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1876.

544]

An Unbekannt.')

Gastein, 9. August 1876.

Infolge Deiner Mitteilung über die Horreurs in Chorin 9. 8. habe ich sogleich Bericht erfordert . . . da der Skandal doch so bedeutend zu sein scheint, daß man ihn nicht ungerügt lassen kann, falls es sich bestätigt, woran nicht zu zweifeln ist. Mein Aufenthalt hier geht zu Ende, aber einen solchen vom Wetter begünstigten habe ich hier noch nicht erlebt, heute, der neunzehnte Tag, und noch kein einziger Regentag. — Bei Lehndorffs wird Freitag zum dritten Male Theater sein, ein Vestibül ist die Bühne, die Akteurs werden „,gepreßt", wo sich ein entsprechendes Äußere findet, usw. ... Die Umgebung scheint sich nicht gern zu waschen und zu bürsten. . . . Auf Wiedersehen nach Bayreuth.

...

1876. 30. 12.

545] An den Königlichen Schloßpfarrer D. Kögel.

30. Dezember 1876.

Ich habe Sie bereits ersuchen lassen, am 1. Januar in der Schloßkapelle eine wirkliche Neujahrspredigt zu halten, und des Umstandes, der für mich den Tag zu einem besonders wichtigen macht,1) nur im allgemeinen zu erwähnen und keine bloße Gelegenheitspredigt zu halten. Ich hatte, da ich bereits zweimal gejubelt habe, gewünscht, dies drittemal zu ignorieren, als ich erfuhr, daß ohne mein Wissen bereits Vorbereitungen zu einer Feier getroffen seien, so daß ich also stillschweigend nachgeben mußte. Wie ich in meinem Innern diesen Tag feiern werde, können Sie sich denken, da ich alles was mich hienieden trifft, Erhebendes wie Schmerzliches, auf den Urquell zurückführe, der unsere Geschide lenkt! Ihr Wilhelm.

Zu 544) 1) Wohl an den Kronprinzen des Deutschen Reiches und von Preußen.

3u 545) 1) 70jähriges Militärjubiläum.

546] Antwort auf die Ansprache des Kronprinzen

zum 70jährigen Militärjubiläum.

1. Januar 1877.

1. 1.

Wenn alle die Herren, deren Anwesenheit mich hier und 1877. am heutigen Tage besonders erfreut, mit den Gefühlen übereinstimmen, denen mein Sohn soeben Worte gegeben, so kann ich mich nur um so glüdlicher schäßen und spreche daher zunächst Ihnen meinen Dank dafür aus.

Wenn ich auf den Tag zurückblicke, an welchem ich vor jezt 70 Jahren in die Armee eintrat, muß ich ja auch der Verhältnisse gedenken, unter denen es geschah; dann ist es aber auch von dem Augenblicke an, wo mich die Hand meines in Gott ruhenden Vaters in die Armee einführte, meinen ganzen Lebenslauf hindurch bis zu der heute mir vergönnten Freude mein erstes Gefühl, dem Lenker unserer Geschice demütigen Dank zu sagen. Meine Stellung brachte es mit sich, daß der größte Teil meines Lebens der Armee gewidmet war. Darum gebührt aber auch allen denen, welche mich auf meiner militärischen Laufbahn begleitet und meine Bemühungen unterstüßt, meine Erkenntlichkeit, deren ich mich stets gern erinnere. Denn der Tapferkeit, Hingebung und Ausdauer der Armee verdanke ich die Stellung, die ich jezt einnehme. Von Fehrbellin an bis auf die neuesten, glorreich beendeten Kriege stehen die Taten der brandenburgisch-preußischen Armee unauslöschlich in den Annalen der Weltgeschichte, und was Preußen geworden ist, ist es hauptsächlich durch seine Armee geworden. Sie, meine Herren, die heute mir gegenüber meine Armee repräsentieren, bitte ich allen denen, welche Sie vertreten, meinen persönlichen Dank zu sagen, einen Dank, der um so verdienter ist, als ich mich eine so lange Zeit hindurch von der Gesinnung und dem Geiste des Heeres, stets in engster Berührung mit ihm, überzeugen konnte, einem Geist, der mit Ihr Werk ist und dem, in Verbindung mit dem der deutschen Truppen, der große Erfolg gelang, ein einiges Deutschland und ein deutsches Heer zu schaffen.

