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Selbsterhaltungstriebes d. h. mit den religiösen Interessen verbünden, und dann wird sie siegen.

Werfen wir einen Blick auf die ersten Schritte der griechischen Philosophie zurück, so ergiebt sich, dass wir hier bereits einen wichtigen Abschnitt erreicht haben. Schon hier sind alle Grundbegriffe erfasst, über welche weder metaphysische Spekulation noch naturwissenschaftliche Forschung je hinauskommt: Stoff, Form, Werden, Sein. Alle Spekulation, sei sie empirisch, sei sie metaphysisch, hat es in letzter Instanz mit der Zergliederung und Verbindung dieser Grundbegriffe zu thun. Der Unterschied zwischen den heutigen Forschern und den Alten hinsichtlich dieser Grundvorstellungen ist allein der, dass, was die letzteren nur in oberflächlicher Allgemeinheit als Grundprinzipien der Dinge erkannten, wir durch immermehr eindringende, auf empirische Untersuchungen sich stützende Spezifikation in die Einzelheiten zerlegt haben: was wir heute die einzelnen Naturgesetze nennen, sind entweder Gesetze des Stoffes oder der Form, oder des Werdens, oder des Seins. Es ist interessant zu sehen, wie in den Anfängen menschlicher Wissenschaft je einer dieser Grundbegriffe von je einer naturphilosophischen Richtung entdeckt und einseitig zum einzigen Prinzip gemacht wird. Eben wegen dieses einen Prinzips, auf dem diese vier ersten Philosophien ihre Spekulationen basieren, kann man diesen ersten Abschnitt der griechischen Philosophie in den ionischen Physiologen, den Pythagoreern, Heraklit und den Eleaten die Einheitslehre nennen. Ihm folgt dann der Abschnitt der Vielheitslehre, der sich naturgemäss aus jenem ersten entwickelt. Denn ein absolut neues Prinzip wird jetzt nicht mehr entdeckt, wenn auch relativ neue aufgestellt werden; somit besteht die Arbeit aller folgenden Philosophen darin, eine harmonische Verbindung jener vier ersten Prinzipien anzustreben in diesem Bemühen stimmen Empedokles, Anaxagoras, Demokrit, Platon und Aristoteles sämtlich überein, so himmelweit verschieden sonst auch bei jedem die Lösung der Aufgabe ausfällt. Aber wir können auch hier schon einsehen, dass eine wahrhaft widerspruchslose organische Verbindung dieser vier Prinzipien unmöglich ist, und daher jede scheinbar hergestellte Ver

einigung zuletzt durch die in ihr selbst waltenden, einander widerstrebenden Kräfte von innen heraus gesprengt werden muss. Der Stoff, die Form und das Werden sind Vorstellungen, die der unmittelbaren sinnlichen Erfahrung entnommen sind: sie sind insofern Erfahrungsbegriffe, die unter die Kategorie der natürlichen Kausalität fallen. Das ewig unveränderliche, alle Vielheit, Grösse und Bewegung ausschliessende Sein der Eleaten aber ist ein rein abstrakter Gedanke, dem absolut keine in irgend welcher Erfahrung gegebene Erscheinung entspricht, denn dieses Sein ist gleichbedeutend mit der übernatürlichen Kausalität“. Dieses,,Sein", dem kein ontologischer Schluss je ein anschaubares Dasein verleiht, wenn andrerseits seine Existenz ebenso wenig geleugnet werden kann, steht also von vornherein in einem unheilbaren Widerstreit mit jenen Begriffen: diese sind Erfahrungsbegriffe, jener ist durch keine Erfahrung zu bewahrheiten. Diese sind empirisch-physischer Natur, jener ist ontologisch-metaphysischer Art. Aus diesem entwickelt sich die Erfahrungswissenschaft, aus jenem die Ontologie. Solange beide verbunden werden, vereinigt man Unvereinbares, man erzeugt unlösbaren Widerspruch und Zwiespalt und in der dualistischen Divergenz ihrer Prinzipien wird die Philosophie und damit alle Wissenschaften vom Pfade wahrer Erkenntnis abgeleitet. Sie wird in dem Grade auf denselben zurückgeführt, als jener ontologische Begriff mehr und mehr in seiner wahren Bedeutung als Grenzbegriff und Ding an sich erkannt, und jede positive Aussage über sein Wesen, damit aber auch alle Ontologie, als unmöglich erkannt wird und erst nach dieser kritischen Berichtigung der Ontologie durch Kant kann der helle Tag des wahren kritischen Empirismus in ungetrübtem Glanze hereinbrechen.

