Die Seelenblindheit als Herderscheinung und ihre Beziehungen zur homonymen Hemianopsie zur Alexie und Agraphie

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J. F. Bergmann, 1887 - 192 Seiten
 

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Häufige Begriffe und Wortgruppen

Beliebte Passagen

Seite 107 - An den Mond. Füllest wieder Busch und Thal Still mit Nebelglanz, Lösest endlich auch einmal , Meine Seele ganz; Breitest über mein Gefild Lindernd deinen Blick, Wie des Freundes Auge mild Ueber mein Geschick. Jeden Nachklang fühlt mein Herz Froh- und trüber Zeit, Wandle zwischen Freud' und Schmerz In der Einsamkeit.
Seite 10 - Wenn ich nach dem Fenster blickte, sah es mir immer so aus, als wenn ein Laden ganz nahe vor meinen Augen aufgerichtet sei, und auf diesem Laden habe ein Tüncher seine verschiedenen Pinsel mit weiß, blau, grün, gelb, rot, alles bunt durcheinander, ausgespritzt. Einzelne Dinge darauf, wie ich jetzt die Dinge sehe, konnte ich nicht erkennen und unterscheiden. Das war denn gar abscheulich anzusehen; dabei war es mir ängstlich zu Mut, weil ich glaubte, man habe mir das Fenster mit dem buntscheckigen...
Seite 52 - wenn ich die Augen nun zumache und mich nach Kopenhagen versetze, sehe ich die Strassen ganz deutlich vor mir und ich sehe auch auf den Bergen am Rhein in meinem Geiste die Burgen — wenn ich nun aber dort stünde und mit offenen Augen jene Stadt und jene Gegend betrachten würde, so würde ich nicht wissen, wo ich mich befände. Ich könnte ganz gut im Geiste und bei geschlossenen Augen in Hamburg spazieren, wenn ich aber wirklich auf der Strasse stehe, weiss ich weder aus noch ein. Bei...
Seite 179 - Mit einem Schlüssel" und erkennt. dass es Schlüssel sind, die er in der Hand hat. Derartige Beispiele werden von dem Verfasser in grösserer Anzahl angeführt. Besonders erwähnenswerth ist dabei, dass es sich um reine Seelenblindheit handelte. Sobald ein Buchstabe oder ein Wort ausgesprochen wurde, verstand der Kranke das Gesagte vollständig; er zeigte auf Verlangen alle Gegenstände und erkannte deren Bedeutung, sobald er ihren Namen gehört hatte.
Seite 103 - Annahme, daß, obwohl wir durch die Sprache zu unseren Begriffen gelangen, diese doch, sobald sie einmal gebildet sind, eine Unabhängigkeit von den Worten besitzen. Sinnenbilder, Gefühle, Ausdrucksbewegungen, Vorstellungen und Begriffe, obgleich sich gegenseitig weckend und innigst unter sich verbunden, bewahren einander gegenaa O.
Seite 73 - Grossenvorstellung, ebenso von seinem Kopfe ; wenn wir nun in einem Saale einige Hundert Menschen vor uns sehen , die in sehr verschiedener Entfernung sitzen , so denken wir gar nicht daran , dass die Gesichtswinkel für die hintersten Köpfe vielleicht hundertmal kleiner sind, als die für die vordersten Köpfe, und wenn wir von der Zuhörerschaft ein Bild etwa auf einer matten Glastafel mittelst einer Linse entwerfen, so können wir uns auf dem Bilde zuerst nicht zurecht finden , und es bedarf...
Seite 101 - Charakterisirung des letzteren selbst überzugehen. >Sprechen heißt verstehen, sowohl sich selbst als andere. Wir sprechen erst dann, wenn wir unsere Gefühle und Anschauungen begreifen und begriffliche Vorstellungen mit denen anderer Personen auszutauschen vermögen, gleichgiltig ob dies durch Geberde oder Laut geschieht.
Seite 132 - Gesichtswahrnehmungen in der anderen Hemisphäre noch unversehrt vorhanden sind. Nur die Restitution, habe ich bei einseitiger Exstirpation rascher sich vollziehen sehen als bei beiderseitiger Exstirpation, was durch die Hülfe, welche das wohlerhaltene Sehen mit dem einen Auge für die Kenntnissnahme von den Objecten gewähren muss, leicht verständlich ist.
Seite 104 - ... Eine Miene, ein Laut, ein einziges Wort machen uns oft eine ganze Situation klar. Man nennt einen Menschen bigott, blasirt usw und sein ganzes Fühlen, Denken und Handeln steht plötzlich wie elektrisch beleuchtet vor uns. Die Beredsamkeit der Zahlen ist sprichwörtlich. Und je abstracter und exacter das...
Seite 156 - Es besteht Agraphie. Das Schreiben ist eine bewusste Bewegung, welche mit innigster Anlehnung an den Klang gelernt und immer unter Leitung desselben executirt wird. Die Selbstbeobachtung wenigstens lehrt, und damit stimmt die klinische Erfahrung überein, dass zwischen der Schreibbewegung und dem Begriffe durchaus keine ähnliche directe Verknüpfung besteht, wie sie zwischen Sprechbewegung und Begriff angenommen werden muss.

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