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Troß der preußischen Zündnadel, trotz Düppel und Alsen, war der Krieg nicht so ausgefallen, daß man hätte urteilen können: Die preußische Waffenführung sei der österreichischen unbedingt überlegen! Im Gegenteil, im ersten Stadium des Kriegs hatten sich fast allein die Österreicher mit Ruhm bedeckt. Die fortschrittliche Opposition behauptete nun: Preußen habe sich durch das Bündnis mit Österreich) die Gestaltung der Herzogtümer unnötig erschwert! Darauf erwidert Bismarck: „Ich glaube, meine Herren, daß die Nüglichkeit dieses Bündnisses während der vergangenen Phase von der Zukunft in ein helleres Licht gestellt werden wird, als die bisherigen Ereignisse, so weit sie zu Tage liegen, es getan haben, und als ich selbst im Augenblick imstande bin, cs zu tun." Er konnte leicht darlegen: Daß auf dem Wege des Bundeskrieges gegen Dänemark Österreich als Präsidialmacht bei der Entscheidung über die Herzogtümer einen weit gewichtigeren Einfluß gewonnen hätte, als durch das Bündnis mit Preußen; von der Tunlichkeit eines isolierten preußischen Vorgehens gar nicht zu reden! Was werden sollte, konnte zur Zeit nur angedeutet werden. Im Juni des Jahres, also in der Zeit der gefährlichen Spannung mit Österreich, sagte Bismarck bei Gelegenheit der Verhandlung über die Anleiheforderung für Marinezwecke: Könnten wir uns rechtzeitig klar im voraus über alle Pläne der Zukunft Ihnen gegenüber aussprechen, ich glaube, Sie würden mehr davon billigen, als Sie bisher zu tun sich getrauen. Ließen sich Ihnen die Gründe, die zur Abschließung der russischen Konvention uns bestimmt haben, vollständig klarlegen, ohne Verletzung der auswärtigen Beziehungen, ich glaube, die meisten von Ihnen würden sie billigen. Ich kann nur erwähnen, daß die Konvention uns in der ganzen dänischen Frage nichts geschadet hat, und daß es zweifelhaft ist, ob ohne diesen Vorgang das Verhältnis Rußlands zu uns für alle vergangenen und zukünftigen Phasen dieser Frage so freundschaftlich sein würde, wie es in Wirklichkeit ist“. Seit 1863 hätten die Ziele der Regierung nicht gewechselt. „Könnten wir auch jetzt Ihnen die Wahrscheinlichkeiten, die wir haben, unsre Politik

in den Herzogtümern durchzuführen, die Wege, auf denen wir dies zu erreichen gedenken, mit derjenigen Klarheit auseinandersehen, mit der ich es Sr. Majestät dem Könige gegenüber imstande bin, sie zu entwickeln: Ich glaube, Sie würden in der Heftigkeit der Opposition gegen das, was wir treiben, einigermaßen nachlassen." Die Kammer sei nicht eingeweiht in die Technik diplomatischer Geschäfte. Spöttisch weist der Minister die Behauptung zurück: Daß die Regierung in der schleswigholsteinschen Frage doch der Richtung des öffentlichen Geistes und der Landtage gefolgt sei. „Haben Sie mit der Verweigerung der Anleihe.. Düppel und Alsen erobert, dann, meine Herren, habe ich auch die Hoffnung, daß aus Ihrer Verweigerung der jetzigen Anleihe auch eine preußische Flotte hervorgehn werde." Solche Vorhaltungen mußten die Opposition in Verlegenheit seßen. Und wie stand es nun um ihr Eintreten für den Augustenburger? Auch hier war Bismarck der Spott nicht zu verübeln, wenn er sagte: „Jedenfalls ist das, was damals Ihr Jdeal war, jezt für die preußische Regierung das Minimum des Erreichbaren . . . Wir können das, was Sie vor 1/2 Jahren als Höchstes erstrebten, in jeder Viertelstunde ins Werk sehen; einen unabhängigen schleswig holsteinschen Staat, sogar mit einigen mäßigen, uns aber nicht genügenden Vorteilen für Preußen es bedarf nur einer in einer Viertelstunde aufzusetzenden Erklärung der königlichen Regierung, und der Staat wäre geschaffen." Schließlich, da das Abgeordnetenhaus alle Finanzforderungen der im Verfassungsbruche beharrenden Regierung verwarf, konnte Bismarck von der impotenten Negative der Volksvertretung sprechen. Seine vollkommene Überlegenheit in der gegenwärtigen Lage der Dinge war unzweifelhaft! Wenn auch jezt der Abgeordnete Virchow sagte: Selten habe ein leitender Staatsmann solche Sprünge gemacht; alles hänge bei ihm vom Zufall ab! so antwortete Bismarck schlagfertig, mit ironischer Gelassenheit: „Nehmen Sie immerhin an, daß alles was geschehn ist, rein zufällig geschah, daß die preußische Regierung daran vollständig unschuldig ist, daß wir der Spielball fremder Intriguen und äußerer Ein

