Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

diesem Sinne wollen wir abwarten, was wird; ich habe kein eigenmächtiges Begehren ausgesprochen und dränge mich zu nichts." Später teilt er Johanna mit: Der König habe vorgeschlagen, ihn sofort zum Gesandten zu ernennen; doch man sei übereingekommen, daß er erst nach zwei Monaten Rochows Nachfolger werde. Demnächst will er sich in Frankfurt das Terrain darauf ansehn, ob da wohl seines Bleibens sein könnte oder ob der diplomatische Dienst nichts für ihn sein dürfte. "Ihr habt Euch oft beklagt, daß man aus mir nichts macht von oben her; nun ist dies über mein Erwarten und Wünschen eine plötzliche Anstellung auf dem augenblicklich wichtigsten Posten unsrer Diplomatie; ich habe es nicht gesucht, der Herr hat es gewollt, muß ich annehmen, und ich kann mich dem nicht entziehn, obschon ich voraussehe, daß es ein unfruchtbares und dornenvolles Amt sein wird, wo ich bei dem besten Bemühn die gute Meinung vieler Leute einbüßen werde. Aber es wäre feig, es abzulehnen." In einem folgenden Briefe tröstet er die Gattin, welche der Zukunft mit Bangen entgegensieht. Mein süßes, liebstes Herz, warum so traurig? Es ist ja so schön im fremden Lande, aber mir sind die Tränen fast nah, wenn ich an das ländliche Stillleben mit Dir und Zubehör denke, was mir vielleicht auf lange in ferner Traumregion schwebt und jetzt gerade reizender erscheint als je. Was sprichst Du von langer Trennung, mein Engel? Mach Dich mit dem Gedanken vertraut, daß Du mitmußt in den Winter der großen Welt; woran soll ich sonst mich wärmen? ... Lichte die Anker Deiner Seele und bereite Dich, den heimatlichen Hafen zu verlassen!... Aber ich wiederhole, ich habe mit keiner Silbe herbeigeführt oder auch nur erwünscht, was geschieht; ich bin Gottes Soldat, und wo er mich hinschickt, da muß ich hingehn, und ich glaube, daß er mich schickt, und mein Leben zuschnitt, wie Er es braucht." Gerlach macht nun bei ihm den diplomatischen Einpauker. Ich war heute Mittag,“ schreibt Bismarck, ... „bei General Gerlach, und während er mir von Verträgen und Monarchen dozierte, sah ich, wie im Vossischen Garten unter den Fenstern der Wind wühlte in den Kastanien- und Fliederblüten,

"

und hörte die Nachtigallen, und dachte, wenn ich mit Dir im Fenster der Tafelstube stände und auf die Terrasse sähe, und wußte nicht, was G. redete.... Dein Brief ... kam gestern Abend, und ich wurde so traurig und sehnsuchtskrank, daß ich weinen mußte, wie ich im Bette lag, und Gott recht innig bitten, daß er mir Kraft gebe, meine Pflicht zu tun.“

So steht Otto v. Bismarck in tief innerlicher Bewegung am entscheidenden Wendepunkt seines Lebens, fern von heftigem Begehren, frei von Überhebung, bedenkend, ob er den richtigen Weg einschlage, und wohl wissend, daß er ein friedliches Dasein aufgibt, vielleicht für immer. Aber mit religiöser Ergebenheit nimmt er das ihm Gebotene als eine Fügung Gottes, der, wo nur er selbst und die Seinen in Frage kommen, Anfang und Ende seines Denkens ist. Es ist sein aufrichtiges Bekenntnis: Jch ziehe aus mit Gott! Ob er mit ihm zusammenbleibt und mit ihm zurückkehrt, steht dahin. Er stellt sich nur das Prognostikon: Daß er auf seinem neuen Wege die gute Meinung vieler einbüßen werde. Er scheint zu ahnen: Daß, sozusagen, ohne den Teufel keine diplomatischen Geschäfte zu machen sind!