Teleologie und Mechanik.

Drittes Kapitel.

Empedokles, Anaxagoras und Demokrit.

Versuch

Fortgang

Inhalt: Einfluss der Eleaten auf die folgenden Naturphilosophen. der Vereinigung des eleatischen und des heraklitischen Prinzips. zum Dualismus und zur Teleologie einerseits und zum monistischen Materialismus andrerseits. Empedokles. Die vier Elemente. Liebe und Hass. Der Kreislauf der Weltentwicklung. Empedokles, Lamarck und Darwin. Die Entstehung der Organismen. Urzeugung und stufenweise Entwick lung. Mechanische Erklärung der Entstehung des Zweckmässigen aus dem Nichtzweckmässigen durch Selektion. Anaxagoras. Entwicklung zum Dualismus und zur Teleologie. Die Urstoffe als zahllose Homoeomerieen. Der zweckmässig schaffende Weltgeist (Nus). Dualismus, Teleologie und Immaterialismus hier noch nicht völlig konsequent entwickelt. Reaktion der physikalisch-genetischen Erklärungsweise gegen die teleologische. Archelaos.

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Diogenes von Apollonia: Empirischer Beweis für die monistische Natur der Substanz. Hinweis auf die Ursachen des schliesslichen Sieges der teleologischen Weltauffassung. Kritik der Teleologie. Die teleologische Schlussfolgerung. Erster Hauptsatz: Die Welt ist zweckmässig geordnet. Vierfache Widerlegung. Zweiter Hauptsatz: Erster Schluss: ,,Das Ordnende muss ein Denkendes sein." Widerlegung. Zweiter Schluss: ,,Das denkende, ordnende Prinzip ist ein vom Stoff verschiedenes." - Kritik. Demokrit. Sein System der wissenschaftliche Protest der antiken Naturphilosophie gegen die Teleologie. Entwicklung der Atomenlehre durch Demokrit. Zurückführung der Qualität auf die Quantität. Die Qualitäten als menschlich-subjektive Anschauungsweisen. Atome und leerer Raum. - Die Das Atom ein eleatisches Ursein. Die Grundwidersprüche im

-

Fallbewegung. Kritik der Atomistik.

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Die Atomistik eine wertvolle Hypothese.

Begriff des Atoms. Der leere Raum eine unbeweisbare Annahme. - Die Atomistik und die Erkenntnistheorie.

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Berichtigung der Atomistik durch die Monadenlehre. Schematisch-übersichtlicher Rückblick auf die antike Naturphilosophie. Hinblick auf die weitere Entwicklung des philosophischen

Denkens.

Inter den Naturphilosophen dieser ersten Periode erscheinen die Eleaten wie Findlingsblöcke im Jura, deren eigentümliche Gesteinsart, abweichend von der ihrer unmittelbaren Umgebung, auf eine entfernte Alpenkette als ihre wahre Heimat hindeutet. So wird denn auch der eigentliche Gehalt ihrer Prinzipien erst im Gebirgsstock des Platonismus erkannt und verarbeitet. Die ihnen unmittelbar folgenden Philosophen zeigen sich noch als echte Naturphilosophen; und doch tragen sie bereits ein etwas anderes Aussehen wie ihre ersten Vorgänger. Der Einfluss der Eleaten auf sie, trotzdem sie nicht Anhänger derselben werden, ist doch so gross, dass sie sich eben dadurch charakteristisch von den Ioniern unterscheiden. Es ist wohl dem Einfluss der eleatischen Dialektik zuzuschreiben, dass sie die naturphilosophischen Grundbegriffe mit grösserer Schärfe erfassen und sie über die Unbestimmtheit der Ionier hinaus zu grösserer Entschiedenheit entwickeln. Die im Hylozoismus enthaltene verworrene Unterschiedslosigkeit von Materie und Geist, wie wir sie kennzeichneten, klären sie auf und ab, indem sie einerseits in Empedokles und Anaxagoras zum selbstbewussten Dualismus und zur teleologischen Fassung des Alls übergehen, andrerseits in Demokrit jene Verworrenheit sowohl als diesen Dualismus durch einen reinen, monistischen Materialismus zu überwinden trachten. In der Fassung ihrer Grundprinzipien stehen sie ferner ganz und gar unter der eleatischen Einwirkung. Das Urwesen der Welt, die Welt an sich, die eigentliche beharrende Substanz der Welt in dem Wechsel der flüchtigen Erscheinungen, ist einzig, ewig und unveränderlich. Parmenides

