérite. Dieselbe Dekoration erhielt auch Prinz Friedrich Karl.

Am 25. September wurde im Abgeordnetenhause die Creditforderung der Regierung berathen. Sie lautete auf 60 Millionen Thaler. Die Kriegskosten hätten etwas mehr als 180 Millionen Thaler betragen, wozu die Regierung 271⁄2 Millionen aus dem Staatsschaß erhoben habe. Zur Deckung bedurfte die Regierung noch jener 60 Millionen. Die Abgeordneten Michaelis und Rögell beantragten die Bewilligung und den Ersatz für den Staatsschatz, der jedoch ein Maximum von 30 Millionen künftig nicht überschreiten solle. Der Finanzminister v. d. Heydt machte darauf aufmerksam, das Ausland werde sich noch lange nicht an die neue Ordnung der Dinge gewöhnen können und Preußen müsse bereit seyn, den Kampf für dieselbe jeden Augenblick wieder aufzunehmen. Dazu müsse es auch stets Mittel parat haben und zwar im Staatsschaße, um keinen Augenblick zu versäumen,

wenn es rasch zu handeln gelte. Dann müsse man nicht erst Geld suchen, sondern es haben. Auch Graf Bismarck, obgleich damals unwohl, fand sich ein, um zu constatiren: „Auf eine friedliche Entwicklung der Dinge müsse man natürlich hoffen, aber amtliche Kundgebungen seyen hier eingegangen, daß in die Wiener Hofburg mit dem Frieden nicht zugleich der Geist der Versöhnung eingezogen sey, wie man es wünschen müsse. Dazu geselle sich die orientalische Frage. Wenn es nun zu Verwicklungen kommen sollte, so würde, ähnlich wie im verflossenen Frühjahr, kein Geld zu bekommen seyn und die Situation wäre dann noch gefährlicher, wenn die Regierung nicht mehr über einen Schatz zu verfügen hätte, wie im Frühjahr. Er gebe dem Hause das feste Versprechen, wenn der Credit bewilligt werde, solle das Geld zu nichts anderem verwendet werden, als zur Landesvertheidigung. Er bitte das Haus durch die Bewilligung des Credits zu beweisen, daß die Versöhnung der Geister in Preußen eine tiefgehende und aufrichtige und daß es allen nur um das Wohl des Vaterlands zu thun sey. Er bitte das Haus, ferner der Regierung zu vertrauen, daß sie ihre Politik so weiter führen werde, wie sie dieselbe begonnen habe."

Die Bewilligung erfolgte. Die neue Hallesche Zeitung konnte nicht unterlassen, ein wenig über die grimmigen Löwen des Abgeord netenhauses zu spotten. Es ist sicher ein interessantes, wenn nicht komisches Schauspiel, welches die Auflösung unsrer alten doctrinären Parteien in dem mächtigen Strome der Ereignisse darbietet, der in so unwiderstehlicher Macht über sie dahin gefluthet ist. Das krappelt und zappelt und müht und regt sich, um auf der Oberfläche zu bleiben, und bunt durcheinander wirft sie die gewaltige Macht. Die einen, weil sie das Gesicht gegen die Strömung gerichtet haben und sich in dieser Stellung mühen und abarbeiten, bilden sich deshalb ein, daß sie wirklich gegen den Strom schwimmen. Sie blicken stolz um sich in der Zuversicht, die allgemeine Bewunderung zu erregen, und fühlen

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nicht, wie der Strom sie troßdem mit sich fortführt, höchstens etwas langsamer, aber nicht weniger constant als die andern. Und welche sonderbare Gesellschaft, Professor Gneist, von den zwanzig tausend Juristen, die er ausgebildet, verlassen, sieht sich auf die Gesellschaft der Herrn Jacoby und Classen Kappelmann angewiesen, und Herr Professor Virchow, der den Engeln des lieben Herrgotts wissenschaftlich nachgewiesen, daß ihre Flügel nur Hautgebilde ohne Stüßpunkt am Skelet seyen, sie arbeiten brüderlich neben einander der gleichen Richtung entgegen. Von den andern, die klüglicherweise aufgegeben haben, dem Strome einen unnüßen Widerstand entgegen zu sehen, sind diejenigen besonders interessant, die sich mit gravitätischem Ernste den Anschein geben, als gehorchten sie nicht unfreiwillig der Bewegung, sondern als beherrschten sie dieselbe, noch mehr! als hätten sie dieselbe hervorgerufen. Seht auf uns! Auf uns muß sich die Regierung stüßen, die sich zu unsern Ansichten bekehrt hat. Und dabei suchen sie sich trotzdem in einer angemessenen Distance von denen zu halten, die ihnen längst voraus sind und das Ministerium zu einer Zeit stüßten, als sie es bekämpften."

Die von Preußen annectirten Länder verloren mit ihren Dynastien *) zugleich ihre bisherigen Verfassungen und erhielten die preußische. Demnach hatten sie auch ihre Vertreter ins Berliner Abgeordnetenhaus zu wählen und die Regierung beantragte demgemäß eine verhältnißmäßige Vermehrung der Mitgliederzahl des Hauses. Es war wohl sehr natürlich, daß sich das Herrenhaus dagegen sträubte. Einmal, weil von einer entsprechenden Verstärkung des Herrenhauses

*) Im Dezember 1866 erhielt Graf Bismarck ein Schreiben von Schülern russischer Gymnasien aus Moskau, Petersburg, Kiew und Kasan, worin sie ihm „aus ganzer Seele“ dankten, daß er die Karte von Deutschland vereinfacht habe, denn die vielen Staaten in Deutschland alle einzeln zu kennen und dem Gedächtniß einzuprägen, sey ihnen beim geographischen Unterricht allemal am schwersten gefallen.

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