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Erleuchtung zusammenhängt, während in der griechischen Kirche nicht einmal gepredigt wird und ihr todtes Ceremoniell sich nur asiatischer Barbarei anpaßt. Man vergißt, wie nothwendig es dem gleichfalls schon vom russischen Popenthum in den Ostseeprovinzen schwer bedrohten Protestantismus wäre, mit dem Katholicismus vereinigt dem gemeinsamen Feinde zu widerstehen. In merkwürdiger Verblendung aber feinden die beiden abendländischen Kirchen einander an und gönnen einander nichts und nicht selten lesen wir in russischen Blättern, wie man in Rußland über unsere Einfalt hohnlacht.

Noch ist es Zeit, die Slaven der Türkei zunächst durch Desterreich unter Mitwirkung aller mittel- und westeuropäischen Mächte für die abendländische Bildung und für ihr Zusammenstehen mit einer großen abendländischen Politik zu gewinnen. Aber es gehört ein einfacher und natürlicher Verstand dazu und ein gerader Sinn, die uns leider durch allzuhoch geschraubte Bildung und durch allzu zersplitterte Interessen abhanden gekommen sind. Wir, obgleich unendlich gebildet, verlieren uns im Detail. Der Russe, obgleich Barbar, behält immer das Ganze im Auge.

Wichtiger als alles andere ist das Verhältniß Böhmens zu Deutschland. Zum erstenmale seit dem Husitenkriege hat sich hier wieder eine fanatische Czechenpartei aufgethan und ist leider noch bis vor ganz kurzer Zeit, bis zum Sturze des Ministerium Belcredi, von der Regierung in Wien und von einem großen Theile der deutschen Aristokratie unterstüßt und in ihrem Uebermuthe bestärkt worden. Diese Partei aber hat auch in Polen und Rußland Verbindungen und der Panslavismus, in den polnischen Farben überwunden, nimmt je mehr und mehr die ruffischen an. Man darf kaum zweifeln, daß sich die Sympathien in St. Petersburg, die sich schon so deutlich für die Ruthenen in Galizien ausgesprochen haben, auch auf die Czechen ausdehnen würden, wenn es der russischen Politik gelänge, die deutschen

Nachbarn Böhmens, wie bisher, in zwei feindliche Lager getrennt zu halten.

Wenn man eine grade Linie von Wien nach Breslau zieht, so liegt ganz Böhmen rechts auf der westlichen oder deutschen Seite und reicht bis ins Herz Deutschlands, nur wenige Meilen von der Straße entfernt, die von Nürnberg über Hof nach Leipzig führt. Kaiser Karl V. machte Böhmen zum ersten weltlichen Kurfürstenthum und wollte Prag zur Hauptstadt des deutschen Reiches machen. Ein bloßer Blick auf die Landkarte lehrt, daß Böhmen als ein deutsches Land betrachtet werden muß, daß die große deutsche Nation um keinen Preis dieses wichtige Land, das in Deutschlands Mitte und nicht an seinen Grenzen liegt und dessen Einwohner theils Deutsche, theils germanisirte Slaven sind, einzig dem kleinen Rest czechischer Barbaren, die dort noch nicht deutsch gelernt haben und jeder Cultur entbehren, überlassen darf, da sie allein lediglich nichts bedeuten und nur ein Werkzeug russischer Eroberungspolitik werden würden. Dabei ist Desterreich nicht allein betheiligt, die Sache geht alle Deutschen an. Der neue norddeutsche Bund würde, wenn je in Böhmen eine den Deutschen feindselige Macht festen Fuß fassen könnte, eben so bedroht seyn, als Desterreich, gleichviel, ob dort noch deutsches oder mehr ungarisches Interesse maßgebend wäre. In dieser Frage gibt es für Deutsche und Ungarn nur ein Interesse.

Das unzweifelhafte Ergebniß aller dieser Betrachtungen kann kein anderes seyn als: das Zusammengehen Desterreichs mit Preußen ist heute noch eben so empfehlenswerth, als es vor dem Kriege war.

Achtzehntes Buch.

Indemnität und Siegesjubel in Preußen.

Die Schnelligkeit des Telegraphen machte es möglich, daß die Siegesnachricht von Königgräß noch am Abend des Schlachttages selbst nach Berlin gelangte. Das Telegramm des Königs wurde von der Königin Augusta am andern Morgen unter lautem Kanonendonner bekannt gemacht. Die aus dem Schlaf geweckte Bevölkerung Berlins eilte auf die Straßen und beglückwünschte sich unter unendlichem Jubel.

