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es aber nicht!! Darauf sendete ich die Mappe ab und legte mich 1887. nun eine Stunde lang auf das Suchen nach dem Memoire, obgleich ich ganz genau wußte, daß ich dasselbe nicht wieder seit Ziehen aus der Mappe angerührt hatte. Erschöpft von der Suche, legte ich mich zu Bette, in Verzweiflung! Meine einzige, wenngleich geringe Hoffnung blieb, daß das Memoire sich doch in einem der Wilmowskischen Papiere verstedt befände. Da mit den gestrigen Papieren mir von Wilmowski das Vermißte nicht zuging, so schrieb [ich] ihm diesen Hergang, worauf er heute kam [und sagte], daß ein solches Papier [sich] nicht in der quästionierten Mappe befunden habe! Ich aufs neue auf die Suche, alles vergebens! Es ist und bleibt unerklärlich! Denn niemand hat das Papier en question nur sehen können! Und ein so geheimnisvolles Papier verschwunden!!! Ihr Wilhelm.

647]

Zum Reichstags-Präsidenten v. Wedell.')

9. März 1887.

9. 3.

Er habe sich nur schwer dazu entschlossen, den früheren 1887. Reichstag aufzulösen. Er sei jedoch zur Auflösung genötigt ge= wesen, nachdem, trotz von ihm anbefohlener ausführlicher Darlegung hinsichtlich der militärischen Überlegenheit der Nachbarstaaten, die Opposition die Militärvorlage in dem von ihm als notwendig erkannten Zeitumfange nicht bewilligt hatte. Man hätte wohl zu hoffen Ursache gehabt, daß eine derartige Vorlage nach dem Beispiele Frankreichs einstimmig hätte angenommen werden sollen, allein diese Hoffnung sei getäuscht worden. Um so erfreulicher sei es ihm, dem Kaiser, jetzt der Erwartung Raum geben zu können, daß die Militärvorlage nunmehr mit großer Majorität angenommen werden würde. Sollte jedoch, wie er allerdings nicht besorge, diese Erwartung nicht in Erfüllung gehen, so müßten weitere Erwägungen vorbehalten bleiben. Hinsichtlich der Beziehungen zu Sr. Heiligkeit dem Papste äußerte der Kaiser: Schon bei der Thronbesteigung des jetzigen Papstes, sei er von dessen friedliebender Gesinnung überzeugt; deshalb Zu 647) 1) Bei Empfang des Reichstags-Präsidiums nach einer als Kaiser Wilhelms des Großen Briefe usw. II.

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1887. habe er auch im Karolinenstreite2) den Papst als Schiedsrichter angerufen; er hoffe, auch die kirchenpolitischen Fragen würden sich binnen kurzem in vollem Umfange in friedlicher Weise lösen. Nach Erwiderung des Präsidenten Wedell-Piesdorf, welcher die Hoffnung Sr. Majestät bezüglich des demnächst zu erwartenden zustimmenden Reichstagsbeschlusses betreffs der Militärvorlage bestätigte, entließ Se. Majestät der Kaiser und König das Präsidium des Reichstages in huldvollster Weise.

1887.

648] An den Reichskanzler Fürsten v. Bismarck.

Berlin, 23. März 1887.

Es ist eine wunderbare Fügung des Himmels, daß mir nach 23. 3. so vielen unvergeßlichen Erinnerungstagen auch noch vergönnt gewesen ist, am 22. März mein 90. Lebensjahr zu vollenden. In demütigem Ernste erkenne ich die Gnade Gottes, welche mich diesen Tag hat erleben lassen, welche mir in so hohem Alter die Kraft zur Erfüllung meiner fürstlichen Pflichten erhalten hat, welche mir das Glück gewährt, noch den Lebensabend mit meiner geliebten Gemahlin zu teilen und auf eine kräftig emporwachsende Nachfolge von Kindern, Enkeln und Urenkeln zu schauen.

