Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

1864.

29. 5.

355] An den Generalmajor und General à la suite
v. Boyen.

29. Mai 1864.

Ihnen beiden gelten diese Zeilen, um Ihnen meinen Dank für Ihren so freundlichen Brief zu sagen und der edlen Fanny1) vor allem für den deliziösen serre-papiers, der das Geschmadvollste ist, was man sehen kann, inklusive des attentiösen Blau! Ihnen, Monsieur le Général, sage ich auch speziell Dank für Ihre Glückwünsche zu Düppel! Das war nach langen und schweren Zeiten endlich ein Lichtpunkt! Dies fait d'armes ist vielleicht eines der seltensten in der Kriegsgeschichte, denn wo sind jemals drei Reihen Befestigungen in zwei Stunden ohne allen Anstoß mit Sturm genommen worden! Die Truppen haben sich über alles Lob erhaben geschlagen, und dabei hat der Himmel gnädig es mit ihnen gemeint, denn für die Erfolge, für die enormen Schwierigkeiten und bei der tapferen Verteidigung ist der Verlust verhältnismäßig gering gewesen. Aber wir haben einige vorzügliche Offiziere verloren, unter denen ich nur Raven2) und Beeren3) nennen will! Ihnen die Momente zu schildern, wo ich meinen braven Truppen selbst meinen Dank aussprach1) und ich auf ihren Gesichtern das Gefühl und die Freudigkeit las, zu wissen, daß sie ihre Schuldigkeit getan ist unmöglich! Das erlebt man wohl nur einmal im Leben, obgleich ich es auch in Baden ja schon erlebte!

Ihre Schilderung Ihrer Exkursion nach dem Orient hat mich ungemein interessiert; welch ein Gemisch von Genuß und dem Gegenteil desselben! Wegen der Porträts für das Smyrnaer Hospital5) habe ich das Nötige veranlaßt.

Wir leben hier noch in Märztemperatur; ein so miserables Frühjahr habe ich nie erlebt; der Flieder blüht jetzt erst, aber spärlich und matt. Die Friedenstruppen haben sich hier, die

Zu 355) 1) Frau v. Boyen, geb. Prinzessin Biron von Kurland. 2) General v. Raven erhielt vom König persönlich im Lazarett den Orden pour le mérite 3) v. Beeren, Major im 4. Garde-Gren.-Regt. (Königin).

4) Auf der Parade bei Schleswig am 19. April. - 5) Wohl des Königs und der Königin, die Boyen erbeten haben wird.

Infanterie auf der Kriegsstärke, magnifik produziert, und man 1864. sieht sie immer mit dem Gefühl an, daß sie dasselbe geleistet hätten, wie ihre bevorzugten Kameraden in Schleswig! Nun nochmals tausend Liebes der edlen Fanny. Ihr Wilhelm.

Am 10. Juni hat das ganze Gardekorps Parade vor dem Kaiser Alexander hier.

356] An den General Herwarth v. Bittenfeld.

Gastein, 14. August 1864.

14. 8.

Indem ich Ihnen durch meinen Flügeladjutanten, Prinzen 1864. Hohenlohe1) die Auszeichnung zugehen lasse, welche ich für die glorreiche Aktion in Alsen verleihe, muß ich Ihnen nun auch noch selbst schriftlich meine hohe Anerkennung aussprechen für die ausgezeichnete Art, mit der Sie die Ihnen übertragene Operation angeleitet, vorbereitet und ausgeführt haben. Ihre Waffentat gehört zu den seltensten und ruhmreichsten, die die preußische Armee aufzuweisen hat und wird auf immer in deren Annalen verzeichnet stehen! Ich kann Ihnen nur Glück wünschen, daß das Schicksal Ihnen beschieden war, diese Tat unter Ihrer Führung vollbracht zu sehen. Mir selbst ist es aber eine wahre Freude, Sie zu dem Kommando berufen zu haben, da wir in so vielen Beziehungen zueinander im Leben und im Dienste gestanden haben. Empfangen Sie also meinen vollen Dank und nochmals meine Anerkennung für die Art, wie Sie Ihre Stellung ausfüllen und für die glorreiche Eroberung Alsens.

Ihr treu ergebener Wilhelm.

