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1870.

1870.

12. 7.

Heute erhielt ich Antwort vom Vetter aus Sigm[maringen], der freilich sehr agitiert ist, aber erklärt, sie könnten nicht zurüďtreten; doch ist sein Sohn auf einer Alpenreise abwesend, so daß dieser seine Ansicht noch nicht aussprechen konnte, was abzuwarten In aller Eile adieu

ist.

4451

Wilhelm).

An die Königin Augusta von Preußen.

Ems, 12. Juli 1870.

Gestern erhielt ich einen Brief vom Vetter Hohenzollern. Er ist natürlich sehr impressioniert von der Tournüre, die die Dinge in Paris nehmen, glaubt aber, daß er in seiner Sache nicht zurück könne, sondern ich müsse rompieren. Ich habe erwidert, daß ich nichts darin tun könne, aber einer rupture ihrerseits beitreten würde (mit Freuden),1) da ich gerade so verfahren müsse wie bei der Annahme. Leopold2) reist in den Tiroler Alpen und wurde in Sigmaringen in einigen Tagen erst erwartet, so daß seine eigene Auffassung mir noch ganz unbekannt ist. Benedetti hatte eine zweite Audienz, in welcher [er] verlangte telegraphieren zu können, daß ich den Kandidaten zum Zurücktritt bewegen würde; ich gab ihm vorstehende Antwort. Auf seine Bemerkung, daß man die Abwesenheit des Erbprinzen in Paris nicht glauben würde, entgegnete ich, wenn er die volle Wahrheit wiedergäbe, wie ich sie ihm gäbe, so müsse man daran glauben, und täte man es dennoch nicht, so müsse allerdings ein Grund dazu vorliegen, und den glaubte ich wohl zu kennen, da mir Gramonts Äußerungen und die Rüstungen in Frankreich bekannt seien. Ich hoffte, in 24 Stunden vielleicht Nachrichten vom Kandidaten zu erhalten. Ich habe den hier anwesenden Oberst v. Strank3) nach Sigmaringen mit Brief und allen alarmierenden

Zu 445) 1) Nach der in die Tagebücher des Königs von Rumänien übergegangenen Mitteilung des Fürsten von Hohenzollern schrieb König Wilhelm, daß Frankreich augenscheinlich den Krieg wolle, und daß, falls Fürst Karl Anton den Rücktritt des Erbprinzen von der spanischen Kandidatur beschließen sollte, er, als Chef des Hauses, jezt ebenso damit einverstanden wäre, wie er vor einigen Wochen zur Annahme sein „Einverstanden“. ausgesprochen hätte. Das in Klammern gesezte mit Freuden“ ist also nur ein der Königin geschriebener Zusay. 2) Der Erbprinz von Hohenzollern. – 3) Auch sonst in dieser An

Meldungen gesendet; er war selbst mit Putbus4) vor 12 Jahren 1870. in Spanien. Waldersee5) meldet, daß die Rüstungen beginnen und die Eisenbahnen mit Direktionsoffizieren besezt sind, doch seien Reserven und Pferde noch nicht einberufen.

Gramont hat an. Nigra gesagt: Mit Spanien bleiben wir auf ganz freundschaftlichem Fuße, aber wenn Preußen nicht die Kandidatur Hohenzollern zurüdnimmt, die Mainlinie nie zu überschreiten verspricht, Süddeutschland ganz frei läßt, die Grenzen der Herzogtümer reguliert und Mainz zediert, so werde der Krieg unvermeidlich! Also die größte Festung Deutschlands mit[ten] in Deutschland in französischen Händen grenzt doch an Wahnsinn. Holstein) ist heute hier, um wegen Mainz zu konferieren. Wir tun nichts Bemerkbares, aber bereiten uns still vor. Gott gebe, daß die Hohenzollern Einsehen haben!! Dein Wilhelm].

446] An die Königin Augusta von Preußen.

Ems, 12. Juli 1870.

das

12. 7.

Vielen Dank für Deine heutigen Zeilen. Werther ist vor- 1870. gestern abend 7 Uhr nach Paris zurückgekehrt und bittet um Entschuldigung, daß er Deinem Wunsch, Dich noch vorher zu sprechen, nicht nachkommen konnte, weil ich ihm die größte Eile anbefahl, um zu versuchen, auch durch eine Begegnung mit dem Kaiser selbst ihm die Situation Preußens auseinanderzuseßen. Die ruhige Rede Gramonts gestern ist wahrscheinlich Folge des Benedettischen Telegramms nach unserer Unterredung um 10 Uhr früh, die ich Dir schrieb.