hatte dieses Dogma durch die Kraft seiner Deduktionen zum Axiom erhoben. Auch die nun folgenden Naturphilosophen erkennen es als Axiom an, dass die Substanz der Welt ewig dieselbe, unveränderliche sein müsse. Aber dass diese Substanz, dieses Ursein, nur ein einziges sein müsse, vermögen sie nicht zuzugeben. Wenn in der That Parmenides mit seiner Behauptung der Einzigkeit des unveränderlichen Urwesens Recht hätte, woher kommen denn alle jene vielfältigen Vorgänge der Veränderung, des Wachstums, der Bewegung, die wir wahrnehmen?

Wenn Parmenides diese für blossen Sinnestrug erklärte, so beseitigte er damit die Schwierigkeiten durchaus nicht. Denn auch unsere Sinne stammen doch in letzter Instanz aus jener unveränderlichen Urkausalität wäre diese wirklich eine einzige, absolut starre, woher überhaupt nur die Möglichkeit von veränderlichen Erscheinungen, selbst wenn diese nur Trugbilder wären? Hätten die Eleaten Recht, so hätten sie uns die Täuschungen der Sinne aus ihrem Prinzip erklären müssen, sowie uns der Kopernikaner die scheinbare Bewegung der Sonne aus seinen Grundvorstellungen einleuchtend als eine ,,notwendige Illusion" begreifen lässt. Das Werden ist das ist nun einmal nicht zu leugnen. Gleichwohl ist es auch richtig, dass das Urwesen der Welt an sich ewig und unveränderlich zu fassen ist. Wie lässt jene erste, unabweisbar sich uns aufdrängende Forderung unserer Sinne sich mit jener zweiten Forderung unseres logischen Verstandes vereinigen? Diese Vereinigung streben die nachparmenideischen Naturphilosophen an; in diesem Streben zeigen sie sich einerseits als Naturphilosophen der früheren Zeit, andrerseits tragen sie den eleatischen Stempel auf der Stirn. Sie suchen dies Problem dadurch zu lösen, dass sie eine Vielheit an sich unveränderlicher Grundsubstanzen (Ursein) annehmen. Jede Grundsubstanz bleibt an sich ewig, was sie ist folgen sie Parmenides. Aber indem die rein äusserliche, man kann sagen, rein räumliche Beziehung jeder Grundsubstanz zu den anderen Grundsubstanzen sich verändert, entsteht das, was wir das Werden, den Wechsel der Erscheinungen, die ganze Fülle der Naturphänomene nennen. So erklärt sich das Werden, in dessen Bejahung sie Heraklit folgen. In diesen Grundannahmen stimmen. Empedokles, Anaxagoras und Demokrit überein, doch unterscheiden sie sich in der näheren Bestimmung sowohl der Zahl als des Wesens der Grundsubstanzen, und zwar so, dass Empedokles der Naivetät der Ionier noch nahe steht, Demokrit dagegen bereits das in höchster Abstraktion erfasste allgemeine Erklärungsprinzip derartig mit den Ansprüchen der sinnlichen konkreten Erscheinung zu verbinden weiss, dass seine Theorie in ihren Grundzügen (die Atomistik) zum Eckstein aller Naturwissen

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