Neunzig Jahre ein menschliches Leben, welch eine lange Spanne Zeit! Wenn ich sie im Geiste an mir vorübergehen lasse, so will es mir oft kaum faßlich erscheinen, was ich alles erlebt, erfahren und errungen habe. Die göttliche Vorsehung hat meine Wege, wenn auch nicht ohne schwere Prüfungen, sicher geleitet und zu glücklichen Zielen geführt. Gottes reichster Segen hat auf meiner Arbeit geruht.

In frühester Jugend habe ich die Monarchie meines tiefgebeugter. Vaters in ihrer verhängnisvollen Heimsuchung gesehen. Ich habe aber auch die hingebendste Treue und Opferfreudigkeit, die ungebrochene Erhebung und Kraft und den un

zuverlässig bezeichneten Mitteilung der Kreuzzeitung. 2) Auf den Karolinenund Palaos-Inseln hatte Deutschland nach vorheriger Mitteilung an Spanien die deutsche Flagge gehißt, sich aber, da Spanien Ansprüche auf die Inseln erhob, dem Schiedsspruch des Papstes unterworfen.

verzagten Mut des Volkes in den Tagen seiner Erhebung 1887. und Befreiung kennengelernt. Jezt in meinem Alter blide ich, nach so manchen Wechselfällen meines Lebens, mit Stolz und Befriedigung auf die großen Wandlungen, welche die ruhmvolle Vergangenheit der jüngsten Zeit, ein unvergängliches Zeugnis deutscher Einigkeit und aufrichtiger Vaterlandsliebe, in Deutschland geschaffen hat. Möge unserm teuren Vaterlande die lang ersehnte Errungenschaft, wie ich es zuversichtlich hoffe, in ungestörter, segensreicher Friedensarbeit zu stets wachsender Wohlfahrt aller Klassen der Nation gereichen!

In wohltuender Erinnerung an eine solche ereignisreiche Vergangenheit gewinnt die neunzigste Wiederkehr meines Geburtstages für mich eine besondere Bedeutung, welche durch die allgemeine tiefempfundene Teilnahme meines Volkes erhöht wird. Aus allen Teilen des Reiches, aus fernen Landen, in denen Deutsche eine neue Heimat gefunden, selbst von jenseits des Ozeans her, sind mir Adressen in zum Teil kunstvoller, gediegener Ausstattung, Zuschriften und Telegramme, poetische und musikalische Gaben, Blumenspenden und Arbeiten in überreicher Anzahl zu diesem seltenen Tage zugegangen. Von Gemeinde-Verbänden größeren wie kleineren Umfangs, von Kollegien, Korporationen und Genossenschaften jeder Art, von wissenschaftlichen und Kunstinstituten, von Anstalten und einzelnen Personen bin ich in der herzlichsten Weise beglückwünscht worden. Künstler, bildende wie darstellende, Studierende der deutschen Universitäten, Akademien und technischen Hochschulen, Krieger-, Turn-, Bürger- und andere Vereine, Gilden und Innungen haben in der verschiedensten Weise ihre treue Anhänglichkeit an mich kundgetan. Durch festliche Veranstaltungen und Festversammlungen ist der Tag aller Orten verherrlicht worden. Der Umfang und die Mannigfaltigkeit dieser beredten Beweise von Liebe und Verehrung ist so groß gewesen, daß sich die Feier des Tages zu einer nationalen Huldigung für mich gestaltet hat.

Nicht vermag ich allen, welche mir so liebevolle Aufmerksamkeiten erwiesen haben, im einzelnen dafür zu danken. Tief ergriffen von solcher durch alle Schichten der Bevölkerung gehen

1887. den Bewegung, kann ich nur der Gesamtheit zu erkennen geben, welche ungemeine Freude mir jeder an seinem Teile bereitet hat, und wie tief mein Herz von innigster Dankbarkeit für alle diese patriotischen Kundgebungen erfüllt ist.

1887.

Es gibt wahrlich für mich kein größeres Glück, kein erhebenderes Bewußtsein, als zu wissen, daß in solcher Weise die Herzen meines Volkes mir entgegenschlagen.

Möge mir diese Treue und Anhänglichkeit als ein teures Gut, welches die letzten Jahre meines Lebens hell erleuchtet, erhalten bleiben! Mein Sinnen und Denken aber soll wie bisher, so auch ferner für die Zeit, welche mir zu wirken noch beschieden sein wird, darauf gerichtet sein, die Wohlfahrt und Sicherheit meines Volkes zu heben und zu fördern.