Dein heutiges Diner und Apresdiner hätte mir fast Lust gegeben, selbst zu kommen, aber die stündlichen Telegramme, oft 3 bis 4 auf einmal, lassen mich nicht fort von hier, und der Durchmarsch der Truppen heute bei die Hiße und Coblenzer Fahrt, Diner usw. wäre für die Kur doch zu viel.

gelegenheit tätig. -4) Fürst Wilhelm Walter Putbus, Oberst-Truchseß.
5) Major und Militäragent in Paris. 6) Prinz Woldemar von Holstein,
General der Kavallerie, war Gouverneur von Mainz.

1870. Ich habe Benedetti heute zu Tisch hierher geladen, mit Aristarchi-Bey,1) General Timaschew, Minister des Innern, ein alter Bekannter von . . .) Zeiten her!

Bismard wird morgen hier sein.3) Er ist innerlich gewiß noch für den Kandidaten, aber er sagt doch, daß die Frage so ernst geworden sei, daß man die Hohenzollern ganz beiseite sehen müsse, aber ihnen überlassen müsse, einen Entschluß zu fassen, und nicht wir, also genau was ich dem Vetter schrieb, wie ich es Dir mitteilte. Oberst Strank' Zug hat den Anschluß mit Bruchsal verfehlt, so daß er erst gestern abend nach Sigmaringen kommen konnte. Ein neuer Aufschub.

Soeben kommt ein Telegramm von Oberst Strank, der in versteckten Worten mitteilt, daß der Leopold zurüdtritt!4) Mir ist ein Stein vom Herzen! Aber, schweige gegen jedermann, damit die Nachricht nicht zuerst von uns kommt, und ich sage daher auch nichts an Benedetti, bis wir morgen den Brief durch Strank in Händen haben werden. Jetzt ist es also um so wichtiger, daß auch Du heute noch absichtlich betonen mußt, daß ich alles den Hohenzollern überließe, wie bei der Annahme, so jezt bei einem zu fassenden Entschluß.

Dein Wilhelm].

Nicht Gramont hat die gestern mitgeteilte Ansicht an Nigra3) ausgesprochen, sondern ein in der ? Zeitung gebrachter Artikel, der aber im Konseil beraten sein soll, sprach sie aus.

Zu 446) 1) Türkischer Botschafter in Berlin. 2) In der Vorlage ist ,,Rittmeister" gedruckt. Das ist offenbar ein Lesefehler, zumal König Wilhelm niemals Rittmeister war. 3) Am 12. Juli kam Bismard in Berlin an. Nach Ems, wohin ihn der König am 11. befohlen hatte, ist er, weil inzwischen die Nachricht von der Thronentsagung des Erbprinzen bekannt geworden war, nicht mehr gereist. Er sandte den Minister des Innern, Grafen Eulenburg nach Ems. Es müssen unbekannte Gründe vorliegen, die ihn veranlaßt haben, weder nach Gramonts Rede am 6. Juli noch nach Benedettis Ankunft in Ems dorthin zu fahren. 4) Fürst Karl Anton hatte das Telegramm direkt nach Paris und ganz konsequent nicht an den König gerichtet. Von Paris aus wurde es aber sofort überall bekannt. - 5) Italienischer Botschafter in Paris.

447]

An die Königin Augusta von Preußen.

Ems, 13. Juli 1870.

13. 7.

Herzlichen Dank, daß Du des heutigen, sonst so lieben 1870. Jahrestages1) so freundlich gedenkst! Die Emser Damen sind enchantiert von ihrer Aufnahme und ihrem Aufenthalt bei Dir zurückgekehrt und imponiert2) vom Schloß. Ich sprach sie nur kurz auf der Abendpromenade, da ein heftiger Regen uns auseinanderjagte.

Das große Ereignis der Tagesfrage ist das alleinige Gespräch, seitdem an diesem Morgen das Cölner Extrablatt3) die erste Kunde des Zurücktritts des Thronkandidaten brachte; ich sendete dasselbe sofort auch Benedetti, der mir sagen ließ, daß er die Nachricht bereits gestern abend aus Paris erhalten hätte, woraus folgt, daß man es [in] Paris früher wußte als ich. Er kam auf die Promenade, und statt ihn satisfait zu finden, verlangte er von mir, daß ich à tout jamais erklären sollte, daß ich nie wieder meine Zustimmung geben würde, wenn etwa diese Kandidatur wieder auflebte, was ich natürlich sehr entschieden zurüdwies, um so mehr, da ich noch gar keine Details direkt erhalten hätte, und als er immer dringender und fast impertinent wurde, sagte ich zuletzt, Mettons que Votre Empereur lui-même diese Kandidatur aufnähme, so würde ich ja mit meinem geforderten Versprechen ihm entgegentreten müssen!