Zu 356) 1) Prinz Kraft zu Hohenlohe-Ingelfingen, bekannt auch in weiteren Kreisen durch die Beschießung von Paris, war bei König Friedrich Wilhelm IV. bis zu dessen Tode Flügeladjutant gewesen und als solcher auch in den Dienst König Wilhelms übergetreten. Beide Könige haben ihm eine vertraute Stellung eingeräumt, so daß seine „Aufzeichnungen“ (E. S. Mittler & Sohn, Berlin) überaus anziehend sind. Namentlich der frische preußische soldatische Geist, in dem sie geschrieben sind, gibt ihnen einen hohen Wert.

1864. 12. 10.

1864.

357] Antwort an den Geheimen Legationsrat Abeken. Baden-Baden, 12.(?) Oftober 1864.

Die Ministerkrisis in Wien würden wir vielleicht vermeiden, aber dadurch in Berlin eine solche hervorrufen; Bodelschwingh und Delbrüd würden wahrscheinlich ihre Entlassung beantragen, wenn wir den Artikel 25 zuließen.1)

358] Gespräch mit dem Erzherzog Leopold von Österreich.

22. Oktober 1864.

Der König machte darauf aufmerksam, daß gleichzeitig [d. h. 22. 10. mit dem Bestreben des Kaisers von Österreich, das Bündnis mit Preußen aufrichtig zu halten] Schmerling1) in seinen Preßorganen den lebhaftesten Kampf gegen die Allianz und gegen Rechberg, als deren Vertreter, eröffnet habe. Deshalb wurde Rechberg getrieben, das Begehren der Zolleinigung aufrecht zu erhalten, welche nach allgemeinem Bekenntnis unmöglich sei. Wenn Schmerling die Oberhand behalte, würden alle Zustände der

Zu 357) 1) Der österreichische Minister Graf Rechberg hatte schon im August in Schönbrunn eine Zusicherung über die spätere Aufnahme Österreichs in den Zollverein von Bismarck verlangt, weil dadurch seine durch die Preußenfeinde in Wien stark gefährdete Stellung gesichert werde. Bismarck hatte das als eine unverbindliche Phrase und Redensart, obwohl er die Zolleinigung ebenfalls für eine „unausführbare Utopie“ hielt, zugestanden und darüber weiter schriftlich verhandelt, weil es ihm auf gemeinsames Handeln mit Österreich ankam, das durch Rechberg ermöglicht ward. Auch der König hielt Rechbergs Fall für ein großes übel, doch sei der Artikel nicht so harmlos wie Bismarck meine. Er schaffe den großen Nachteil einer wieder zwölfjährigen Ungewißheit für Handel und Industrie; die Drohung, Rechberg zu entlassen, beweise überdies eine große Bereitwilligkeit Österreichs, das Bündnis mit Preußen zu lösen, und das jezt verlangte Zugeständnis werde nicht helfen, da doch jede Gelegenheit, Rechberg zu stürzen, von seinen Feinden benußt werden werde. In Wirklichkeit war die Erfolglosigkeit Rechbergs in dieser Frage auch nur einer der Gründe, durch die er gestürzt wurde. Die Allianz mit Preußen überhaupt, die Resultatlosigkeit des Krieges mit Dänemark für Österreich und der Verdacht, er arbeite mit dem aller Freiheit abholden und in Preußen die Liberalen mißzachtenden Bismarck, war es im Grunde, was in Österreich mißfiel. Wie vertraut der König übrigens mit diesen Zollfragen, von denen Bismarck glaubte, daß sie ihm fremd wären, zeigen seine früheren, hier mitgeteilten Anschauungen.

Zu 358) 1) Österreichischer Minister. Der schlimmste Gegner des Grafen Rechberg und seiner preußenfreundlichen Politik.

letzten Jahre wieder aufleben, die Opposition der Mittelstaaten, 1864. der Wettbewerb Österreichs und Preußens um deren Gunst, die Freude des Auslandes über ein solches Schauspiel innerer Ohnmacht und Zerrüttung.

359]

An Kaiser Franz Joseph von Österreich.1)

2. November 1864.

2. 11.