Wie Friedrich Wilhelm IV. ihn in die diplomatische Laufbahn aufnimmt, schildert Bismarck in seinen Denkwürdigkeiten. Der König sagt zu ihm: Sie haben viel Mut, daß Sie so ohne weiteres ein Ihnen fremdes Amt übernehmen." Bismarck: „Der Mut ist ganz auf Seiten Eurer Majestät, wenn Sie mir eine solche Stellung anvertrauen; indessen sind Eure Majestät ja nicht gebunden, die Ernennung aufrecht zu erhalten, sobald sie sich nicht bewährt. Ich selbst kann keine Gewißheit darüber haben, ob die Aufgabe meine Fähigkeit übersteigt, ehe ich ihr näher getreten bin. Wenn ich mich derselben nicht gewachsen fühle, so werde ich der erste sein, meine Abberufung zu erbitten. Ich habe den Mut zu gehorchen, wenn Eure Majestät den haben, zu befehlen.“ Der König: Dann wollen wir es versuchen."

Am 8. Mai 1851 erfolgt Bismarcks Ernennung zum Rat bei der preußischen Gesandtschaft am Bundestage und zum Geheimen Legationsrat. Nach wenigen Tagen ist er

Klein-Hattingen.

9

mit seinem einstweiligen Chef, v. Rochow, und mit dem Legationsrat v. Gruner, in Frankfurt.

2. In Frankfurt am Main.

1851-1857.

Acht Jahre der Tätigkeit Bismarcks am Bundestage liegen nun vor uns. Es ist unsre Aufgabe, das Wesentliche der Welt, in der er wirkt, zu veranschaulichen und dabei von ihm selbst das Charakterbild des Gesandten zu gewinnen. Diese Aufgabe wird übersichtlicher, wenn wir die folgenden Themata aufstellen: Erste Orientierung in Frankfurt Preußens Intentionen am Bundestage Österreichische Diplomaten: Schwarzenberg, Thun Bismarcks erste diplomatische Diversion von Österreich und dem Bunde Die Krisis im Deutschen Zollverein Der Bona partismus Bismarck in Wien: Buol, Kaiser Franz Joseph Thuns Nachfolger: Prokesch

renzen

[ocr errors]

Nikolaus I.

[ocr errors]

Napoleon III.

Der Krimkrieg Bismarck und die Pariser FriedenskonfeIntimer Verkehr Bismarcks mit Leopold v. Gerlach und Otto v. Manteuffel Bismarcks diplomatische Anschauungen im Ausgang Friedrich Wilhelms IV.

Wir sahen schon, daß Bismarck mit der Besonnenheit des ernsten Mannes in die diplomatische Laufbahn eintritt. Wie daheim, zeigt er sich auch in der Zeit seiner ersten Orientierung in Frankfurt tatwillig, doch zuwartend und beständig darauf bedacht, sein Familienglück, in dem er ganz und gar wurzelt, in das neue, dornenvolle Leben hinüberzuretten. Die Tage ländlicher Jdylle sind für ihn vorbei. „Ich muß mich nun gewöhnen,", schreibt er der Gattin aus Frankfurt, „cin regelmäßiger, trockner Geschäftsmann zu sein, viel und feste Arbeitsstunden zu haben, und alt zu werden; Spiel und Tanz sind vorbei, Gott hat mich auf den Fleck gesetzt, wo ich ein ernster Mann sein und dem Könige und dem Lande meine Schuld bezahlen muß. Seinen Willen nach besten Kräften zu tun, bin ich entschlossen, und wenn mir Weisheit mangelt, werde Jch ihn bitten, Er gibt reichlich und rückt es niemand auf. Wollte Er nur Dich

