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jedoch noch geändert werden könne (was auch geschehen ist). Er 1870. bat, seine Umgebung mitnehmen zu dürfen, die Generale Reille, Moskwa, Prinz Murat II. usw., ebenso, daß er seinen Hausstand beibehalten dürfe, was alles ich natürlich akkordierte. Dann lobte er meine Armee, vorzüglich die Artillerie, die nicht ihresgleichen habe (was sich in diesem Kriege vollkommen erwiesen hat), tadelte die Indisziplin seiner Armee. Beim Abschied sagte ich ihm, daß ich glaubte, ihn hinreichend zu kennen, um überzeugt zu sein, daß er den Krieg nicht gewünscht habe, aber zu demselben gezwungen zu sein! Er: Vous avez parfaitement raison, mais l'opinion publique m'y a forcé. Jch: L'opinion publique forcée par le ministère, ich hätte bei Ernennung dieses Ministeriums sofort gefühlt, daß der mit demselben eingetretene Prinzipienwechsel nicht zum Heil seiner Regierung ausfallen werde, was er achselzuckend bejahte. Die ganze Konversation schien ihm wohl= zutun, und ich darf glauben, daß ich ihm seine Lage sehr erleichtert habe, und wir schieden beide tief bewegt! Was ich alles empfand, nachdem ich ihn vor 3 Jahren im Kulminationspunkt gesehen habe, kann ich nicht beschreiben! Von diesem Rendezvous beritt ich von 23 bis 1/28 die ganze Armee um Sedan! Den Empfang der Truppen, das Wiedersehen des dezimierten Gardekorps, das alles kann ich heute nicht beschreiben; ich war tief, tief ergriffen von so viel Beweisen der Liebe und Hingebung!!! Es war unbeschreiblich! - Die Armee, welche kapituliert, ist 60 000 bis 70 000 Mann, viele 100 Kanonen und unzähliges Material! Der Gefangenentransport ist eine wahre Kalamität. Am 31. und 1. hat Manteuffel zwei energische Ausfälle aus Metz brillant zurückgeschlagen. Nun Adieu mit bewegtem Herzen am Schluß eines solchen Briefes!!!

Dein Wilhelm].

[Nachschrift.] Ich überlasse Dir, was Du aus diesen Erzählungen veröffentlichen willst. Jedenfalls sind die Details des Rendezvous auszuschließen und einfach zu sagen, daß der Besuch eine Viertelstunde dauerte, und daß beide Monarchen sehr bewegt über dieses Wiedersehen gewesen schienen. Auch

1870. die Details über Bismards erste Entrevue sind nur allgemein zu erzählen.

473]

An die Königin Augusta von Preußen.

Reims, 7. September 1870.

1870. 7.9.

-1) Wir gehen langsam vor, teils um die Truppen durch kleine Märsche sich erholen zu lassen, da sie durch den Stoß nach Norden, der unaufhaltsam gehen mußte, sehr fatiguiert sind, teils um sich die Dinge in Paris entwickeln zu lassen. Man sagt, daß die Orleans in Paris find! — Die Neutralligue, welche schon Velleitäten zur Friedensvermittelung verspüren ließ, wird durch die neuesten Ereignisse ihre Fühlhörner wohl wieder einziehen. Diese Velleitäten geben schon zu versehen, daß sie auf Integrität Frankreichs gerichtet seien! Wie dies möglich ist, begreift man nicht! Selbst aus Petersburg kommen solche Andeutungen, weil Landabzweigung (Elsaß und Deutsch-Lothringen) ein neuer pomme de discorde sein würde, als wenn das linke Rheinufer dies nicht auch schon seit 55 Jahren gewesen sei, so daß, um Ruhe zu haben, wir logischermaßen jenen das linke Rheinufer abtreten müßten! Im Gegenteil, um Deutschland vor Frankreichs steten Gelüsten auf Einfälle in Deutschland endlich sicher zu stellen, muß jene Länderabtretung verlangt werden, Elsaß vor allem. Dies ist auch die allgemeine Stimme in ganz Deutschland, und wollten sich die Fürsten dieser Stimmung entgegenstemmen, so riskieren sie ihre Throne; denn die Opfer, die ganz Deutschland an Menschen und Geld usw. bringt, verlangen einen Frieden, der dauernd sei, und das ist nur möglich, wenn dasjenige Land genommen wird, was deutsch war und ist. Es ist gewiß vermessen, von solchen Dingen heute schon zu sprechen, wo der Krieg noch in vollem Gange ist; wenn aber andere bereits davon sprechen, daß das und das nicht sein solle, so haben wir ein Recht zu sagen, was wir nicht

Zu 473) 1) Ob hier ein oder mehrere Säße ausgelassen sind, ist nicht

zugeben würden, wenn es erst so weit ist. Du solltest der Groß- 1870. fürstin Helene2) in diesem Sinne schreiben, weil sie über diese Dinge mit dem Kaiser spricht und den wahren deutschen Standpunkt imstande ist, klar zu legen (ich glaube Thile sprach Dir schon davon), um Gortschakows Intriguen entgegenzuarbeiten, der jenes Veto gegen Landabtretung heraufbeschwört, weil er es den Kaiser nicht vergibt, in seiner Abwesenheit feste Position für uns genommen zu haben. Ja, Gortschakow hat sogar erzählt, in Berlin selbst teile man seine Ansicht en haut parage! Vielleicht ist Chreptowitch3) des Fürsten Ansicht? Um so notwendiger ist es, daß Du Helene unseren Standpunkt klarlegst. Ich autorisiere Dich, Dir von Thile den Brief zeigen zu lassen, den ich dem Kaiser dieserhalb schrieb, der mir seine Andeutungen schrieb.