Zur Charakteristik des Königs diene folgende Notiz, welche wir dem Halleschen Volksblatt von 1866, Nr. 75 entnehmen. Im Jahr 1848 wurde der damalige Prinz von Preußen durch die Revolution aus Berlin vertrieben. Grade weil man von ihm mehr Energie erwartete, als von seinem königlichen Bruder, hatten ihn die Radicalen auf alle erdenkliche Art verleumdet und ihn dem Volk verhaßt zu machen gesucht. Er mußte sich eine Zeit lang nach London zurück

ziehen und kaum war er dort angekommen, so ging er in die deutschevangelische Kirche, um sich Trost von oben zu erbitten. Dieser Kirche stand damals noch der greise hochehrwürdige Doctor Steinkopf aus Württemberg vor. Als der Prinz in die Kirche trat, sang die Gemeinde grade aus Nr. 399 ihres Gesangbuchs den dritten Vers:

Da siehst du Gottes Herz,

Das kann dir nichts versagen,
Sein Mund, sein theures Wort
Vertreibt ja alles Zagen.
Was dir unmöglich dünkt,
Kann seine Vaterhand

Noch geben, die von dir

Schon so viel Noth gewandt!

Diese Worte drangen dem Prinzen tief ins Herz. Er bat den Pfarrer um ein Gesangbuch, unterstrich die Verse des Liedes und nahm es mit. Noch jetzt liegt es auf seinem Schreibtisch im Schlosse Babelsberg und man liest darin unter dem bezeichneten Liede von seiner Hand geschrieben: „Bei meiner ersten Beiwohnung des Gottesdienstes 1848 den 2. April wurde dieser Theil des Liedes gesungen, als vom Küster mir dargehalten. Babelsberg 15. 7. 50.“ Diese letzten Ziffern bedeuten vielleicht 15. Juli 1850.

Der König von Preußen hatte den Landtag nach Berlin einberufen und kehrte aus Desterreich am 4. August ebenfalls dahin zurück, begleitet vom Kronprinzen, dem Grafen Bismarck, dem Kriegsminister und vielen andern Prinzen und Generalen. Sein Empfang noch spät in der Nacht war glänzend, sein Weg durch die Linden prachtvoll illuminirt und fünfmal mußte er auf den Balkon seines Palastes treten und sich der jubelnden Volksmenge zeigen. Der Berliner Magistrat überreichte ihm eine Adresse voll Hingebung. Der König antwortete: „Mein Heer, das Volk in Waffen, hat an Heldenmuth und Ausdauer sich den glorreichsten Thaten seiner Väter ebenbürtig

gezeigt und Thaten vollbracht, welche die Geschichte unauslöschlich verzeichnen wird. Die Gesittung, welche mein tapferes Heer in Feindesland zeigte, so wie die Gesinnung und Opferfreudigkeit, welche alle Classen der Daheimgebliebenen bewiesen, sind die Frucht einer väterlichen Volkserziehung meiner großen Ahnen. Preußen mußte das Schwert ziehen, als es sich zeigte, daß es die Erhaltung seiner Selbständigkeit galt; aber auch zur Neugestaltung Deutschlands hat es sein Schwert gezogen. Ersteres ist erreicht, lehteres möge mir unter Gottes fernerem Segen gelingen!"

Die Logik der Thatsachen war allzu unwiderstehlich, als daß sie nicht ihre ganze Macht auf das Volk, ja selbst auf seine bisherigen Verführer hätte üben sollen. Das wüthende Gebell und Geheße der Bismarckfresser war verstummt. Die Physiognomie Berlins war eine andere geworden.

Gleich am folgenden Tage nach der Ankunft des Königs eröffnete derselbe den Landtag, der schon einige Tage früher angekündigt war, dessen Eröffnung aber sich verspätet hatte, weil der König nicht eher hatte ankommen können.

Die Thronrede, welche der König, vor dem Throne stehend, mit tief bewegter Stimme vorlas und die oft von stürmischem Beifall unterbrochen wurde, lautete wie folgt:

„Erlauchte, edle und liebe Herren von beiden Häusern des Landtages! Indem ich die Vertretung des Landes um mich versammelt sehe, drängt mich mein Gefühl, vor allem auch von dieser Stelle meinen und meines Volkes Dank für Gottes Gnade auszusprechen, welche Preußen geholfen hat, mit schweren, aber erfolgreichen Opfern nicht nur die Gefahren feindlicher Angriffe von unsern Grenzen abzuwenden, sondern in raschem Siegeslauf des vaterländischen Heeres dem ererbten Ruhme neue Lorbeern hinzuzufügen und der nationalen Entwicklung Deutschlands die Bahn zu ebnen.

„Unter dem sichtbaren Segen Gottes folgte die waffenfähige

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