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flüsse gewesen sind, deren Wellenschlag uns zu unsrer eignen Ueberraschung an die Küste von Kiel ans Land geworfen hat. Nehmen Sie das immerhin an, mir genügt es, daß wir da sind, und ob Sie uns dabei ein Verdienst zuschreiben oder nicht, ist mir vollständig gleichgültig." Bald darauf wurde der Landtag geschlossen. In der Schlußzrede sagt Bismarck: Die Regierung lebt der Zuversicht, daß der Weg, den sie bisher innegehalten, ein gerechter und heilsamer gewesen ist, und daß der Tag nicht mehr fern sein kann, an welchem die Nation. . durch den Mund ihrer geordneten Vertreter ihrem königlichen Herrn Dank und Anerkennung aussprechen werde.“ Das war am 17. Juni 1865. Erst im Januar des folgenden, ereignisreichen Jahres trat der Landtag wiederum zusammen.

2. Bis zum Ausbruch des Krieges.

Die Entwicklung der Dinge zwischen Preußen und Österreich, vom Vertrage von Gastein bis zum Kriegsausbruch, vollzieht sich folgendermaßen:

1. Am 18. November 1865 legtes gemeinsames Vorgehn Preußens und Österreichs in der schleswig-holsteinschen Frage. Sie erklären am Bundestage: Daß sie zu geeigneter Zeit die Landtage der Herzogtümer berufen würden; die Aufnahme Schleswigs in den Deutschen Bund könne gegenwärtig nicht erörtert werden.

2. Im Dezember: Beginn einer neuen Spannung zwischen Preußen und Österreich; letzteres begünstigt wiederum die Agitation für den Prinzen von Augustenburg in Holstein. Auf Bismarcks Einspruch im Januar 1866, laut des Gasteiner Vertrags, weist Mensdorff am 7. Februar die Einmischung Preußens in die österreichische Verwaltung Holsteins zurück. Bismarck stellt den Bruch der Allianz fest.

3. Jm März erste militärische Vorkehrungen Österreichs, dann Preußens.

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4. Am 8. April Abschluß des geheimen Bündnisses zwischen Preußen und Italien.

5. Am 9. April Bismarcks Reformvorschläge am Bunde, zur Berufung einer deutschen Volksvertretung, auf Grund des allgemeinen und direkten Wahlrechts und zu festem Termin. Die Verhandlungen verlaufen ergebnislos.

6. Die Abrüstungsverhandlungen zwischen Preußen. und Österreich scheitern, nachdem lettres am 21. April die Südarmee mobilisiert und Italien am selben Tage mobil gemacht hat. Am 28. mobilisiert Österreich gegen Preußen die Nordarmee. Anfang Mai mobilisiert Preußen; im selben Monat allgemeine Mobilisierung in Deutschland.