474] An die Königin Augusta von Preußen.

Reims, 12. September 1870.

1) Wie vorsichtig man überall und einst in Paris sein muß, beweist die Schändlichkeit in Laon.2) Von einem Einzug in Paris wie 1814 kann wohl überhaupt diesmal nicht die Rede sein, wenn wir überhaupt hineinkommen! Eine Belagerung einer so ausgedehnten Festung ist an und für sich unmöglich. Man kann ihr nur die Zufuhr abschneiden auf alle mögliche Art durch eine wachsame Zernierung, während das eine und das andere Fort angegriffen werden kann, nach Belagerungsregeln. Eine endliche Übergabe wird dann die Einwohner wohl zahm gemacht haben, so daß eine Besetzung durch Massen stattfinden würde, aber kein siegreicher Einzug. Doch warum sich in Konjekturen einlassen!

bekannt. 2) Großfürstin Helene, Schwägerin des Kaisers Nikolaus, geb. Prinzessin von Württemberg. — 3) Russischer Oberhofmeister, ein gelegentlich genannter Bekannter des Königspaares aus Baden-Baden.

Zu 474) 1) Wie Nr. 4731. 2) Nach der Kapitulation von Laon wurde die Zitadelle in die Luft gesprengt.

1870.

12. 9.

1870.

11. 10.

1870.

13. 10.

4751

An König Johann von Sachsen.

Versailles, 11. Oktober 1870. Der General v. Thielau soll der Überbringer dieser Zeilen sein, die Dir meinen telegraphisch ausgesprochenen Dank wiederholen sollen, für die so große Auszeichnung, die er mir in Deinem Auftrage überbrachte. Die besondere Auszeichnung, die Du dem Großkreuz Deines Militär-Heinrichsordens für mich hinzufügen ließest, gibt demselben eine so hohe Bedeutung, daß ich nach allen Richtungen hin Dir meinen tiefempfundenen Dank aussprechen muß. Es wird mich dieser Orden stets an die große Zeit erinnern, in der wir leben und in welcher ich Deine braven Truppen unter meinem Oberbefehl kämpfen und siegen sah! Mögen die großen Opfer, die unser aller Länder in diesem Kriege bringen, uns an das erstrebte Ziel führen, eines ehren= vollen und dauernden Friedens, nicht bloß für Deutschland, sondern auch für Europa. Noch ist nach so vielen Niederlagen der Mut des Feindes nicht gebrochen, da durch Terrorismus und Lüge derselbe immer von neuem entflammt wird. Wie lange diese Mittel vorhalten werden, ist noch nicht zu berechnen, also daher auch nicht das Ende des Kampfes! Schließlich sage ich Dir noch meinen herzlichsten Dank für die weiteren Auszeichnungen, welche Du meinem Sohne und den höchsten Generalen hast zugehen lassen, und die sie wirklich verdient haben und also richtig von Dir erkannt worden sind. Mit treuer Freundschaft Dein treuer Freund Wilhelm.

Deinen Dank für die Dekorierung Deiner Söhne nehme ich gern an, da ich nur wahres Verdienst zu belohnen berufen war, was dem Vaterherzen eine stolze Freude ist, wie ich ja es auch empfinde.

476] An die Königin Augusta von Preußen.

-1)

Versailles, 13. Oktober 1870.

Ich empfehle Dir, einen Artikel in der Spenerschen Zeitung Nr. 233 vom 7. Oktober in der zweiten Beilage zu lesen,

Zu 476) 1) Vgl. Anmerk. 1 zu Nr. 473.

der aus einer amerikanischen Zeitung über unsere Militärinsti- 1870. tutionen, aus der ganzen sittlichen Bildung unseres Volkes hervorgehend, entnommen ist. Das ist das Richtigste und Wahrste, was je darüber geschrieben ist, und was ich so oft Dir selbst als das Charakteristische unserer Institutionen darstellte, und weshalb man nicht dankbar genug meinem Vater und Bruder sein kann, einen solchen unausgesetzten Wert auf die ausgebreitete Schulbildung gelegt zu haben, denn das hat nun in einem halben Jahrhundert die schönsten Früchte getragen. Daß jezt auch bei uns in der Armee Exzesse vorkommen, ist zu beklagen, aber es geschieht nur da, wo die Einwohner feindlich auftreten oder ausgewandert sind, wo dann natürlich die Häuser mit Gewalt geöffnet werden müssen und das Wenige, was sich vorfindet, verbraucht wird. Aber sonst ist die Disziplin immer noch vortrefflich.

477]

An die Königin Augusta von Preußen.

—1)

Versailles, 22. Oktober 1870.

Wenn Dir Chreptowitch vom allgemeinen Wunsch nach Frieden erzählt, so hat er wohl nichts anderes gesagt, als was wir alle wünschen. Aber wie soll er und mit wem geschlossen werden, wenn das Land gar keinen Willen hat, ihn zu schließen? und seine Machthaber ebensowenig? Sie können meinen, man soll Paris nicht bombardieren; wir antworten: darum beginnen wir damit, es auszuhungern, und darauf kommt die Ansicht: nur nicht aushungern. Nun, da bleibt dann nichts anderes übrig als abzumarschieren und die Grenzen von 1815 herzustellen und Lothringen und Elsaß aufzugeben. Das soll aber auch nicht geschehen - und so dreht man sich von Widerspruch zu Widerspruch im cercle vicieux herum! Man sieht, wie leicht es ist, das zu verwerfen, was geschieht, ohne etwas Haltbares an die Stelle zu setzen!

3u 477) 1) Vgl. Anmerk. 1 zu Nr. 473.

Kaiser Wilhelms des Großen Briefe usw. II.

16

1870. 22. 10.

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