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Berlin Freunde hatte. Eine Deputation aus Hannover, Herr von Münchhausen an der Spiße, begab sich nach Berlin, um dem König von Preußen ans Herz zu legen, er möge von der Annectirung des Königreich Hannover abstehen und ihnen die uralte welfische Dynastie lassen. König Wilhelm von Preußen antwortete der Deputation, er ehre ihre Anhänglichkeit an das angestammte Fürstenhaus. Er habe selbst diese ihm nahe verwandte Dynastie schonen wollen und ihr sein Wohlwollen immer zu erkennen gegeben. Er habe auch nie im Plane gehabt, andere als moralische Eroberungen zu machen. Allein seine Duldsamkeit und sein Wohlwollen sey mit einer systematischen Feindseligkeit erwidert worden. „Schon bei Bildung des deutschen Bundes wurde von denjenigen Staaten, welche durch Preußens schon damals erkennbaren geistigen Aufschwung Gefahren für die Erhaltung ihres Einflussses befürchteten, dafür Sorge getragen, daß das Bundesgebiet Preußens durch selbständige Staaten getrennt bleibe. Diese Lage wurde seit dem Bestehen des Bundes durch fortwährend erneuerte Anfeindungen vorzugsweise genährt durch österreichischen Einfluß, durch Erkaufen der deutschen, französischen und englischen Presse benußt, um bei diesen Staaten stete Besorgnisse vor Preußens Uebergriffen und Eroberungsgelüften anzuregen und wach zu halten, und den drei preußische Regierungen hindurch mit Eifer, aber unter Ach= tung aller Rechte fortgeseßten Bemühungen, dem deutschen Bunde Einigkeit und Aufschwung in materiellen und geistigen Interessen einzuflößen, beharrlichen Widerstand entgegenzusetzen." Der König führte nun weiter aus, wie gerecht seine Februarforderungen in Bezug auf die Elbherzogthümer gewesen seyen und wie hartnäckig Desterreich ihm dabei entgegengetreten sey, selbst noch nach dem Gasteiner Vertrage, wie es den Krieg gewollt und zuerst gerüstet habe. So entschloßz ich mich schweren und schwersten Herzens zum entscheidenden Kampfe, dessen Ausgang Gott anheim stellend und die von mir in solcher Ausdehnung nicht vorgeahnten, selten oder nie in der Geschichte dage:

wesenen Ergebnisse eines Existenzkampfes zweier mächtiger Staaten in so kurzer Zeit, sind eine sichtbare Fügung der Vorsehung, ohne die auch die geschulteste Armee solche Resultate nicht erkämpfen kann. Sie wissen, wie sich Ihre Regierung in Hannover dazu verhalten hat. Sie kennen meine wiederholte vergebliche Aufforderung zum Nordbündniß in der Nacht vom 14. Juni, den Zug der hannoverschen Armee mit ihrem König, die Katastrophe von Langensalza, bei welcher ich mich zwar nicht als Sieger hinstelle, welche aber in ihren Folgen zur Vernichtung der hannoverschen Armee geführt hat. Nur die reiflichste Prüfung hat mich zu dem Beschlusse der Annexion kommen lassen, als einer Pflicht, mein Preußen für die von ihm gebrachten schweren Opfer zu entschädigen und die wahrscheinliche Wiederkehr der durch die unfreundliche Stellung Hannovers auch in Zukunft zu besorgenden Gefahren zu beseitigen."

In den Hansestädten war man sehr zufrieden, daß die lange Mißregierung in Hannover ein Ende nehmen sollte. Die Art und Weise, wie Hannover den Verkehr mit Bremen durch seine Zöllner erschwerte, war im höchsten Grade unpatriotisch. Als auswärtige Capitalisten die Paris-Hamburger Eisenbahn projectirten, forderte die hannoversche Regierung, dieselbe folle Bremen nicht berühren, sondern in weitester Entfernung von dieser Stadt auf hannoverschem Grund und Boden geführt werden.

Im preußischen Herrenhause sprach sich ein Freiherr v. d. BuschStreithorst, welcher hannoverscher Kammerherr war, mit großer Heftigkeit gegen die Einverleibung Hannovers in Preußen aus, aber ohne Erfolg. Graf Dyhyrn erinnerte ihn, wenn der Particularismus etwas verliere, so erhalte er dafür auch desto mehr, etwas, was er noch nie gekannt habe, ein großes ruhmreiches Vaterland! Das Herrenhaus nahm einstimmig das Einverleibungsgesetz an, außer der einen Stimme des Freiherrn. In der That stand sich hier das wirkliche Recht der deutschen Nation, fie selbst, d. h. einig, groß und ganz zu seyn, dem

nur fälschlich zum Recht gestempelten s. g. Recht des Particularismus gegenüber. Unrecht hatte von jeher der Particularismus, weil er gleich war mit der Zerreißung, Zerbröckelung, mit dem Selbstmord einer großen Nation.

