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1861.

295]

An mein Volk!

Berlin, 7. Januar 1861.

König Friedrich Wilhelm IV. ruht in Gott. Er ist erlöst 7. 1. von den schweren Leiden, die er mit frommer Ergebung trug. Unsere Tränen, die in gerechter Trauer fließen, wolle der Herr in Gnaden trocknen; des Entschlafenen gesegnetes Andenken wird in meinem, in Euren Herzen nicht erlöschen.

Niemals hat eines Königs Herz treuer für seines Volkes Wohl geschlagen. Der Geist, in welchem unseres Hochseligen Vaters Majestät, der Heldenkönig so nannte ihn der nun heimgegangene Königliche Sohn nach den Jahren des Unheils sein Volk wieder aufrichtete und zu den Kämpfen stählte, an welchen mein verklärter Bruder hochherzig teilnahm, war König Friedrich Wilhelm IV. ein heiliges Erbteil, welches er treu zu pflegen wußte. Überall gewährte er edlen Kräften Anregung und förderte deren Entfaltung. Mit freier Königlicher Hand gab er dem Lande Institutionen, in deren Ausbau sich die Hoffnungen desselben erfüllen sollten. Mit treuem Eifer war er bemüht, dem gesamten deutschen Vaterlande höhere Ehre und festere Einigung zu gewinnen. Als eine unheilvolle Bewegung der Geister alle Grundlagen des Rechts erschüttert hatte, wußte meines in Gott ruhenden Bruders Majestät die Verwirrung zu enden, durch eine neue politische Schöpfung die unterbrochene Entwickelung herzustellen und ihrem Fortgange feste Bahnen anzuweisen.

Dem Könige, der so Großes zu begründen wußte, dessen 1881. unvergeßliches Wort: „Ich und mein Haus, wir wollen dem Herrn dienen", auch meine Seele erfüllt, gebührt ein hervorragender Platz in der glorreichen Reihe der Monarchen, welchen Preußen seine Größe verdankt, welche es zum Träger des deutschen Geistes machten.

Dieses hohe Vermächtnis meiner Ahnen, welches sie in unablässiger Sorge, mit ihrer besten Kraft, mit Einseßung ihres Lebens gegründet und gemehrt haben, will ich getreulich wahren. Mit Stolz sehe ich mich von einem so treuen und tapferen Volke, von einem so ruhmreichen Heere umgeben.

Meine Hand soll das Wohl und das Recht aller in allen Schichten der Bevölkerung hüten, sie soll schüßend und fördernd über diesem reichen Leben walten. Es ist Preußens Bestimmung nicht, dem Genuß der erworbenen Güter zu leben. In der Anspannung seiner geistigen und sittlichen Kräfte, in dem Ernst und der Aufrichtigkeit seiner religiösen Gesinnung, in der Vereinigung von Gehorsam und Freiheit, in der Stärkung seiner Wehrkraft liegen die Bedingungen seiner Macht; nur so vermag es seinen Rang unter den Staaten Europas zu behaupten.

Ich halte fest an den Traditionen meines Hauses, wenn ich den vaterländischen Geist meines Volkes zu heben und zu stärken mir vorsete. Ich will das Recht des Staates nach seiner geschichtlichen Bedeutung befestigen und ausbauen und die Institutionen, welche König Friedrich Wilhelm IV. ins Leben gerufen hat, aufrecht erhalten. Treu dem Eide, mit welchem ich die Regentschaft übernahm, werde ich die Verfassung und die Geseße des Königreichs schirmen. Möge es mir unter Gottes gnädigem Beistande gelingen, Preußen zu neuen Ehren zu führen!

Meine Pflichten für Preußen fallen mit meinen Pflichten für Deutschland zusammen. Als deutschem Fürsten liegt mir ob, Preußen in derjenigen Stellung zu kräftigen, welche es vermöge seiner ruhmvollen Geschichte, seiner entwickelten Heeresorganisation unter den deutschen Staaten zum Heile aller einnehmen muß.

1861.

1861.

19. 1.

Das Vertrauen auf die Ruhe Europas ist erschüttert, ich werde mich bemühen, die Segnungen des Friedens zu erhalten. Dennoch können Gefahren für Preußen und Deutschland heraufziehen. Möge dann jener Gott vertrauende Mut, welcher Preußen in seinen großen Zeiten beseelte, sich an mir und meinem Volke bewähren und dasselbe mir auf meinen Wegen in Treue, Ge= horsam und Ausdauer fest zur Seite stehen! Möge Gottes Segen auf den Aufgaben ruhen, welche sein Ratschluß mir übergeben hat. Wilhelm.

296]

Ansprache im Freimaurer-Orden.

19. Januar 1861.

Ich bin absichtlich heute in der Trauerloge1) unter Ihnen erschienen, um Ihnen zu beweisen, daß troß der anderen Stellung, die der Himmel mir in der Außenwelt gegeben hat, ich im Bruderkreise derselbe bleibe. Ich werde derselbe bleiben, wenn Sie, meine Brüder, dieselben bleiben.

Und in der Audienz, welche die drei Großmeister aus Anlaß der Thron besteigung bei dem Könige hatten, sagte er:

Als König bin ich Ihr Schußherr. Aber ich will Ihnen auch ferner in meiner bisherigen Eigenschaft als Protektor angehören und als solcher, soviel ich kann, die Logen besuchen. Sie sehen aber wohl ein, daß mir das bei meinen Pflichten etwas schwer werden wird. Die gewöhnlichen Geschäfte des Protektorats werde ich meinem Sohne, dem Kronprinzen, übertragen und ihm dafür eine Vollmacht ausstellen. Er kann auch dem Großmeisterverein präsidieren. Doch wünsche ich, daß mir jedesmal von den Versammlungen des Großmeistervereins mit Angabe des Gegenstandes der Verhandlungen Anzeige gemacht werde, damit ich, wo es erforderlich, meinerseits meine Entschließungen darüber treffen, oder meine Ansichten mitteilen, in wichtigen Angelegenheiten auch selbst den Vorsiz führen kann.

