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Baldachin seine kostbare Decke, unter welcher der königliche Thron aufgestellt ist. Breite kostbare Draperien umschweben den Pavillon und die Goldfigur eines Genius hält die schweren Sammtvorhänge auseinander, um dem König die Aussicht auf das Vordertheil der Gondel frei zu erhalten. Da auf diesem Vordertheil steht aus massivem Golde gearbeitet der Löwe von San Marko, in seiner Klaue hält er das Evangelium mit den sichtbaren Worten: Pax tibi Marce! Am Hintertheil der Gondel fesselt dann eine andere schöne Gruppe aus masfivem Golde das Auge. Venezia drückt der vor ihr knieenden Italia die Krone auf das Haupt. In der Mitte des großen Fahrzeugs erhebt sich ein goldner Mast. Achtzehn Ruderer, blaue Sammtbarette auf dem Kopfe, in grünsammtene, silbergestickte Jacken gehüllt, auf dem einen Bein Tricots von rother Seide, auf dem zweiten Tricots von weißer Seide, führten das wunderherrliche Fahrzeug sehr langsam dem Landungsplatze zu - welch ein Pomp, der Majestät wirklich würdig!" So der Berichterstatter. Wir glauben, der alte Bucentauro, der die großen Dogen der Republik getragen, würde nicht eifersüchtig, sondern mit zorniger Verachtung auf die Gondel herabgeblickt haben. Jener Bucentauro, auf dem sich einst der Doge mit dem Meere vermählte, würde seufzend hinübersehen nach Lissa und in der Erinnerung an die meerbeherrschenden Flotten der alten Republik würden ihm die buntgemalten Gondeln des neuen Königs von Italien wie Kinderpuppen vorkommen.

Eine andere Gondel trug eine Deputation aus Rom, natürlich keine päpstliche. "Welch ein Jubel brach los, als die römischen Deputirten auf einer Gondel des Municipiums die Bandiera der Siebenhügelstadt, die Fahne der Stadt Rom, mit dem wallenden Trauerflor geschmückt, daher brachten und sie vor den Augen Victor Emanuels mit den Worten senkten: Sire, la Bandiera di Roma vi saluta e spera che presto le toglierete il bruno! und Victor Emanuel soll ihnen diese ausgesprochene Hoffnung durchaus nicht benommen

haben. Er soll in hohem Grade erregt gewesen seyn, und als er hierauf in den Dom schritt, zog ihm die Fahne Roms zum Tedeum voraus in den Dom. Ich weiß nicht, ob sie der Patriarch bemerkt hat. Das aber weiß ich, die Venetianer jauchzen ihr zu, wo sie ihr immer begegnen, und Victor Emanuel hat von seinen Venetianern schon heute die vollste Zustimmung zu allem, was er thun wird, um der Fahne Roms ihren Trauerflor zu nehmen.“

Interessant ist eine Scene im Dome. „Der König schritt durch die stolzen Hallen San Marko's, nur begleitet von dem Prinzen, Baron Ricasoli, dem Conservator des Dogenpalastes und dem Patriarchen. Beim Austritt fesselte das Auge des Königs in der schönen gewürfelten Vorhalle ein großer rother Marmorstein, der ganz eigenthümlich die Mosaik des Fußbodens unterbricht. Der König bleibt davor stehen und frägt, was er bedeute? Der Conservator stußt einen Augenblick, dann beginnt er zögernd: „Auf diesem Stein huldigte dem Papst Alexander III. der mächtige Kaiser Barbarossa.“ Kaum aber waren diese Worte heraus, so ergriff der Patriarch höchst geschäftig das Wort und erzählte die ganze Geschichte von der Demüthigung des Kaisers vor dem Papste. „Majestät,“ so endete der Patriarch seine ausführliche Erzählung, „hier auf diesem rothen Marmorstein hat der größte deutsche Kaiser, der Mann, vor dem alle Welt zitterte, seine Kniee vor dem Statthalter Christi gebeugt." Victor Emanuel hörte dem behaglichen Vortrag des Patriarchen sinnend zu, dann erhob er sein Haupt, drehte sich zum Minister-Präsidenten herum und sagte: Tempi passati! Nicht wahr, lieber Baron? Tempi passati! Dann rasch wieder zum Patriarchen gewendet, sagte der König nur noch: „Ich danke Ihnen für die Erzählung, der Stein ist merkwürdig, aber die Geschichte hat keine Pointe für mich." Sollte diese Anekdote auch nicht wahr seyn, so ist sie doch gut ausgedacht.

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Ohne alles Verdienst und von allen Seiten geschlagen, machte Victor Emanuel doch glänzende Geschäfte. Er hatte nun Venetien,

und seine Schergen grollten, daß sie nicht auch Südtirol, Jstrien und Dalmatien haben sollten. Nun mußten sie wenigstens noch Rom bekommen. Der Septembervertrag lief ab und Frankreich mußte seiner Verpflichtung gemäß im Spätherbst 1866 alle seine Truppen aus Rom zurückziehen. Napoleon III. zögerte damit und erst im Dezember gingen die letzten Truppen ab. Zunächst zur Beruhigung der französischen Katholiken hatte Napoleon III. mit Victor Emanuel stipulirt, daß der Papst als Oberhaupt der Kirche seinen Sitz in Rom behalten und ungekränkt bleiben sollte, und der Minister des Königs, Ricasoli, sezte den Garibaldianern ein energisches Decret entgegen, worin er ihnen jede Demonstration gegen Rom untersagte. Zugleich wurde insgeheim tractirt und bemühten sich namentlich die französischen Unterhändler, den Papst zu freiwilligem Nachgeben zu stimmen, um ihn zum Mitschuldigen dessen zu machen, was sich etwa ferner zutragen könnte, und die alleinige Verantwortung dafür von Frankreich abzuwälzen. Aber der Papst verharrte bei seinem non possumus.

