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1866. Flanke des Feindes vorgehen. Erst um Mitternacht hatte ich

mit General Moltke alles festgestellt, bestimmte meinen Aufbruch auf 5 Uhr früh, da die Armee sofort nachts 2 Uhr den Marsch anzutreten hatte. Ich hatte fast vier Meilen zu fahren und glaubte immer noch nicht recht an die Richtigkeit der Annahme, daß der Feind diesseits der Elbe stehen könne. Aber nur zu bald sollte sich die Richtigkeit herausstellen. Als ich in einem kleinen Dorfe, Dub, zu Pferde stieg, regnete es und dauerte derselbe mit langen Unterbrechungen den Tag über an. Schon bei den Truppen vorüberfahrend, wurde ich fortwährend von denselben mit Hurra begrüßt. Das Gefecht fing soeben 8 Uhr mit Artilleriefeuer des 2. Korps an, als ich in Sadowa ankam und auf einer Höhe Posto faßte; dies Korps stand rechts von hier. Die Division Horn (8. Division) ging bei Sadowa über die Bistritz und griff vorliegende waldige Höhen an, gewann bei der Heftigkeit der Verteidigung wenig Terrain, die siebente Division (Fransedy) entwickelte sich mehr links, mit gleich schwankendem Erfolge, Herwarth griff schon nach 11⁄2 Stunden, von Nechanih kommend, ins Gefecht ein, welches von nun an fast während fünf Stunden hauptsächlich in Artilleriegefecht bestand, untermischt mit Infanteriegefecht in waldigen Bergen. Mit Sehnsucht sahen wir dem Eintreffen der Zweiten Armee entgegen, denn bei diesem langen Artilleriekampfe mußte dieselbe bereits mehrere Male ihre Reserve-Munition verausgaben. Das Infanteriegefecht schwankte hin und her. Endlich entdeckten wir die ersten Spuren der Annäherung des Garde-Korps, aber das Gefecht konnte man nicht sehen, indem es jenseits einer Höhe vor sich ging und man nur dasselbe aus der feindlichen Flankenstellung annehmen konnte. Troß dieser Umgehung und trotz des allmählichen, sehr langsamen Vordringens Herwarths hielt der Feind in dem Zentrum immer noch festen Stand. Jezt wurde die 5. Brigade (Schimmelmann), Leib-, 48. Regiment zur Unterstützung des Angriffes auf das Zentrum vorgenommen. Ich ritt durch die Regimenter durch, die mich mit lautem Jubel begrüßten (während Piefke im Marsche „Heil dir im Siegerkranz" usw. blies, ein ergreifender Moment). Plötzlich wurde

das Artilleriefeuer im Zentrum schwächer und wurde Kavallerie 1866. verlangt, ein Zeichen, daß der Feind anfange zu weichen. Jezt verließ ich meine Höhe, weil der Sieg anfing, sich durch den Flankenangriff der Zweiten Armee zu entscheiden, und ritt mit der Kavallerie vor.