Zu 296) 1) Für den verstorbenen König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen.

297]

An den Kriegsminister v. Roon.

Berlin, 27. Mai 1861, 1212 Uhr nachts. Daß der Verlauf dieser Woche das Maß meiner Leiden 1861. voll machen würde, war ich erwart.nd; daß aber der erste Tag 27. 5. derselben in seiner letzten Stunde dies Maß schon füllen würde, ahndete mir nicht! Vermutlich hat General v. Manteuffel Jhnen bereits auch Mitteilung von seinem heute vollzogenen Duel! mit dem p. Twesten jun. gemacht,1) den er verwundet, während er unverlegt blieb. Die zwei Anlagen werden Sie über alles aufklären, wenn Sie es noch nicht sein sollten.

Das Nächste, was zu tun ist, ist wohl, daß ich ihn sofort von seinen Funktionen suspendiere, wie er es selbst verlangt, und General Alvensleben sofort die Geschäfte übertrage. Nächstdem, glaube ich, wird nichts übrig bleiben, als das kriegsrechtliche Verfahren gegen ihn eintreten zu lassen so wie mein seliger Vater gegen den damaligen Major v. Thile (1818) verfuhr. Doch darüber mündlich das Weitere. So sehr wie Ihre Zeit auch in diesen Tagen beschränkt ist, so muß ich Sie doch schon morgen früh um 8 Uhr sprechen.

In diesem Moment Manteuffels Dienste zu entbehren, der Triumph der Demokratie, ihn aus meiner Nähe gejagt zu haben, das Aufsehen, was dies Ereignis in meiner allernächsten Umgebung machen muß, das sind Dinge, die mir fast die Sinne rauben können, weil es meiner Regierung einen neuen unglüdseligen Stempel aufdrüdt!! Wo will der Himmel mit mir hin! Wilhelm.

3u 297) 1) Der Stadtgerichtsrat Twesten in Berlin hatte unter dem Titel „Was uns noch retten kann“ ganz im fortschrittlichen Sinne eine Schrift erscheinen lassen, in der er den General v. Manteuffel „einen unheilvollen Mann in einer unheilvollen Stellung“ genannt hatte. Unter dem Hochdruck, mit dem die Fortschrittspartei damals handelte, glaubten hochstehende konservative Beamte — obwohl der liberale Minister Graf v. Schwerin Maßregelungen nichtLiberaler Beamten verweigerte daß sie systematisch verleumdet würden, um den König zu zwingen, sie ebenso wie den Berliner Polizeipräsidenten v. Zedlig zu entlassen. Auch der König sah System in diesen Verfolgungen der Presse, die ihn selbst als den Liberalen hinstellte, der nur durch seine konservative Umgebung an der Ausführung seiner Ideen gehindert werde. Manteüffel beantragte vergeblich beim Kriegs- und Justizminister gegen den Verfasser der Schrift die

1861.

298] Zusaß zu einem Staatsministerial- Protokoll.') Baden, 13. Juli 1861.

Des Königs Majestät bemerkten hierzu, daß auch Allerhöchst 13. 7. Sie diese Fortentwicklung der inneren Gesetzgebung, welche der Minister Graf Schwerin abermals für ebenso erwünscht wie erwartet erklärt hatte, wollten, daß dazu aber nicht erforderlich sei, daß gewisse reponierte Geseze unverändert angenommen würden. Die ersten Beamten der Krone wären berufen, dem Souverän ihre Gesetzesvorlagen zu machen; dieser habe sie zu prüfen und bei Nichteinverständnis eine Ausgleichung und Annäherung der Ansichten zu versuchen. Ein Wille und eine Ansicht müsse zuletzt entscheiden, und dies sei die des Königs. Wer von den Ministern sich dessen Entscheidung und Gewissensüberzeugungen nicht anzuschließen vermöge, müsse dann allerdings zurüdtreten.

1861.

299] Aufzeichnungen über das Attentat des Studenten Becker aus Odessa.

Baden-Baden, 14. Juli 1861, 11 Uhr vormittags.

Als ich heute in der Lichtenthaler Allee ging, früh 29 Uhr, 14. 7. ging ein junger, ungefähr zwanzigjähriger Mann bei mir vorüber, von hinten kommend und grüßte mich auf eine besonders freundliche, fast herzliche Art, indem er, den Hut abnehmend, denselben mehrere Male grüßend senkte. Da er bald darauf seine Schritte verkürzte, so ging ich wieder an ihm vorüber, wobei er nochmals grüßte. Dies geschah wenige Schritte vor und hinter dem Hause, in welchem früher der Maler v. Beyer

Klage wegen Beamienbeleidigung einzuleiten, und forderte Twesten, der sich
ihm als Verfasser genannt hatte, zum Duell, bei dem er Twesten verwundete.
Er wurde zu kurzer Festungshaft verurteilt und alsbald begnadigt. Die
Angelegenheit des Majors v. Thile ist uns nicht bekannt.

Zu 298) 1) Eigenhändiger Zusaß des Königs zu dem Protokoll einer
Staatsministerial-Sizung, in der unter anderem über die Frage der Krönung ver-
handelt war. Der Gegenstand, der speziell die Veranlassung dem Könige zu dieser
Notiz gegeben hat, ist nicht bekannt.

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