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1861.

1862.

Aus diesem Grunde hauptsächlich wünsche ich, daß die v. Nazmersche Familie dereinst diese meine Gesinnungen gegen eins Ihrer Mitglieder kennen und bewahren möge, daher statte ich Ihnen, gnädige Frau, meine Briefe in der Anlage zurück, um diese dereinst der Nahmerschen Familie als Eigentum zu überreichen.

Bei den vielen Ungebührnissen, die mit nachgelassenen Papieren jezt getrieben werden, muß ich aber die Bestimmung hinzufügen, daß bei meinen Lebzeiten kein öffentlicher Gebrauch von diesen Briefen gemacht werden soll. Nach meinem Tode, wenn man es der Mühe wert halten sollte, Materialien zu meiner Lebensbeschreibung zu sammeln, so mag denn auch von diesen Briefen Gebrauch gemacht werden, weil nichts in ihnen enthalten ist, was nicht dereinst an die Öffentlichkeit kommen könnte.

Möchte es mir vergönnt sein, Ihnen einst meinen Besuch machen zu können und die letzte Ruhestätte meines unvergeßlichen Freundes zu sehen, gnädigste Frau,

Ihr treu ergebener Wilhelm.

305] Aus einem Gespräch mit Th. v. Bernhardi.

8. Januar 1862.

Der König fragte mich auch, ob ich einen Leitartikel in der 8. 1. heutigen Spenerschen Zeitung1) gelesen habe, einen Aufruf zur Bildung einer konservativ-konstitutionellen Partei? Nein! Der König: O! lesen Sie ihn ja! - Das ist mein Standpunkt! Das ist der Standpunkt, den ich festhalten will!

Zu 305) 1) Es ist ohne Zweifel der Leitartikel vom 3. Januar gemeint, und Bernhardi mag sich verhört haben. In diesem Artikel wird als ein Hauptübel der Zeit das Fehlen einer entwickelten konservativen Partei, ohne die kein Staat, am wenigsten ein konstitutioneller, bestehen könne, bezeichnet. Die Feudalpartei habe diese Bezeichnung nur ufurpiert, Armee und Grundbesit zolle ihr keinen Dank, da sie gegen ihr Interesse handle und sie mit der Regierung verfeinde. Die Elemente zu einer konservativen Partei seien in allen Ständen (Gutzbesizern, Bauern, Geistlichen, Lehrern, kleinen Handwerkern, dem Magistrat, den Großindustriellen, Landwirten, Richtern) vorhanden, ihnen liege vor allem an der Erhaltung und am wohlerwogenen Fortschritt, ohne gedankenlose Neuerungssucht.

306] Aus einem Gespräch mit Berthold Auerbach. 24. Januar 1862.

24. 1.

Der König hat die Vorlesung Berthold Auerbachs1) über den 1882. Weltschmerz neulich mit angehört und äußerte, er habe bei der Gelegenheit erst erfahren, was das Wort bedeute; er habe nicht gewußt, daß es so etwas gibt in sich auch nie etwas davon erlebt.

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Berthold Auerbach gab, wie er mir später erzählte — die glückliche Antwort: „Ew. Majestät dürfen den Weltschmerz auch nicht empfinden, denn Sie sollen ihn heilen, und wer eine Krankheit heilen soll, muß selbst gesund sein."

307]

Aus der Antwort des Königs auf die Adresse einer Deputation aus Westpreußen. [24. Juni 1862.]

Ich kann aber nicht unterlassen, noch eins zu erinnern. Ich 1862. werde nie dulden, daß man unter dem Vorwande der Anhänglichkeit 24. 6. an mich Exzesse gegen diejenigen begeht, die anders gewählt haben, wie dies z. B. in Mühlhausen geschehen ist. Solche Unordnungen sind sehr strafbar. Ich bitte Sie, dies denjenigen mitzuteilen, die Ihre Freunde sind. Mein Vertrauen zu meinem Volke ist unverändert dasselbe geblieben; dagegen ich diejenigen, welche jene Mißverständnisse veranlaßten, nicht zu meinen Freunden rechnen kann.

308] An Herzog Ernst II. von Sachsen-Koburg

und Gotha.')

Schloß Babelsberg, 28. Juli 1862. Es geht durch alle Zeitungen die Nachricht, Du habest an 1862. hiesige Mitglieder des Abgeordnetenhauses die Aufforderung er

Zu 306) 1) In der Sing-Akademie zu Berlin, wo der Wissenschaftliche Verein lange Jahre hindurch Vorträge halten ließ, hatte B. Auerbach am 18. Januar über die Poesie des Weltschmerzes gesprochen.

