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1866. Vorsehung so hoch begnadigt wie Preußen; noch nie sei in so kurzer Zeit und auf solche Weise ein Krieg beendet worden, wie der hinter uns liegende. Es sei erfreulich und erhebend, daß gerade Preußen und er, der König selbst, von der göttlichen Gnade dazu ausersehen sei, ein solches Werk zu vollbringen, ein Werk, welches so viele, auch sein nun in Gott ruhender Königlicher Bruder erstrebt, denen aber nicht vergönnt worden sei, die Verwirklichung ihres Strebens zu erleben; darum sehe er, der König, die Ereignisse der Neuzeit als eine besondere göttliche Gnade an. Zugleich aber freue sich der König, daß dieser Krieg den Beweis für die Tüchtigkeit unserer Heeresorganisation, welche er selbst ins Leben gerufen, gegeben habe. Ohne diese Organisation wäre das Kriegsheer deß sei der König fest überzeugt nicht imstande gewesen, solche Strapazen und Leiden zu ertragen, wie es dieselben ertragen habe. Hinsichtlich der Erfolge des Krieges sei mit Recht in der Adresse hervorgehoben worden, daß noch große Schwierigkeiten zu überwinden seien. Er, der König, hoffe jedoch, auch diese mit Gottes Hilfe zu überwinden. Se. Majestät hob dann schließlich noch hervor, daß er mit besonderer Freude die Adresse des Hauses entgegennehme, namentlich um der Einstimmigkeit willen, mit welcher dieselbe zustande gekommen sei, eine Einstimmigkeit, der gegenüber die Minorität eine fast verschwindende genannt werden könne. Diese Einigkeit, die sich nicht allein in dieser Adresse zu erkennen gebe, sondern die jetzt wieder

1866.

8. 11.

mit Freuden spreche er es aus - zwischen Fürst und Volk hergestellt sei, diese Einigkeit, hoffe er, werde in Zukunft immer verbleiben, und in dieser Zuversicht spreche er nochmals der Deputation und dem Hause seinen Dank aus.

401] Bemerkung zum Rittmeister a. D. v. Arnstedt.

8. November 1866.

Sie glauben gar nicht, wie unendlich schwer es mir geworden ist, das Wort,,Krieg!" auszusprechen. Hätte ich es als Prinz und Soldat auszusprechen gehabt, wäre ich außer mir vor Freude gewesen; aber als König war ich mir meiner ganzen Verant

wortung bewußt und zögerte so lange, als es nur irgend mit der 1866. Ehre Preußens verträglich war.

402]

Lestwillige Aufzeichnung.

Berlin, 31. Dezember 1866.

31. 12.

Seitdem ich am 10. April 18571) meinen Abschiedsgruß 1866. meinen zu Hinterlassenden niederschrieb, hat das Schicksal mächtig in mein Leben eingegriffen. Die Vorsehung bestimmte in einer ungeahnten Weise über die letzten Lebensjahre meines teueren Bruders und berief mich noch bei seinem Leben zu seinem Nachfolger. Als Gott den vielgeprüften König und Bruder von seinem schweren Leiden gnädig erlöste, mußte ich den Thron der Väter besteigen. Gegen meine Neigung schritt ich zur Krönung, in tiefster Demut, um Preußen mit seinen neuen Institutionen die irdische Macht zu vergegenwärtigen, die zu dessen Heil fest bestehen müsse. Diese meine gewissenhafte Überzeugung hat mich geleitet und gestählt in den schweren Kämpfen, die ich mit jenen neuen Institutionen jahrelang zu bestehen hatte.

Diese Kämpfe haben mich tief erschüttert, weil ich standhalten mußte gegen ein wirres Andrängen gegen jene irdische Macht, die ich nicht aus den Händen geben durfte, wenn Preußens Geschichte nicht aufgegeben werden sollte. Ich vergebe allen, die wissentlich und unwissentlich sich meinen auf Gewissensüberzeugung begründeten Absichten zum Wohle des Vaterlandes entgegensetzten, um die Macht der Krone zu schmälern und die Herzen der Preußen derselben zu entfremden.

Vergessen mögen meine Nachkommen es aber nicht, daß Zeiten möglich waren, wie die von 1861 bis 1866! In dem Jahre, welches heute schließt, hat sich Gottes Gnade in einer Art über Preußen ergossen, die für so viel Erduldetes reichlich entschädigt. In Demut erkenne ich diese göttliche Gnade, die mich ausersehen hat in meinem vorgerückten Alter eine Wendung der Verhältnisse herbeizuführen, die zum Heil des engeren und weiteren Vaterlandes bestimmt zu sein scheint. Das Werkzeug,

Zu 402) 1) Vgl. Bd. I, S. 409.

1866. so Großes zu erreichen, die Armee, steht unübertroffen in diesem Augenblice vor der Welt. Der Geist, der sie beseelt, ist der Ausdruck der Gesittung, die eine sorgliche Hand meiner erhabenen Vorfahren der Nation anerzogen hat. Die Armee finde in allen ihren Teilen in dieser ernsten Scheidestunde des Jahres meinen Herzensdank für die Hingebung und Aufopferung, mit der sie meinem Rufe folgte und vor meinen Augen siegte ein Erlebnis, für das ich Gott meinen demütigen Dank stammle!

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Aber ganz Preußen finde hier meinen Königlichen Dank für die Gesinnung, die es in dem denkwürdigen Jahre an den Tag legte! Wo solche Vaterlandsliebe sich zeigt, da ist der gesunde Sinn vorhanden, der Nationen groß macht, und darum segnet sie Gott sichtlich! Meinen heißesten Dank finden alle hier, die mir halfen, durch schwere Zeiten zu dem Lichtpunkte dieses Jahres zu gelangen!