1877.

9. 2.

547] Ansprache an den Prinzen Wilhelm von Preußen.1) Berlin, 9. Februar 1877.

Aus der Geschichte weißt Du, wie alle Könige Preußens neben ihren andern Regentenpflichten stets eines ihrer Hauptaugenmerke auf das Heer gerichtet haben. Schon der Große Kurfürst hat durch persönlichen Heldenmut seinen Scharen ein unübertroffenes Beispiel gegeben. Friedrich I. wußte sehr wohl, daß, als er sich die Krone auf das Haupt seßte, er diesen kühnen Schritt zu verteidigen genötigt sein könne. Er wußte aber auch, daß seine schon erprobten Truppen ihm dies ermöglichen würden. Friedrich Wilhelm I. hat in der Garnison, welche Du nun beziehst, und die man gern die Wiege der preußischen Armee nennt, den festen Grund zu ihrer Einrichtung durch die strenge Zucht gelegt, welche er Offizieren und Soldaten einprägte, ohne welche keine Armee bestehen kann, und dieser sein Geist lebt heute noch in

Zu 547) 1) Bei der Einführung des jezigen Kaisers und Königs als diensttuender Offizier in die Armee. Der Kaiser war erkrankt und konnte die Einführung in Potsdam nicht selbst vornehmen. Er hatte daher die direkten Vorgesezten in sein Palais nach Berlin befohlen, wo er diese Ansprache hielt. In Potsdam erfolgte die Vorstellung vor den Offizieren des 1. Garde-Regiments durch den damaligen Kronprinzen. An dem Tage, an dem der zehnjährige Prinz zum erstenmal im Regiment den Degen gezogen hatte, am 2. Mai 1869, hatte König Wilhelm folgende Worte gesprochen: „Diese Kirchenparade am Ehrentage des Regiments ist eine ganz eigentümliche. Der älteste Offizier des Regiments und der jüngste haben sie mitgemacht. Ich stelle die beiden hiermit dem Offizierkorps vor, sie sind der General v. Werder und der Prinz Friedrich Wilhelm. Der brave ergraute General ist jezt der einzige Offizier, der von jenen Helden noch lebt, die heute vor 56 Jahren bei Groß-Görschen die Feuertaufe empfingen. Heut, am Gedenk- und Ehrentage seines Regiments, da wollte sich der verdiente General die Freude und die Ehre nicht versagen, die Parade mitzumachen und noch einmal mit gezogenem Tegen vorbeizumarschieren. Wir alle heißen den Kameraden herzlich willkommen und blicken mit Stolz und Bewunderung auf ihn. Er ist den Offizieren ein Vorbild zur Nacheiferung." ,,Du, Prinz Friedrich Wilhelm, hast an diesem Tage zum ersten Male Deinen Degen im Regiment gezogen. An den ältesten Offizier desselben gedenkend, wünsche ich Dir, daß Du Deinen Degen bis in ein späteres Alter in und mit dem Regiment tragen mögest, daß es Dir auch einst vergönnt sei, nach einer so langen Dienstzeit wie die des Generals v. Werder auf ein neues und glänzendes Kapitel in der Geschichte dieses braven Regiments zurückblicken zu können, wie dies dem General im Jahre 1869 [d. h. bei seinem 50jährigen Jubiläum] beschieden ist."

ihr fort. Friedrich der Große übernahm mit seinem angeborenen 1877. Feldherrntalente diese festgegliederten Truppen als Kern seiner Armee, mit der er die Kriege führte und die Schlachten schlug, die ihn unsterblich gemacht. Friedrich Wilhelm II. mußte zuerst einer veränderten Kriegsart begegnen, welcher gegenüber das Heer doch nicht ohne Lorbeeren aus dem Kampfe hervorging. Mein Königlicher Vater begegnete dem gleichen Feinde, und ein schweres Geschick traf Vaterland und Heer. Aber das Alte, Unhaltbare beseitigend, reorganisierte er die Armee und gründete sie auf Vaterlandsliebe und Ehrgefühl. So erreichte er mit ihr Erfolge, welche auf ewige Zeit in den Annalen der preußischen Armee verzeichnet stehen. Mein schwer geprüfter Bruder, König Friedrich Wilhelm IV., sah mit Genugtuung auf seine Armee, die in schweren, schmerzlichen Tagen fest zu ihm stand, die er zeitgemäß fortbildete und die neue Lorbeeren pflüden konnte.