Zu 308) 1) Der Herzog hatte inzwischen auch durch die Zeitungen eine Berichtigung gehen lassen. Ein Entschuldigungsschreiben an den König kreuzte sich mit diesem Brief, und der König antwortete ihm in einem gütigen Schreiben, worin er ihn an alles erinnerte, was auf dem Schüßenfest in Frankfurt ge

28.7.

1862. gehen lassen, in ihrer Opposition gegen mich, meine Regierung und also namentlich gegen die pomme de discorde die Militärorganisation festzuhalten, weil dann der Sieg ihnen verbleiben werde. Ich muß Dich auf das bestimmteste auffordern, mir zu erklären, ob Du wirklich im angegebenen Sinne Dich gegen Mitglieder des Abgeordnetenhauses ausgesprochen hast. Ist es der Fall gewesen, so vermag ich ein solches Beginnen nicht mit Deiner persönlichen Stellung zu mir, am wenigsten aber mit Deiner Stellung in meiner Armee zu vereinigen. Jeder Offizier, der der aktiven Armee angehört, würde über dergleichen Ansichten zur Verantwortung gezogen werden. Das kann ich bei Dir nicht eintreten lassen, aber meiner Armee bin ich es schuldig, zu wissen, wie ein Souverän Deutschlands, der in der preußischen Armee Chef eines Regiments ist, über dieselbe und ihre Organisation denkt, und ob er wirklich gesonnen ist, dieselbe gegen den Willen seines Königs zu ruinieren.

Was ich seit Jahr und Tag bei jeder Gelegenheit ausgesprochen habe, daß nämlich es der demokratischen Partei gar nicht um die Geldbewilligung zu tun ist, die sie der Armee verweigern will, sondern um dieselbe durch schwache numerische Friedenszahl, durch kurze Dienstzeit und durch Vermengung der geistig gebildeten Offiziere mit Unteroffiziers-Offizieren in ihrer Einheit zu stören und zu disharmonieren, um durch alle diese Mittel den Geist der Treue und Anhänglichkeit der Armee an ihren König und Kriegsherrn zu untergraben, damit das Heer eine Parlamentsarmee werde und keine königliche mehr sei! Dies alles hat in Frankfurt a. M. Schulze-Delitzsch klar und unum= wunden ausgesprochen und uns dadurch die beste Waffe in die Hand gegeben. Ein Volksheer hinter dem Parlament, so lauteten seine Worte. Ist das klar?? Und solche Ansichten solltest Du in meiner Armee unterstützen wollen, indem Du Schulzes Kollegen zum Verharren auf diesem enkouragierst.

Ich ersuche Dich also um eine bestimmte und klare Antwort.
Dein usw. Wilhelm.

sprochen und gedruckt worden sei, auch Wert darauf legte, ihm zu sagen, daß
niemand von seinem ersten Briefe gewußt, noch weniger ihn dazu veranlaßt habe.

309] Randverfügung des Königs auf einen Bericht des Justizministeriums.

[August 1862.]

August.

Liegen denn gar keine Milderungsgründe1) vor, die zur Be- 1862. gnadigung auf lebenslängliches Zuchthaus führten? Wenn es übrigens irgend möglich ist, so wäre ein anderer Tag, als der 16., zu bestimmen, da ich niemals den Tag einer Exekution kennen will.

310] Gespräch mit dem Gesandten v. Bismarck.1)

22.9.

Babelsberg, 22. September 1862. In der Tat war mir jeder Gedanke an Abdikation des 1862. Königs fremd, als ich am 22. September in Babelsberg empfangen wurde, und die Situation wurde mir erst flar, als Se. Majestät sie ungefähr mit den Worten präzisierte: „Ich will nicht regieren, wenn ich es nicht so vermag, wie ich es vor

Zu 309) 1) Der König war außerordentlich schwer zur Unterzeichnung von Todesurteilen zu bestimmen. Er hatte es beim Regierungsantritt den sämtlichen Staatsministern als heilige Pflicht auferlegt, ihn auf den kleinsten Umstand aufmerksam zu machen, durch den eine Milderung der Strafe herbeigeführt werden könne. Nur den Justizminister hatte er davon entbunden, weil sein Amt ihm nicht gestatte, etwas anderes als den Lauf der Gerechtigkeit zu befürworten. Er las selbst die Darstellung der Untersuchung und die Motive des Urteils gewissenhaft durch, ließ sich sowohl durch den Kabinettsrat wie durch das gesamte Staatsministerium Vortrag über jeden Fall halten, verlegte scheinbar die von ihm zurückerbetenen Urteile und sandte sie, in lebenslängliches Zuchthaus verwandelt, häufig erst dann und nun in größerer Anzahl zurück, wenn irgend ein frohes Ereignis Anlaß zur Begnadigung geben konnte.

