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mern durchweg liberale Geseze, wie die Grundsteuer, Kreisordnung, Ehegesetz u. a. vorgelegt. In der deutschen Frage erklärte Preußen (Dezember 1860 und August 1862) unter heftigem Widerspruch Österreichs und der Mittelstaaten seinen Willen, die Befugnisse des Bundestages auf ein möglichst geringes Maß zu beschränken und freie Vereinbarungen mit denjenigen deutschen Staaten zu schließen, denen an wirklicher deutscher Macht lag. Es verlangte die Kräftigung der Exkutivgewalt und die Einberufung einer deutschen Nationalversammlung, es zwang den Kurfürsten von Hessen, den Rechtszustand und die Verfassung in seinem Lande wiederherzustellen. Österreich dagegen verlangte ein Bundesdirektorium und die Einberufung von Delegierten aus allen Landtagen, ja, dieser gemeinschaftlich von Österreich und einer Reihe von Mittelstaaten feierlich Preußen vorgelegte bundeswidrige Plan sollte demnächst zum Bundesbeschluß erhoben werden. Für diesen Fall war, da hierdurch Preußen im Bunde mattgesetzt und den nationalen Forderungen in keiner Weise Genüge getan wäre, König Wilhelm, wie uns aktenmäßig versichert wird, fest zum Kriege entschlossen. Geschähe es, dann ,,Vogue la galère".

Eben dies war auch das Programm vieler liberaler Kreise, stürmisch verlangten sie die Herstellung einer einheitlichen Zentralgewalt und die Einberufung eines Parlaments. Daß aber gerade der Kampf die Herstellung der vollen Wehrkraft Preußens zur Voraussetzung habe, das konnten oder mochten vielfach die Liberalen nicht einsehen, zumal die Überzeugung, daß dies kraft- und saftlose Ministerium weder Neigung noch Entschlußfähigkeit zur Ausführung besitze, ganz allgemein verbreitet war.

Im Frühjahr 1861 hatte das Abgeordnetenhaus zwar noch einmal die Mittel für das Heer bewilligt, aber wieder die zweijährige Dienstzeit verlangt. Im Frühjahr 1862 waren die Liberalen in ganz überwältigender Mehrheit in die neue Kammer eingezogen, und jetzt lehnten sie kurzweg die Mittel ab. Da wurde das Haus aufgelöst, und das Ministerium, das den Mut zu weiterem Widerstande nicht besaß, durch konservative Männer ergänzt. Das Abgeordnetenhaus hatte, indem es dem Standpunkt der Regierung, die unzweifelhaft in Übereinstimmung mit dem Gesetze von 1814 die dreijährige Dienstzeit festhielt, das Etatsrecht der Kammer ebenso gesetzlich, aber hart gegenüberstellte, die rein militärische Frage in eine Frage der Verfassung umgeändert. Man wollte zugestandenermaßen die Gelegenheit benutzen, um an Stelle des vom Kriegsherrn ab

hängigen ein in seinen Lebensbedingungen von den Kammern abhängiges Volksheer zu schaffen, und statt der königlichen eine parlamentarische Regierung durchzusetzen. Alle Nachgiebigkeit in Einzelheiten half nichts. Die Leidenschaften im Volke waren aufs äußerste erregt, der König aufs tiefste bekümmert. Da hat der König, und man darf sagen er allein, festgehalten an seiner Forderung, die, wie niemand mehr bestreitet, die Grundlage aller späteren Erfolge bildet. Selbst Roon wollte im März 1862 Ersparnisse am Militärbudget zugestehen und war im September 1862 bereit, in der dreijährigen Dienstzeit gewisse Erleichterungen nachzugeben. Beides hat der König bestimmt abgelehnt und rund heraus erklärt, wenn ihn selbst seine Minister verließen, so danke er ab. Roon fügte sich zwar dem Willen des Königs, aber auch von den neuen Ministern verlangten jetzt die Ausschlaggebenden, der Ministerpräsident und der Minister der auswärtigen Angelegenheiten, ihre Entlassung, da die Kammern mit zweifelloser Sicherheit die Geldmittel wiederholt verweigern würden.