So fand ich die Armee. Wenn es je eine Regierung von erst kurzer Dauer gegeben, deren Geschicke sichtlich durch die Vorsehung gnädig gelenkt wurden, so ist es die der letzten Jahre.

Und wieder ist es die Armee, die durch ihren unerschütterlichen Mut und ihre Ausdauer Preußen auf die Höhe gestellt hat, auf der es nun steht. Das Gardekorps, welchem Du schon angehörst, und mit ihm das Regiment, in welches Du jezt eintrittst, haben in hervorleuchtender Weise zu diesen ruhmreichen Erfolgen beigetragen. Die Zeichen, die ich auf meiner Brust trage, sind der öffentliche Ausdruck meiner unauslöschlichen Dankbarkeit und meiner nie endenden Anerkennung für die Hingebung, mit welcher die Armee Sieg auf Sieg erfochten hat. Deine Jugend ist in diese Zeit gefallen, und Du hast in Deinem Vater ein ehrendes Vorbild der Kriegs- und Schlachtenleitung. Es werden Dir aber in den Dienstverhältnissen, in welche Du nun trittst, manche dem Anscheine nach unbedeutende Dinge entgegentreten, die Dir vielleicht auffallen können; aber Du wirst auch lernen, daß im Dienste nichts zu klein ist, und daß jeder Stein, der zum Aufbau einer Armee gehört, richtig geformt sein muß, wenn der Bau richtig und fest sein soll!

1877.

1877.

(Zu den Vorgeseßten gewendet):

So übergebe ich Ihnen nun meinen Enkel, um seine militärische Erziehung zu leiten, ein jeder nach seinem Standpunkte und wird dies zunächst die Aufgabe seines Kompagniechefs sein, damit er einst ein würdiger Nachkomme der Ahnen meines Hauses werde.

(Zum Enkel gewendet):

Nun gehe und tue Deine Schuldigkeit, wie sie Dir gelehrt werden wird. Gott sei mit Dir!

548] An den Reichskanzler Fürsten v. Bismarck.

Berlin, 24. März 1877.

Der Tag, an welchem ich mein 80. Lebensjahr vollendete, 24. 8. hat im deutschen Volke eine mich tief rührende Teilnahme gefunden. Die Beweise derselben sind mir aus allen Teilen des Reiches in der mannigfachsten Weise, namentlich in der Form von Adressen, schriftlichen und telegraphischen Glückwünschen, Gedichten, Kompositionen, Bildern, Blumen u. a. sinnigen, zum Teil kostbaren Spenden zugegangen. Städte und Dorfschaften, Korporationen und Vereine, Festgenossenschaften und einzelne Personen aller Stände haben sich beeilt, mir die allgemeine festliche Stimmung des Tages zu zeigen, und nicht allein aus den Gauen des Vaterlandes, sondern auch von jenseits der deutschen Grenzen, selbst aus den fernsten Ländern habe ich die Versicherung empfangen, daß überall, wo Deutsche weilten, meiner in Liebe gedacht worden ist. Diese überreiche Fülle freudiger Wünsche hat mir den Tag zu einem besonders weihevollen ge= staltet. Umgeben von einem mächtigen Kreise verbündeter und befreundeter Fürsten, habe ich mit Genugtuung den Wert gefühlt, als Mittelpunkt des nationalen Empfindens betrachtet zu werden; aus diesem Bewußtsein schöpfe ich neue Kraft, mich der Sorge für die Wohlfahrt des Vaterlandes zu widmen. In diesem Sinne möchte ich allen jenen Glückwünschenden meinen Dank für ihre Aufmerksamkeit kundgeben; ich beauftrage Sie zu dem Zwede, vorstehendes alsbald zur öffentlichen Kenntnis zu bringen.

Wilhelm.

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