Zu 310) 1) Nach diesem Gespräch erfolgte Bismarcks Ernennung zum Minister. Es zeigt, daß der König sofort, nachdem er einen Minister gefunden hatte, der bereit war, die Regierung nach seinem Willen zu leiten und die Armeereorganisation vor dem Abgeordnetenhause zu vertreten, jeden Gedanken an Rücktritt aufgab. Des weiteren erzählt Bismarck hier mit anderen Einschaltungen, wie der König ihn aufgefordert habe, ihn in den Park zu begleiten, und ihm dort eine Schrift von acht eng beschriebenen Folioseiten über alle Details der Regierungspolitik, besonders die Reform der Kreistage, zum Lesen gegeben habe. Bismarck habe den König überzeugt, daß es sich jezt nicht um Konservative oder Liberale, sondern um Königliches Regiment oder Parlamentsherrschaft handle. Er habe, überzeugt, daß diese unbedingt abzuwenden sei, gesagt: „In dieser Lage werde ich, selbst wenn Eure Majestät mir Dinge befehlen sollten, die ich nicht für richtig hielte, Ihnen zwar diese Meinung offen entwickeln, aber wenn Sie auf der Ihrigen schließlich beharren, lieber mit dem König

1862. Gott, meinem Gewissen und meinen Untertanen verantworten kann. Das kann ich aber nicht, wenn ich nach dem Willen der heutigen Majorität des Landtags regieren soll, und ich finde keine Minister mehr, die bereit wären, meine Regierung zu führen, ohne sich und mich der parlamentarischen Mehrheit zu unterwerfen. Ich habe mich deshalb entschlossen, die Regierung niederzulegen und meine Abdikationsurkunde, durch die angeführten Gründe motiviert, bereits entworfen.“ Der König zeigte mir das auf dem Tische liegende Aktenstück in seiner Handschrift, ob bereits vollzogen oder nicht, weiß ich nicht. Se. Majestät schloß, indem er wiederholte, ohne geeignete Minister könne er nicht regieren.

Ich erwiderte, es sei Sr. Majestät schon seit dem Mai bebekannt, daß ich bereit sei, in das Ministerium einzutreten, ich sei gewiß, daß Roon mit mir bei ihm bleiben werde, und ich zweifelte nicht, daß die weitere Vervollständigung des Kabinetts gelingen werde, falls andere Mitglieder sich durch meinen Eintritt zum Rüdtritt bewogen finden sollten. Der König stellte nach einigem Erwägen und Hin- und Herreden die Frage, ob ich bereit sei, als Minister für die Militär-Reorganisation einzutreten, und nach meiner Bejahung die weitere Frage, ob auch gegen die Majorität des Landtages und deren Beschlüsse. Auf meine Zusage erklärte er schließlich: „Dann ist es meine Pflicht, mit Ihnen die Weiterführung des Kampfes zu versuchen, und ich abdiziere nicht." Ob er das auf dem Tische liegende Schriftstück vernichtet oder in rei memoriam aufbewahrt hat, weiß ich nicht.

311] Gespräch mit dem Botschafter v. Bismarck.1)
Babelsberg, 22. September 1862.

1862. 22. 9. mar

Das erste Schriftstück, welches [der König] Herrn v. Bismarck einhändigte, seine Abdankungsurkunde. Bismarck sah sie betroffen an und bemerkte, dahin dürfe es in Preußen nicht kommen. Der König erwiderte: „Ich habe alles

untergehen, als Eure Majestät im Kampfe mit der Parlamentsherrschaft im Stiche lassen." Darauf habe der König die Schrift zerrissen, Bismarck aber habe ihn verhindert, die einzelnen Stücke in den Park zu werfen.

Zu 311) 1) Bei der Bedeutung, die diesem Gespräch zukommt, lassen wir der vorstehenden (Nr. 310) Lesart, wie sie Bismarck in seinen „Gedanken und Er

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