Hier stieß ich zuerst auf die im vollen Avancieren begriffene (Tambour battant) 2. Garde-Division und Teile des FüsilierRegiments inmitten eben genommener zwölf Kanonen. Der Jubel, der ausbrach, als diese Truppen mich sahen, ist nicht zu beschreiben, die Offiziere stürzten sich auf meine Hände, um sie zu küssen, was ich diesmal gestatten mußte, und so ging es, allerdings im Kanonenfeuer, immer vorwärts und von einer Truppe zur anderen und überall das nicht endenwollende Hurrarufen! Das sind Augenblicke, die man erlebt haben muß, um sie zu begreifen, sie zu verstehen! So traf ich auch noch die Truppen des 1., 6. und 5. Armeekorps, auch mein InfanterieRegiment; vom 8. Korps nur das 8. Jäger- und vom 7. nur das 17. Regiment, die übrigen waren zu weit schon entfernt in Verfolgung des Feindes. Jezt brachen unsere Kavallerie-Regimenter vor, es kam zu einem Kavalleriegefecht vor meinen Augen, Wilhelm an der Spitze seiner Brigade, 1. Garde-Dragoner-, Ziethen-Husaren-, 11. Ulanen- (Hohenlohesches) Regiment gegen österreichische Kürassiere, Ulanen, die total kulbutiert wurden, und das Gefechtsfeld, das ich gleich darauf beschritt, sah fürchterlich aus, von zerhauenen Österreichern, tot, lebend! So avancierte dann wieder die Infanterie bis zum Talrande der Elbe, wo jenseits dieses Flusses noch sehr heftiges Granatfeuer erfolgte, in das ich auch geriet, aus dem mich Bismarck ernstlich entfernte. Ich ritt aber nun noch immer umher, um noch ungesehene Truppen zu begrüßen, wo ich Mutius, Württemberg und Bonin auch antraf. Alle diese Wiedersehen waren unbeschreiblich!! Steinmetz, Herwarth fand ich nicht. Wie sah das Schlachtfeld aus! Wir zählten 35 Kanonen, es scheinen über 50 genommen zu sein, mehrere Fahnen, alles lag voller Gewehre, Tornister, Patronentaschen, wir rechnen bis heute 12000 Gefangene; hier befinden sich 50 gefangene Offiziere. Aber nun den Revers

1866. der Medaille. Unser Verlust ist noch nicht ermittelt, er wird hoch sein. Daß General Hiller von der Garde geblieben ist, wirst Du schon wissen, ein großer Verlust! Anton Hohenzollern hat vier Gewehrkugeln im Bein! ich weiß nicht, wie es ihm heute geht! er soll enorm brav gewesen sein. Erdert ist schwer blessiert, ebenso Oberst Obernih am Kopfe. Das 1. GardeRegiment hat solche Verluste, daß aus zwei Bataillonen eins formiert ist!! In welcher Aufregung ich war, kannst Du denken! Und zwar der gemischten Art!! Freude und Wehmut. Endlich begegnete ich noch spät 8 Uhr Fritz mit seinem Stabe! Welch ein Moment nach allem Erlebten und am Abend dieses Tages! Ich übergab ihm selbst den Orden pour le mérite, so daß ihm die Tränen herabstürzten, denn er hatte mein Telegramm mit der Verleihung nicht erhalten! Also völlige Überraschung! Einstens alles mündlich. Erst um 11 Uhr war ich hier, ohne alles, so daß ich auf einem Sofa kampierte.

1866.

392] Aufzeichnung der geplanten Friedensbedingungen. Hořricz, 5. Juli 1866.

Was fordern wir ?1) Annexion von Schleswig-Holstein, 5. 7. deutsche Bundesreform unter preußischer Leitung oder — wie der König es jetzt ausdrückte - Suprematie über ganz Deutschland. Dazu dann als einzige Folge der beispiellosen Triumphe: Ersah der Kriegskosten, Abdikation der feindlichen Souveräne von Hannover, Kurhessen, Meiningen, Nassau zugunsten ihrer Thronfolger; Abtretung etwa eines böhmischen Grenzstrichs, Ostfrieslands, der Erbansprüche auf Braunschweig. — Oder abschlagen?

Bu 392) 1) So gibt Sybel, aber wohl nicht wörtlich, die eigenen Aufzeichnungen des Königs auf den Einmischungsversuch Napoleons wieder. Bis marck läßt in den Gedanken und Erinnerungen" fort die Kriegskosten und Erbansprüche auf Braunschweig, fügt aber noch Österreichisch-Schlesien hinzu. In einem späteren Stadium hat der König Teile von Sachsen, Hessen und Hannover und besonders Ansbach und Bayreuth wiedererwerben wollen. Den böhmischen Grenzstrich beanspruchte der König auf Veranlassung des Prinzen Friedrich Karl aus militärischen Gründen.

393]

An Kaiser Napoleon.

Hořricz, 5. Juli 1866.

5. 7.