Die Lage des Königs war, wie man sieht, fast eine verzweifelte. Auf der einen Seite konnte er weder seine Überzeugung von der Notwendigkeit der Reform noch gar von der Aufrechthaltung der durch die Verfassung festgelegten Regierungsrechte des Königs aufgeben, auf der andern suchte er vergeblich einen Ministerpräsidenten, der allem Ansturm gegenüber seinen Willen durchzuführen ebenso bereit wie fähig war. Begreiflich, daß er in seiner treuen Gewissenhaftigkeit für den Fall, daß alles Suchen nach einem solchen Manne erfolglos blieb aber doch eben nur für diesen Fall —, ernstlich an Abdankung dachte. Da war es Roon, der ihm Bismard wieder zuführte, ihn, dessen Kommen auch die gemäßigten Liberalen fürchteten und dem auch der König eine zu weit gehende Neigung zu reaktionären Schritten bisher zugetraut hatte. Für alle Zeit und Geschichte wird es ein in seiner Bedeutung kaum zu ermessendes Ereignis bleiben, als nun Bismarc, dessen Fähigkeit für den König ja längst unzweifelhaft war, sich bereit erklärte, für die Heeresreorganisation auch gegen jede Mehrheit des Landtages und gegen ihre Beschlüsse einzutreten (vgl. Nr. 310 u. 311). Wie sich versteht, ließ der König sofort jeden Gedanken an Rücktritt fallen, und nie ist ein Versprechen fester und großartiger gehalten, nie ist die Annahme eines Versprechens schöner und königlicher anerkannt worden als das vom September 1862. Auf ihm beruht die Größe unseres Vaterlandes.

Nicht Fragen der deutschen oder auswärtigen Politik, son

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dern nur die Frage der Armeereorganisation hatte den König und Bismard zusammengeführt. Sie stand dem König jezt und für die nächsten Jahre, und auch dann noch durchaus im Vordergrunde, als er sich an den Schmerz über die fehlende Zustimmung des Abgeordnetenhauses zu den Staatsausgaben hatte gewöhnen müssen. Mit der freudigen Gewißheit des schließlichen Erfolges füllte er gewissenhaft,,die Lücke aus" (vgl. Nr. 312 c), die die Verfassung für den Fall des Widerspruchs zwischen den drei Staatsgewalten gelassen hatte, und wenn der König, wie Bismarc uns erzählt, wenige Wochen später den Gedanken ausgesprochen hat, man werde schließlich unter seinen Fenstern am Opernplatz zu Berlin erst dem Minister, dann ihm, dem König, den Kopf abschlagen, so änderte eine solche vorübergehende Stimmung seine Entschlüsse keineswegs. Unzweifelhaft stärkte es aber seine Zuversicht und Gewißheit, als im Gegensatz zu der alles verneinenden Mehrheit des Abgeordnetenhauses aus allen Kreisen und Schichten des Landes ihm zahlreiche Adressen soviel wir wissen, weit über 2001) mit gegen 400 000 Unterschriften geschickt wurden und Deputationen zu ihm kamen, die ihm die Zustimmung weiter Kreise des Landes überbrachten. Allen diesen Deputationen hat er persönlich geantwortet, und wir druden, um seine Anschauung zu erläutern, eine Anzahl dieser Ansprachen hier ab (vgl. Nr. 312). Nicht ohne Lebhaftigkeit betont der König mehrfach, daß die ganze Reorganisation sein eigenstes Werk sei, und legt seine Absicht klar. Die Landwehr habe früher gewiß Großes geleistet, aber die Hebung der Industrie und andere volkswirtschaftliche Gründe machten es, so erläutert er zutreffend, nötig, die älteren Jahrgänge zu entlasten. Deshalb seien jezt andere Wege nötig, um die volle Wehrhaftigkeit des Volkes zu erzielen, die allgemeine Wehrpflicht zur Wahrheit zu machen und die Kriegsbereitschaft des stehenden Heeres zu ermöglichen. Schlimme Tage könnten kommen, und jede Schwächung der Armee werde Preußens Aufgabe in Deutschland gefährden, werde es hindern, wie der König sich ausdrückt, die Einigkeit Deutschlands durchzuführen. Finanziell aber sei die Reorgani sation möglich, da sie (abgesehen von der volkstümlichen Grundsteuer) durch die Erhöhung fast sämtlicher Einnahmetitel, die von dem steigenden Wohlstand der Nation zeuge, ohne jede Steuererhöhung, ja sogar unter Nachlaß des 1859 beschlossenen 25 prozentigen Steuerzuschlages im Betrage von jährlich fast vier Millionen Talern durchgeführt werden könne.

1) Bismarck hat viele Hunderte" gelesen.

Die finanzielle Schwierigkeit sei aber auch gar nicht der Grund des Widerstandes, sondern wie man sein Programm vom 8. November 1858 gemißdeutet habe, so wolle jezt das Abgeordnetenhaus die Gelegenheit benußen, da es Geld für das Heer bewilligen solle, um Gewalt über dieses zu bekommen. Er habe die Verfassung beschworen, er werde sie halten, sie sei die Grundlage des Staates. Das Abgeordnetenhaus aber gefährde sie. Statt der drei Faktoren, die die Verfassung für die Gesetzgebung vorschreibe, wolle es dies Recht für sich allein in Anspruch nehmen und sowohl ein parlamentarisches Heer wie eine parlamentarische Regierung einführen. Diese Verlegung der der Krone durch die Verfassung gewährleisteteten Rechte werde er niemals zugeben, sondern die Rechte der Krone voll aufrecht halten. In Preußen müsse der König regieren und der Landtag müsse ihm verfassungsmäßig bei der Gesetzgebung dazu helfen. Verweigere aber das Abgeordnetenhaus diese von den anderen zwei Faktoren der Gesetzgebung, d. H. vom König und Herrenhaus als notwendig anerkannte Hilfe, so liege wie es scheint, geht diese Theorie wirklich auf Bismard zurüc eine Lüde in der Verfassung vor, in diese müsse der König springen und die Verwaltung, da die Staatsmaschine nicht stillstehen kann, als guter Hausvater im Bewußtsein späterer Verantwortlichkeit fortführen.