Kurzum, er schien instruiert zu sein, diese Forderung mir abzupressen, die er sogleich nach Paris melden wollte, um mich zu irgend einer offiziellen Kundgebung zu veranlassen, die ich bei der ganzen Sache bisher zu vermeiden hatte, aus der bekannten Stellung, die [ich] zu derselben seit sechs Monaten einzunehmen verpflichtet bin, d. h. als Gouvernement habe ich nichts mit der Sache zu tun. Ich lege hier die Briefe bei, die ich soeben erhielt bitte Dich, sie mir noch heute zurückzusenden, da sie immer nötig sind zur Hand zu haben; auch mein Brief

Zu 447) 1) Geburtstag der verstorbenen Schwester Charlotte, Kaiserin von Rußland. 2) So nach dem Faksimile. Die Vorlage hat irrtümlich „eingerückt im". 3) Jezt faksimiliert in H. Abeken, Ein schlichtes Leben, 3. Aufl., Berlin 1904, E. S. Mittler & Sohn.

1870. an Leopold vom 21. Juni liegt in Kopie bei. Des Fürsten Räsonnement über künftige Kriegsfragen ist sehr richtig. Dein Wilhelm]

1870.

Die Post wartet. 343 Uhr.

448] An den Geheimen Legationsrat Abeken.')

[Ems, 13. Juli 1870.]

Graf Benedetti fing mich auf der Promenade ab, um auf 13. 7. zuletzt sehr dringliche Art von mir zu verlangen, ich sollte ihn autorisieren, sofort zu telegraphieren, daß ich für alle Zukunft mich verpflichtete, niemals wieder meine Zustimmung zu geben, wenn die Hohenzollern auf ihre Kandidatur zurückämen. Ich wies ihn zuletzt etwas ernst zürüd,2) da man à tout jamais dergleichen Engagements nicht nehmen dürfe noch könne. Natürlich

Zu 448) 1) Geheimer Legationsrat Abeken war als Vertreter des Auswärtigen Amts in Ems auch im Juli 1870 gegenwärtig. Dieser Brief an ihn ist in seiner Depesche an den Grafen v. Bismarck, der an diesem Tage in Berlin aus Varzin eingetroffen war, aufgenommen. Abeken hat diesen Brief des Königs eingeleitet mit den Worten: „Se. Majestät der König schreibt mir," und ihm Folgendes noch hinzugefeßt: „Seine Majestät hat seitdem ein Schreiben des Fürsten bekommen. Da Seine Majestät dem Grafen Benedetti gesagt, daß er Nachricht vom Fürsten erwarte, hat Allerhöchstderselbe mit Rücksicht auf die obige Zumutung auf des Grafen Eulenburg und meinen Vortrag beschlossen, den Grafen Benedetti nicht mehr zu empfangen, sondern ihm nur durch einen Adjutanten vom Dienst sagen lassen, daß Seine Majestät jezt vom Fürsten die Bestätigung der Nachricht erhalten, die Benedetti aus Paris schon erhalten, und dem Botschafter nichts weiter zu sagen habe. Seine Majestät stellt Euer Exzellenz anheim, ob nicht die neue Forderung Benedettis und unsere Zurückweisung sogleich sowohl unseren Gesandten als der Presse mitgeteilt werden sollte." Daraus formulierte Bismarck die aus allen Zeitungen bekannte Mitteilung über die lezte Verhandlung des Königs mit Benedetti. Die hier wiedergegebene Lesart der „Emser Depesche“ stammt aus Sybels erst 1894 gedruckten, gewiß aber von ihm noch aus den Akten selbst entnommenen Aufzeichnungen. Bismarcks in den „Gedanken und Erinnerungen“ gegebener Wortlaut geht wohl auf dieselben Aufzeichnungen zurück, obwohl er kleine Abweichungen (,,die Benedetti aus Paris schon gehabt“ statt „erhalten“, ,,ihre“ statt,,unsere Zurückrufung“, „in der Presse“ statt „der“) aufweist. Der Reichskanzler Caprivi hát am 23. November 1892 im Reichstage in indirekter Rede eine zusammengezogene Fassung des Telegramms vorgelesen, deren bemerkenswerteste Abweichung darin besteht, daß es am Schluß nicht heißt:,,Se. Majestät stellt Euer Exzellenz anheim", sondern: „Se. Majestät stellt an Euer Exzellenz das Ersuchen". 2) Dieses etwas ernst" bedeutet, wie der König in dem vertraulichen Brief an die Königin schreibt,,,natürlich sehr entschieden“.

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