Sire! Guidé par la confiance que m'inspirent l'affection 1866. mutuelle et la solidarité d'intérêts importants de nos deux pays, j'accepte la proposition que V. M. m'a faite et je suis prêt à m'entendre avec Elle sur les moyens de retablir la paix. Hier déjà le général de Gablenz m'a demandé un armistice en vue de négociations directes. Par un télégramme chiffré à l'adresse de mon ambassadeur j'indiquerai à V. M. les conditions dans lesquelles la situation militaire et mes engagements envers le roi d'Italie me permettront de conclure un armistice.

394

An den Kurfürsten von Hessen.

Hauptquartier Hořricz, 6. Juli 1866.

6. 7.

Mit Rücksicht1) auf das von Euer Königlichen Hoheit mir 1866. mitgeteilte Zunehmen der Cholera in Stettin ersuche ich Euer Königliche Hoheit, Ihren Wohnsih nach Königsberg zu verlegen, woselbst das Schloß zu Ihrer Aufnahme in Bereitschaft gesekt ist. Es wird mir schwer, dem Wunsche Euer Königlichen Hoheit, sich nach der Schweiz zu begeben, nicht entsprechen zu können, solange Eure Königliche Hoheit nicht Ihre Truppen zurüðgerufen haben und ein Bündnis mit mir schließen. Sobald dies festgestellt und die kurfürstlichen Truppen als Bundesgenossen bei den meinigen eingetroffen sein werden, wird der Erfüllung des Wunsches Euer Königlichen Hoheit kein Hindernis im Wege stehen. Wilhelm.

Zu 393) 1) Dies Telegramm und ein zwei Tage später an den Kurfürsten gerichteter Brief desselben Inhalts zeigen, wie wenig der König damals an Annexion dachte.

Sykl

1866.

13. 7.

1866.

24. 7.

395] Antwort an den Bürgermeister von Brünn
Dr. Giskra.1)

[13. Juli 1866.]

Allerdings hat mich das Kriegsglück, aber auch die Tapferkeit meiner Armee in Ihre Stadt geführt, und Gott weiß, daß dieser Krieg weder in meiner Wahl noch in meinem Willen gelegen, sondern bin ich dazu durch den Monarchen gezwungen worden, dessen Armee ich jetzt, aber nicht die friedlichen Bürger seines Landes bekriege. Bei einer solchen Truppenmacht, wie ich sie diesmal habe ins Feld stellen müssen, können auch wohl Fälle eintreten, und kann es überhaupt gar nicht vermieden werden, daß in einzelnen Fällen gerechte Beschwerden vorkommen. Dergleichen muß getragen werden, wie in jedem Kriege. Wenn die Bewohner des Landes mit Lieferung der zum Leben unumgänglich erforderlichen Bedürfnisse überall meinen Truppen entgegengekommen wären, dann würden auch keine unbilligen Forderungen gestellt worden sein. Sagen Sie das Ihren Mitbürgern !

396] Randbemerkung auf eine Eingabe des Ministerpräsidenten Grafen v. Bismarck.1)

[Nitolsburg, (24.?) Juli 1866.] Nachdem mein Ministerpräsident mich vor dem Feinde im Stiche läßt und ich hier außerstande bin, ihn zu ersetzen, habe ich die Frage mit meinem Sohne erörtert, und da sich derselbe der Auffassung des Ministerpräsidenten angeschlossen hat, sehe ich mich zu meinem Schmerze gezwungen, nach so glänzenden Siegen der Armee in diesen sauren Apfel zu beißen und einen so schmachvollen Frieden anzunehmen.

3u 395) 1) Dr. Giskra sollte auch bei den Friedensverhandlungen gebraucht werden.

Zu 396) 1) Vgl. Nr. 392. Auf Veranlassung des Kronprinzen gab der König dem Bismarckschen Rat nach, gestand die Integrität Österreichs und Sachsens sowie der nicht annektierten Bundesländer zu und verzichtete auf die Einnahme von Wien. - Der Wortlaut ist nur nach der Erinnerung des Fürsten Bismarck bekannt.

Im Verlauf der mit den süddeutschen Staaten in Berlin geführten Friedensverhandlungen richtete Kaiser Alexander von Rußland zugunsten der ihm verwandten Höfe von Stuttgart und Darmstadt ein Schreiben an König Wilhelm,

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