und die Unsren in seiner treuen Obhut halten, ... darum bitte ich morgens und abends inniger als je und glaube an Erhörung.“ Seine allernächste Aufgabe, den gesellschaftlichen Boden Frankfurts zu studieren, beschäftigt ihn wesentlich in Beziehung auf die Gattin, welche in der Folge in das „kalte Bad der diplomatischen Gesellschaft“ wird steigen müssen. Er ist besorgt, daß sie dann eine gute Figur mache; sie möge, mahnt er, Französisch lesen und sprechen, sich mit dem nun einmal unvermeidlichen französischen Wesen bekannt machen. Aber es hängt das Leben nicht dran, Du bist meine Frau und nicht der Diplomaten ihre, und sie können ebenso gut Deutsch lernen, wie Du Französisch . . . ich habe Dich geheiratet, um Dich in Gott und nach dem Bedürfnis meines Herzens zu lieben, und um in der fremden Welt eine Stelle für mein Herz zu haben, . . . an der ich die Wärme des heimatlichen Kaminfeuers finde, an das ich mich dränge, wenn es draußen stürmt und friert; . . . Nimm die Änderung unsres Lebens nicht zu schwer und traurig; mein Herz hängt nicht, wenigstens nicht fest, an irdischer Ehre; ich gebe sie mit Leichtigkeit auf, wenn je unser Friede mit Gott oder unsre Zufriedenheit dadurch gefährdet sein könnte." In einem folgenden Briefe schreibt er, Frankfurt sei gräßlich langweilig; erst jetzt schätze er, was er daheim verlassen. Der Verkehr in Frankfurt sei nichts als ein gegenseitiges Ausspionieren; „es sind lauter Lappalien, mit denen sich die Leute hier quälen;" — die Diplomaten mit ihrer wichtig tuenden Aleinigkeitskrämerei sind ihm überaus lächerlich. „Jeder von uns stellt sich, als glaubte er vom andren, daß er voller Gedanken und Entwürfe stecke, ... und dabei wissen wir alle zusammen nicht um ein Haar besser, was aus Deutschland werden wird und soll, als Dutken Sauer. Kein Mensch, selbst der böswilligste Zweifler von Demokrat, glaubt es, was für Charlatanerie . . . in dieser Diplomatie steckt." Bei andrer Briefgelegenheit läßt er sich genauer über die Damen und Herren seines Verkehrs aus. Eins der besten Exemplare der großen Welt sei die Gattin des österreichischen Gesandten, Gräfin Thun, eine liebenswürdige, weibliche und sehr katholische Frau; aber auch sie sei ihm nur

[ocr errors]
[ocr errors]

ein Beweis, daß eine Frau aus dieser Welt nicht für ihn gepaßt haben würde; angenehm zum Umgang, aber nicht zum Heiraten. Die Herren sind hier unausstehlich. Sowie ich einen anrede, setzt er ein diplomatisches Gesicht auf und denkt nach, was er antworten kann, ohne viel zu sagen, und was er über meine Äußerungen nach Hause berichten kann. Die nicht so sind, fonvenieren mir noch weniger; sie reden Zweideutigkeiten mit Damen, und lettre gehn ekelhaft darauf ein . . . ich schätze die Thun deshalb, weil sie trotz des hier ziemlich allgemeinen Tons dergleichen entschieden von sich fern zu halten weiß." Zu Zeiten philosophiert er recht melancholisch; ganz wie Hamlet, erscheint ihm der Welt Treiben ekel, schal und trübe. „Wenn ich mich bei dem Einzelnen frage, was er für Grund bei sich haben kann, weiter zu leben, sich zu mühen, sich zu ärgern, zu intrigieren und zu spionieren ich weiß es wahrlich nicht.“ Ähnlich wie zur Gattin äußert sich Bismarck über seine Kollegen brieflich zum Bruder. Die hiesigen kleinstaatlichen Diplomaten sind sonderbare Käuze, die nach Hause berichten, was für Zigarren man raucht, nie aus der diplomatischen Fechterstellung kommen und auch im bloßzen Hemd das Bewußtsein, Bundestagsgesandter zu sein, niemals verlieren. Der gesellige Verkehr mit ihnen wird dadurch lästig und insipide.“ Derber noch schreibt er an Hermann Wagener: „Die Österreicher sind intrigant unter der Maske burschikoser Bonhommie . . . und suchen uns bei kleineren Formalitäten zu übertölpeln, worin bis jetzt unsre einzige Beschäftigung besteht. Die von den kleinen Staaten sind karikierte Zopfdiplomaten, die sofort die Bericht-Physiognomie aufstecken, wenn ich sie nur um Feuer zur Zigarre bitte, und Blick und Wort mit Regensburger Sorgfalt wählen, wenn sie den Schlüssel zum A— fordern. . . . Mir ist nicht zu Mute, als ob ich hier lange bleiben würde; ich fühle mich hier ziemlich ad acta gelegt und meiner Freiheit ohne Zweck beraubt, wenn es nicht bald anders wird."

Von wesentlichem Einfluß auf die Stimmung des Legationsrats v. Bismarck war in jenen ersten Monaten seines Frankfurter Aufenthalts die Unsicherheit, in der er sich über seine

« ZurückWeiter »