7. Am 1. Juni: Österreich übergibt die schleswig-holsteinsche Frage dem Bunde und beruft die holsteinsche Ständeversammlung. Bismarck erklärt den Gasteiner Vertrag für gebrochen. Am 10. Juni legt er den deutschen Regierungen den Entwurf einer Bundesstaatsverfassung, mit preußischer Leitung und Ausschluß Österreichs, vor. Am 13. Juni beschließt der Bundestag, auf Grund eines Antrages Österreichs: Die Armeekorps der Mittelstaaten zu mobilisieren, um der Störung des Bundesfriedens durch Preußen entgegenzutreten. Am 15. Juni stellt Preußen Hannover, Kurhessen und Sachsen das Ultimatum: Zu entwaffnen und sich dem neuen Bunde unter Preußen anzuschließen. Nach Ablehnung der Forderung: Am 16. Juni Beginn des Krieges Preußens gegen Österreich und dessen deutsche Bundesgenossen.

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Nachdem Bismarck durch den Vertrag von Gastein dem Ziel der Annexion der Herzogtümer so innig nahe gekommen war der König erhob ihn jezt in den Grafenstand —, konnte auch der Harmloseste nicht mehr daran zweifeln: Daß er mit zielbewußter Energie darauf aus war, den Kampf um die Vorherrschaft in Deutschland zum Austrag zu bringen! Nach dem Tage

von Gastein stand Österreich am Scheidewege! Entweder entschloß es sich für unbedingte Vertragstreue, oder dazu, seine eignen Wege zu gehn, um Preußens Begehrlichkeit einen Riegel vorzuschieben! Wie wir schon sahen, bei der mißlichen inneren Lage des Staates, bei Italiens, von Napoleon genährter Begier nach Venetien, bei dem Mangel jeglicher Allianz, mußten die Wiener Machthaber sich sagen: Daß eine preußenfeindliche Politik das gefährlichste Wagestück sei, das Österreich zur Zeit unternehmen könne! Aber wenn man auch in Wien die Schwierigkeit der eignen Lage empfand, so war man doch zu keiner Handlung bereit, welche sie wirklich entlastet hätte! Österreich hatte seinen Anteil an Lauenburg an Preußen verkauft. Es mit Holstein ebenso zu machen, konnte es sich nicht entschließen; es heischte Landabtretung in Preußisch-Schlesien, und darin hätte König Wilhelm nie gewilligt. Gewiß, es lastete ein Odium darauf, wenn Österreich abermals auf einen Volksverkauf einging! Wenn auch die Folge davon nur die Angliederung Deutscher an Deutsche war, so hätte sich doch Österreich in Deutschland um alles Ansehn gebracht und den Deutschen Bund geradezu erschlagen, wenn es seine angebliche nationale Mission wiederum dadurch betätigte, daß es ein deutsches Bundesland an Preußen verschacherte. Eher konnte es Italiens Ansuchen erfüllen: Venetien für 1000 Millionen Lire abzutreten. Es lag auf der Hand: Auf friedliche, nußbringende und moralisch unanfechtbare Art konnte Österreich die schleswig-Holsteinsche Frage nur schließen, wenn es das entlegene Holstein an Preußen ohne andres Entgelt abgab, als das eines österreichisch-preußischen Bündnisses zur Abwehr äußerer Gefahren von dem eignen Staate! Ein solches Bündnis war nach allen Erfahrungen von Preußen nur zu erlangen, wenn Österreich seine hegemonistische Politik endgültig aufgab und Preußens Gleichberechtigung in Deutschland anerkannte. Indes, der große Entschluß, die seit den Tagen des Fürsten Schwarzenberg befolgte nußlose Politik aufzugeben, dämmerte in den Seelen der Wiener Staatsmänner nicht auf! Immer wieder hatte man erlebt: Daß Österreich gegen

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