Er also sei es wahrlich nicht, der den Frieden gebrochen, er habe vielmehr in dem Steuerlaß und in der nachgegebenen Modifikation gezeigt, daß er sich nach der Decke zu strecken wisse. Nun sei es Sache des Abgeordnetenhauses, ihm entgegenzukommen. Er habe weder Grund zu Mißtrauen, noch zu Klagen über Mißbrauch seiner Gewalt gegeben. Er liebe sein Volk und wisse, daß das Volk ihn liebe und die alte preußische Treue unerschüttert sei. So sei er gewiß, daß, wenn nur die zu ihm gekommenen Deputierten die richtige Meinung entgegen den in den Zeitungen vertretenen Unwahrheiten überall verbreiteten, der Erfolg und der Friede nicht ausbleiben würden. Denn fest halte er unbedingt an der Reorganisation, die er durch die Erfahrungen vieler Jahre als heilsam und notwendig erkannt habe. Er werde gewiß nicht nachgeben (vgl. Nr. 312 a-o).

Diese Zusage hat der König gehalten. Er hat auf seinem Plan beharrt, auch als nicht nur, wie erwähnt, Roon, sondern selbst als Bismard zur Nachgiebigkeit riet. Der Kampf fand bekanntlich erst nach dem Kriege von 1866 sein Ende, selbst noch) 1865 mußte der König eine besondere Denkschrift über die Reorganisation ausarbeiten.

Die auswärtige Politik wurde in der Zeit nach Bismards Ernennung zunächst durch den Aufstand der russischen Polen in Anspruch genommen. Für den König war es selbstverständlich, daß er, insoweit der Zar gegen die Rebellen im Recht war und der Aufstand in das eigene Land etwa übergriff, Rußland unterstützen müsse. Der Versuch Rußlands aber, Preußen zum Kriege gegen Österreich zu bewegen, wurde ebenso bestimmt abgelehnt wie die Versuche der Westmächte, Preußen in Gegen= satz zu Rußland zu bringen. Die Hoffnung oder die Furcht, daß die polnische Frage zu einer europäischen sich ausgestalte, ist da= mals wohl nur an der preußischen Haltung gescheitert und Preußen hatte nicht nur sich, trotz der fortdauernden Intriguen des Kanzlers Gortschakoff, die Freundschaft Rußlands erhalten, sondern auch die des zeitweilig so feindseligen Napoleon wiedergewonnen (vgl. Nr. 321).

Mitten in diese Verhandlungen hinein rollte nun Österreich die deutsche Frage wieder auf, um sie in seinem Sinne zum Nachteil Preußens und unter Ablehnung der nationalen Forderungen in Angriff zu nehmen. Damals scheute Österreich, nachdem amtliche Versuche entschieden zurückgewiesen waren, selbst die Form einer Überrumpelung nicht. Der König hatte die Frage natürlich auch jetzt nicht außer acht gelassen, wenn er auch wohl der Meinung war, daß er, der Einundsechzigjährige, ihre im Laufe der Jahrhunderte nicht geglückte Lösung nicht mehr erleben werde (vgl. Nr. 316). Er hatte sie wohl, da sich jetzt zu befriedigender Lösung die Gelegenheit nicht fand (vgl. Nr. 325),,,ajourniert“, er hielt aber fest an dem, wie erwähnt, im Dezember 1861 festgelegten Programm, das himmelweit verschieden sei von dem zu Frankfurt von den Fürsten unter Österreich geplanten (vgl. Nr. 333). Schon hatte auch Bismard in seinem berühmt gewordenen Gespräch mit dem österreichischen Botschafter in Berlin Österreich offen vor die Wahl zwischen der Anerkennung Preußens als gleichberechtigter Macht oder der Aussicht auf energische Gegenmaßregeln Preußens, selbst auf den Austritt aus dem Bunde gestellt. Nun überraschte Kaiser Franz Joseph den König in Gastein und lud ihn für einige Tage später zu einem Kongreß aller deutschen Fürsten in Frankfurt ein. Es war einer der gefährlichsten Momente für die nationale Entwicklung, und es ist ganz begreiflich, daß der König, als selbst noch der König von Sachsen mit einem Brief der schon versammelten Fürsten an ihn gesandt wurde, die Ablehnung seiner Teilnahme am Kongreß als einen Mangel der unter verbündeten Fürsten üblichen Höflichkeit schwer und mit Mißbehagen empfand. Er hat aber wieder seine Empfindungen zurückgedrängt und hat

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