Deine Worte sind so vollkommen beruhigend für mich, daß 1864. ich Dir für diese Anschauung nicht dankbar genug sein kann. Ich schätze, achte und vertraue schon lange den Grafen Mensdorff und bin daher von seinem Charakter und seinem Vorsah, Deine neueste Politik gegen Preußen fortzusehen, völlig überzeugt.

360] Denkschrift über die Reorganisation der Armee. Berlin, Januar 1865.

I.

Januar.

Die Bekämpfung der trügerischen Auffassungen und Schluß- 1865. ziehungen der oppositionellen Parteien im Landtage, wie dieselben sie in den Preßorganen als Erfahrungen des lezten Krieges hinstellen, um die Armeereorganisation als überflüssig darzustellen und die Rüdkehr zu der alten Organisation zu empfehlen, verlangt eine sehr eingehende und scharf akzentuierte Analyse jener Trugschlüsse. Diese Analyse muß sehr durchdacht sein, weil die Massen durch jene Trugschlüsse nur zu leicht verführt werden können.

Zu 359) 1) Nach dem Abschluß des Wiener Friedens vom 30. Oktober 1864 als Antwort auf einen, die aufrichtigste Freundschaft des Kaisers beteuernden Brief vom 26. Oktober, der auch betonte, daß der nach Rechbergs Fall neu ernannte Minister Graf Mensdorff keine andere Politik gegen Preußen als sein Vorgänger Graf Rechberg befolgen werde. Der König äußerte freilich, wie hinzugefügt wird, einige Besorgnis, ob nicht Graf Mensdorff bei seiner Neuheit in den Geschäften wider Willen durch die Preußenfeinde in Wien fortgerissen werden könnte, und zeigte auch darin wieder seine Menschenkenntnis. Genau so, wie der König vorausgesehen, entwickelte sich das Ministerium Mensdorff.

1865.

Die Opposition stellt drei Hauptsäße auf:

1. Die Erfahrung habe gelehrt, daß die dreijährige Dienstzeit überflüssig ist, da die ein- und zweijährigen, ja nur wenig Monat erst dienenden Soldaten sich ebenso gut geschlagen hätten wie die älteren Mannschaften;

2. die Landwehr-Offiziere hätten sich mit gleicher Tapferkeit geschlagen wie die der Linie und hätten überall Lob geerntet, was den Beweis liefere, daß der einjährige freiwillige Dienst vollkommen ausreiche, um Offiziere zu bilden;

3. daß wenn im Jahre 1814 die jeßigen Prinzipien der Reorganisation der Armee Anwendung gefunden hätten, die Defizits im Staatshaushalt bis weit über das Jahr 1830 gedauert haben würden.

ad 1. Die Deklamationen über die Tüchtigkeit und Tapferkeit der kürzer als drei Jahre dienenden Soldaten müssen von der Ansicht ausgehen, daß nur die drei Jahre völlig ausgedient habenden Soldaten, als in den Krieg gehen sollend vom Gesetz angenommen werde[n], daß also aus diesem Grunde eine dreijährige Dienstzeit verlangt würde! Wenn es nicht gerade darauf abgesehen wäre, die Begriffe des Publikums absichtlich zu verwirren, so könnten so unsinnige Säße gar nicht aufgestellt werden. Um solche Deklamatoren ad absurdum zu führen, muß man die Frage aufwerfen, wie der Gesetzgeber bei solcher Annahme sich denn den Ersatz für die abgängigen drei Jahre Gedienten gedacht haben müßte, wenn er solche Annahme bei Erlassung des Gesetzes über die Dienstpflicht im Auge gehabt hätte? Die Antwort wird ein jeder schuldig bleiben, und sie könnte nur dahin ausfallen, daß man freilich im Kriege kürzer Dienende einstellen müsse, um die entstehenden Lücken zu füllen. Mit einer solchen in der Natur der Dinge liegenden Antwort tritt aber auch sogleich die Notwendigkeit eines festen Rahmens ein, in welchem diese kurz Dienenden eingereiht werden müssen, wenn sie etwas leisten sollen, und damit ist das Terrain für die Notwendigkeit einer längeren Kriegsvorbereitung im Frieden gewonnen. Je länger eine solche Vorbereitung im Frieden dauert, je fester wird jener Rahmen sich gestalten; nicht nur wird der präsente Stand diesen besseren

« ZurückWeiter »