Ich beauftrage Sie, diesen Erlaß zur öffentlichen Kenntnis zu bringen.

Wilhelm.

649] An den Staatsminister und Minister der
öffentlichen Arbeiten v. Maybach.

Berlin, 14. Mai 1887.

Sie wissen, wie unbedingt ich auf alles eingehe, was zur 14. 5. Stärkung und zu Ihrer Erhaltung in Ihrer so wichtigen Stellung

1887. Mai.

beitragen kann, der Sie mit solcher Anstrengung, aber auch mit sichtlichem Erfolge vorstehen. Daher bewillige ich Ihnen den so nötigen Urlaub, den ich aber zu kurz finde, um Sie dauernd dienstfähig zu machen. Ihr dankbarer König Wilhelm.

650] Worte über die Beteiligung an der Grundsteinlegung des Nord-Ostsee-Kanals.

Mai 1887.

Warum denn nicht?1) Ich will sehr gern dabei sein. Denn erstens sähe ich gern einmal die Provinz wieder, zweitens bin ich doch der, der den Nord-Ostsee-Kanal wieder ausgegraben hat

Zu 650)1) Man hatte in einer Form gefragt, die vorausseßte, daß der Kaiser an der Feier wegen seines hohen Alters sich nicht beteiligen werde.

gegen den alten Moltke,2) und drittens, wenn Prinz Heinrich erst 1887. geheiratet hat, komme ich gar nicht mehr hin.3)

651] An den Staatssekretär v. Boetticher.

19. Juni 1887.

19. 6.

Sie haben in dem von mir genehmigten Reichstagsabschied 1887. so vollkommen meine Ansichten und Gefühle getroffen,1) daß ich Ihnen meinen vollkommensten Dank nur hiermit aussprechen kann und hoffe, daß diese Abschiedsansprache ihren Eindruck nicht verfehlen wird zu machen. Gleichzeitig wiederhole ich hiermit nochmals Ihnen meinen Dank für die so überaus würdige und imposante Anordnung der Grundsteinlegungsfeier bei Kiel am 3. Juni, die in allen ihren Teilen so richtig erdacht und würdig verlief, zu sagen. Ich trage gern die darauf für mich eingetretenen Leiden, da ich um nichts die Freude aufgebe, dieser nationalen Feier haben beiwohnen zu können.2) Wilhelm.

652] An den Reichskanzler Fürsten v. Bismarck.
[Mainau], 17. Juli 1887.

17. 7.

Für Ihr Schreiben, in welchem Sie mir Jhre Übersiedelung 1887. nach Varzin mitteilen, sage ich Ihnen meinen besten Dank und freue mich, daß Ihnen die sogenannte Ruhe in Friedrichsruh so

2) Moltke schlug vor, die Kosten lieber auf eine Vermehrung der Flotte zu verwenden. — 3) Ein hübsches Work wird aus den Festtagen berichtet, das der Kaiser, als er auf der „Pommerania“ an den geschmückten deutschen Schiffen vorüberfuhr und man ihn veranlassen wollte, von der dem starken Winde ausgesezten Kommandobrücke sich in die geschüßte Kajüte zurückzuziehen, gesprochen haben soll: „Das wäre noch besser. Die Matrojen wollen doch ihren Kaiser, den sie so wie so doch selten schauen, nicht in der Kajüte, sondern auf dem Verdeck sehen. Da hätte ich ja lieber mit dem Wagen zurückfahren können. Wenn ich einmal auf dem Schiffe bin, bleibe ich auch oben.“ Es war die lezte große nationale Feier, der der Kaiser beigewohnt hat.

Zu 652) 1) Der Minister hatte im Allerhöchsten Auftrage dem Reichstage beim Schluß gedankt für die Arbeiten, durch welche er der vaterländischen Wehrkraft und den Finanzen des Reichs Stärke und Festigkeit gegeben habe.

2) Vgl. Nr. 650. Der Kaiser hatte sich bei der Feier erkältet und erkrankte nicht unbedenklich.

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