Man muß den ehrwürdigen Greis in seiner Pflichterfüllung bewundern. Die härtesten Schläge des Schicksals entmuthigten ihn nicht. Keine katholische Macht protestirte gegen die grausame Unterdrückung des Katholicismus in Polen. Nur der schwache Papst trat furchtlos dem allmächtigen Czaaren entgegen. Als sich der russische Gesandte, Herr von Meyendorf, eine Ungezogenheit gegen ihn erlaubte, wies er ihm die Thüre. Der Gesandte zog ohne Abschied auf und davon und Rußland brach jede Verbindung mit dem römischen Stuhle ab, um innerhalb seines Reichs frei über die katholische Kirche zu verfügen. Die erste katholische Großmacht, Desterreich, konnte nichts mehr für den Papst thun; die zweite, Frankreich, verwies ihn an Victor Emanuel, Spanien war von Radicalismus durchfressen, Portugal zu schwach. Nimmt man die französischen, deutschen und englischen Bischöfe aus, die für den Papst beteten, denen aber ihre

Regierung nicht zur Seite stand, so fehlten dem Papst nicht nur bewaffnete, sondern auch durch ihren Geist mächtige Wortführer. Am edelsten gegen den päpstlichen Stuhl benahm sich der protestantische König von Preußen, der ihm durch seinen Gesandten, Freiherrn von Arnim, sein ganzes Wohlwollen versichern ließ, wenn er auch nicht in der Lage war, ihm materielle Hülfe zu leisten.

Man erfuhr, Herr von Arnim, welcher Ende October als preußischer Gesandter nach Rom zurückkehrte, habe dem H. Vater eröffnet: „Preußen hat in Folge des Krieges eine ganz veränderte Stellung dem hl. Stuhle gegenüber. Dieser Krieg hat ihm neue katholische Unterthanen zugeführt und daher Pflichten hinsichtlich dieser auferlegt, und die Eventualität, durch Annerirung der südlichen Staaten noch mehr katholische Unterthanen mit sich zu vereinigen, gebietet ihm eine ganz neue, gegen den hl. Stuhl freundliche Stellung. Der König Wilhelm liebt und schäßt den Charakter Pius IX. hoch, und er ist bereit, alles, was an ihm liegt, für die Erhaltung des päpstlichen Thrones zu thun. Falls Pius IX. den leisesten Wunsch äußern sollte, so würde der König eine diplomatische Reunion veranstalten, um die Situation zu berathen, und diese würde in Rom stattfinden.“

Als im Anfang des Dezember die Zeit gekommen war, in welcher die letzten französischen Truppen Rom verlassen mußten, sammelten sich Schiffe beinahe von allen Nationen, namentlich auch nordamerikamische, im Hafen von Civita Vecchia, zu einigem Aerger der Franzosen. Dieser Zusammenfluß von Schiffen bewies das lebhafte Interesse, welches die in Rom eingetretene Krisis allgemein anregte, und zugleich den Eifer, mit dem wenigstens viele dem Papst zu dienen und ihn den Händen seiner Feinde noch durch eine rechtzeitige Flucht zu entziehen wünschten. Denn schon gährte und tobte es rings um Rom. Räuberhorden, von den Mazzinisten gedungen, bedrängten die schwachen Vertheidiger des Kirchenstaats an den Grenzen. Troß Ricasolis Decret drohte dem von den Franzosen verlassenen Rom

ein Ueberfall von Freischaaren und die Revolution im Innern der

Stadt.

Pius IX. zweifelte selbst an einer solchen Katastrophe nicht, wie die tiefernsten Abschiedsworte beweisen, die er am 7. Dezember an die Offiziere des 85. französischen Regiments richtete: „Ihre Fahne ist von Frankreich ausgezogen, um den h. Stuhl wieder aufzurichten. Als sie auszog, war sie begleitet von den einstimmigen Wünschen der Nation. Nun kehrt das Banner nach Frankreich zurück und ich glaube, manches Gewissen wird davon wenig befriedigt seyn. Man darf sich keiner Täuschung hingeben über die Revolution, die an die Pforten Roms klopft. Man sagt, Italien sey fertig. Nein! und wenn es so besteht wie jest, so ist es, weil noch das Stück Erde besteht, darauf ich bin. Besteht es nicht mehr, so wird die revolutionäre Fahne in der Hauptstadt wehen. Um mich sicher zu machen, sucht man mich zu überreden, daß Rom durch seine Stellung nicht die Hauptstadt Italiens seyn könne. Ich bin ruhig, denn ich vertraue auf die göttliche Macht. Gehen Sie nach Frankreich mit meinem Segen. Diejenigen, welche in der Lage sind, sich dem Kaiser zu nähern, mögen ihm sagen: ich bete für ihn, für die Seinigen, für seine Ruhe, aber es sey seine Pflicht, auch seinerseits etwas zu thun. Frankreich ist die älteste Tochter der Kirche, aber Titel genügen nicht, sie rechtfertigen sich erst durch Thaten.“

Am 11. Dezember nahm der Herzog von Montebello die französische Fahne von der Engelsburg hinweg und die leßten französischen Truppen zogen ab.

Am 29. October veröffentlichte der Papst zwei muthvolle Allokutionen, die eine gegen Victor Emanuel, die andere gegen Rußland. In der ersten verdammte er alle gottlosen Handlungen und Verordnungen, durch welche die italienische Regierung die Religion entweiht, die Rechte der Kirche verlegt und die Sittlichkeit zerstört habe, die Mißhandlung der Bischöfe, die Aufhebung der geistlichen Genossen

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