Der hannoversche Abgeordnete Oppermann äußerte sich Ende August in der Zeitung für Norddeutschland sehr nüchtern über die Verpflichtungen des Landes gegen seine bisherigen Beherrscher, indem er an König Ernst August und seine berühmte Lehre von der Eides= entbindung vom Jahr 1837 erinnerte. Was dem König damals Recht war, sey es auch dem Volke. Man kann bedauern, daß Bande der Treue so leicht zerreißbar sind, aber nur Liebe kann sie befestigen, und Liebe eines Volkes erwirbt man nicht durch Verfassungsbruch und Mißregierung. Die Abgeordneten haben oft ermahnt und gewarnt, aber vergebens. Wir haben es nicht mit Theorien, sondern mit der Wirklichkeit zu thun und da sagen uns die Lehrer des Völkerrechts in ihrer Mehrheit: Wenn Georg V. aufhört, Souverain zu seyn, so hat auch der ihm geleistete Eid keine Geltung mehr.

Am 24. August kam der Provinzialtag der Provinz Lüneburg zusammen, wo Kammerrath von der Decken eine öffentliche Kundgebung der Antipathie gegen Preußen verlangte, die große Mehrheit aber sich dahin aussprach, die Dinge sehen bereits entschieden und Wehmuth, Schmerz, Zorn würde nichts daran ändern, höchstens sie verschlimmern. Zudem, rief Gumbrecht, sind wir nicht blos Hannoveraner, sondern auch Deutsche, und das wird uns mit unserer Zu kunft wohl versöhnen können.

Bierzehntes Buch.

Das erste Burückmanövriren der Bayern aus dem Rhöngebirge.

Nachdem General Vogel von Falkenstein mit seinen zerstreuten Heertheilen die hannoversche Armee umzingelt und zur Capitulation gezwungen hatte, griff er mit genialer Kühnheit auch die übrigen Truppen der Mittelstaaten an, obgleich sie ihm an Zahl weit überlegen waren, ehe die Mecklenburger, Oldenburger und andere kleine Contingente der mit Preußen verbündeten norddeutschen Staaten und die am Niederrhein unter dem Fürsten von Hohenzollern-Sigmaringen sich sammelnden Landwehren ihm noch nachgerückt waren.

Er hatte vor sich das 7. und 8. Bundesarmeecorps, die Kurhessen und Nassauer und 12,000 Desterreicher unter dem Feldmarschall Grafen Neipperg. Diese Truppenmacht war seinen damaligen Streitkräften noch um das Doppelte überlegen und konnte leicht noch verstärkt werden, da Bayern, welches sich begnügt hatte, nur 45,000 Mann zu stellen, bei weitem mehr hätte stellen können. Aber die Kurhessen unter dem

General von Losberg, 8000 Mann stark, hatten von ihrem gefangenen Kriegsherrn keinen Befehl erhalten, der sie ermächtigt hätte, mehr zu thun, als das Kurfürstenthum zu vertheidigen. Der General nahm daher Anstand, zum achten Bundesarmeecorps überzutreten, und man kam endlich überein, die Kurhessen nach Mainz zu schicken, um diese Bundesfestung zu vertheidigen, zumal da mehrere norddeutsche, namentlich thüringische kleine Contingente dem Bundesbefehl, Mainz zu beseßen, nicht gehorchten, weil sie sich an Preußen anschloßzen. Noch ungleich günstiger als die Absonderung der Kurhessen war für den General Vogel von Falkenstein die Gewißheit, daß seine Gegner ihre Uebermacht nicht zu brauchen verstanden. Davon hatte ihn schon die Thatsache überzeugt, daß Hannover keine Hülfe aus Bayern erhalten hatte, und die weitere Thatsache, daß das 7. und 8. Bundesarmeecorps immer noch nicht vereinigt waren, obgleich sie Zeit genug gehabt hätten, sich die Hände zu reichen und in concentrirter Masse vorzugehen. Mit derselben raschen Kühnheit, mit der er die Hannoveraner überfallen und gefangen genommen hatte, durfte der preußische General hoffen, das 7. und 8. Armeecorps eins nach dem andern durch geschickte Manöver zu täuschen, von einander getrennt zu halten und zu schlagen.

Er warf sich zuerst auf die Bayern oder das 7. Bundesarmeecorps unter dem Prinzen Karl von Bayern, von dem wir schon wissen, daß er in seinem Hauptquartier Bamberg Zeit und Gelegenheit versäumte, die unglücklichen Hannoveraner zu entseßen. Man war in ganz Süddeutschland und am meisten in Bayern selbst über das lange Zaudern im Hauptquartier des Bundesheeres erstaunt und erhob bittere Klage, schon ehe die Niederlagen ihren Anfang nahmen.

Kurz vorher noch, im Anfang des Krieges und als man noch keine Ahnung davon hatte, daß Prinz Karl nicht rasch vorwärts stürmen, sondern zögern würde, war die Stimmung sehr kriegerisch, sehr

Menzel, der deutsche Krieg 1866. II.

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