Möge Gottes Segen immer auf Preußen ruhen und Preußen sich dieses Segens würdig zeigen! Möge mein Sohn und seine Nachkommen solches Volk und solche Armee um sich sehen, und durch besonnenes, zeitgemäßes Fortschreiten das Wohl und Gedeihen beider sorglich fördern und Preußen die Stellung sichern, die ihm von der Vorsehung sichtlich angewiesen ist.

Das walte Gott in Seiner Gnade!!! Mitternacht 1866 bis 1867. Wilhelm.

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2. Krieg gegen Frankreich. Errichtung des Deutschen Reichs.

1867-1871.

Indem Napoleon die deutschen Dinge sich frei gestalten ließ, beanspruchte er für Frankreich doch eine Entschädigung, und da er weder deutsche Landstriche noch Belgien erlangen konnte, so warf er sein Augenmerk auf das in Personalunion mit Holland verbundene Großherzogtum Luxemburg, das zum Deutschen Bunde gehörte und in dessen Hauptstadt, als einer Bundesfestung, noch preußische Truppen standen. Der_König-Großherzog wäre unter dem Drud Frankreichs im März 1867 zur Abtretung des Landes gegen Entschädigung im Falle der Zustimmung Preußens bereit gewesen. Die öffentliche Stimme in Deutschland aber war ebenso heftig über die, wie man fürchtete, drohende Abtretung des deutschen Landes erregt, wie man in Frankreich in der Abtretung gerade dafür einen Beweis sehen wollte, daß Frankreich an europäischer Bedeutung dem norddeutschen Bunde überlegen sei. Preußen hatte, da der Deutsche Bund aufgelöst war, kein völkerrechtlich gültiges Recht mehr in Luxemburg zu vertreten, und sowohl der König (vgl. Nr. 408) wie Bismard und Roon hielten daher den Streitfall im Gegensatz zu anderen Generalen, auch Moltke, keineswegs für bedeutend genug, die Verantwortung für den Krieg übernehmen zu können. Napoleon anderseits sah bald, daß er nirgend, und da die verlangte preußische Zustimmung nicht gegeben wurde selbst nicht mehr im Haag Anklang mit seinem rechtlosen Begehren fand, und so kam zulezt auf einer Konferenz zu London der Ausgleich in der Weise zustande, daß Napoleon auf den Erwerb verzichtete, Luxemburg für neutral erklärt und dagegen die preußische Besatzung zurüdgezogen wurde.

Kaiser Wilhelms des Großen Briefe usw. II.

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Für die innere Verwaltung Preußens können wir hier —- abgesehen von dem Dank für das endlich im Oktober 1867 festgestellte Wehrgeset (Nr. 417) — mehrere Schriftstücke vorlegen, die nicht nur das schöne menschliche Verständnis des Königs für die Empfin= dungen der Einwohner in den neu erworbenen Provinzen beim Wechsel des Herrscherhauses widerspiegeln (vgl. Nr. 420), sondern auch sein verständnisvolles und tatkräftiges Eindringen in die notwendig gewordenen Änderungen der bisherigen staatlichen und kommunalen Einrichtungen in diesen Ländern. Überall tritt er da für schonende und ausgleichende Gerechtigkeit ein (vgl. Nr. 409). Aber mehr noch. Als Friedrich Wilhelm I. und Friedrich der Große in Preußen regierten, machte es die verhältnismäßige Beschränktheit der Verhältnisse der erstaunlichen Arbeitskraft dieser Herrscher bekanntlich möglich, nicht nur die großen leitenden Gesichtspunkte für die Regierung anzugeben, sondern auch die Ausführung bis ins kleinste zu überwachen. Daran kann der Monarch heute, wie sich versteht, nicht wohl denken. Als aber der König erfuhr, daß in den neuen Provinzen ohne sein Wissen einschneidende Einrichtungen getroffen wurden, die dem landschaftlichen Sonderleben widersprachen, da ist er mit der ganzen Kraft seines Willens selbst gegen die höchsten Beamten des Staates aufgetreten. Gerade ebenso wie er es zur Zeit des Konfliktes für seine königliche Pflicht gehalten hatte, in die Bresche zu springen, die „die Lücke der Verfassung“ darstellte, griff er jezt mit voller Entschiedenheit da ein, wo er, wie er sagt, Fehler im Staatswesen sah, wo,,seine Regierung Mißgriffe gemacht hatte" (vgl. Nr. 413, 418). An Stellen, wo die von ihm geforderte ,,Remedur" nicht mehr möglich war, hatte er sogar, um vermeintliches Unrecht wieder gutzumachen, von seinem eigenen Vermögen geopfert und so der doch nicht gerade armen Stadt Frankfurt a. M. eine Million aus seinen eigenen Mitteln gespendet (vgl. Nr. 431). Ebenso bestimmt trat er auch ihm nahestehenden konservativen Abgeordneten gegenüber, als deren Besorgnis vor Bismards nahen Beziehungen zu den Liberalen sie zum Widerspruch nicht nur gegen die Regierung, sondern gegen die persönliche Tätigkeit des Königs hinriß. Damals hat der König eines der Worte gesprochen, das, indem er sie zur Wahrheit machte, den Wortlaut der preußischen und der deutschen Verfassung erst mit dem monarchischen Inhalt erfüllte und das den modernen Geist mit der monarchischen Staatsform versöhnt hat (vgl. Nr. 418).,,Noch ist Preußen nicht daran gewöhnt, seinen König von den Maßnahmen seiner Regierung zu trennen, und Gott gebe, daß es nie anders werde." Es ist der Grundzug

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