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hatten. Die Augen der Reichsregierung wurden zuerst nach dieser Richtung gelenkt durch die Schußanträge rheinischer Missionäre im Herero- und Namaqualande, welche eine Anfrage bei der englischen Regierung veranlaßten, ob sie den dort aufhältlichen Deutschen Schuß gewähren wolle, worauf die Antwort erfolgte, daß England nördlich vom Oranjefluß mit einziger Ausnahme der 1876 in Besitz genommenen Walfischbai keine Jurisdiktion ausübe und nicht in der Lage sei, in den fraglichen Gebieten Schuß zu ge= währen. Troß dieser Ablehnung hielt es der Reichskanzler, als im Jahre 1882 die Bremer Firma Lüderiz den Wunsch an ihn brachte, daß die Niederlassungen, die sie an der afrikanischen Westküste zu Angra Pequena, zwischen dem Oranjeund dem Kleinen Fischfluß anzulegen beabsichtigte, unter den Schuß der deutschen Reichsflagge gestellt würden, der Sicherheit wegen für angezeigt, nochmals in London anzufragen, ob England an diesem Küstenstriche Eigentumsrechte besize und Ansprüche darauf erhebe. Es

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Stanley. Nach Photographie.

kam ihm bei diesen Sondierungen darauf an, das amtliche Anerkenntnis, daß jene Küstenstriche in europäischem Sinne res nullius seien, von England zu erlangen, ohne daß irgend ein Schatten von Mißtrauen oder Verlegung auf einer von beiden Seiten entstünde. Diesmal erhielt er nach langem Warten von Lord Granville die sonderbare Antwort, daß dies zwar nicht der Fall sei, daß aber irgend welche Souveränitäts- oder Jurisdiktionsansprüche einer fremden Macht auf das Gebiet zwischen 18° nördl. Breite und der Kapkolonie in Englands legitime Rechte eingreifen würden." Sofort erging telegraphisch

an den deutschen Konsul in der Kapstadt die Weisung, den dortigen Behörden, die sich über die Festseßung der Deutschen in ihrer Nachbarschaft sehr ungehalten zeigten, amtlich zu erklären, daß Lüderiß und seine Niederlassungen unter dem Schuße des deutschen Reiches stünden. Nun verstand sich England wenigstens bedingungsweise zur Anerkennung des deutschen Schußes über Angra Pequena, unter der Voraussetzung nämlich, daß Deutschland dort keine Strafanstalten anlege; diese Zusage zu geben schlug jedoch Bismarck rundweg ab. Es ist der englischen Regierung bekannt," erwiderte er, daß die deutsche Regierung niemals beabsichtigt hat und auch nicht beabsichtigt, Strafkolonien anzulegen, aber das Verlangen, daß Deutschland sich in Ausübung zweifelloser eigener Rechte durch Bedingungen binde, welche eine andere Macht nach ihrem Ermessen stellt, ist ein außergewöhnliches.“

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Freilich sah England „im Bewußtsein Britania rules the waves etwas verwundert auf, als die Landratte von Vetter plöglich zur See fuhr;" schien doch selbst, nach den Äußerungen der englischen Presse zu schließen, die Möglichkeit, daß die Politik eines anderen Staates nur in Rücksicht auf dessen eigene Interessen geleitet werde, für die dortige Denkweise ganz ausgeschloffen zu sein. Darin aber lag eben die diplomatische Meisterschaft Bismarcks, daß er das britische Kabinet trog allen Sträubens Schritt für Schritt zur Anerkennung der Gleichberechtigung von Deutschlands Kolonialpolitik brachte, ohne doch jemals das für diese Bestrebungen unentbehrliche gute Einvernehmen mit der meerbeherrschenden Macht in Gefahr kommen zu lassen. Auch an den nördlicheren Teilen der afrikanischen Westküste war der deutsche Handel so bedeutend und in so erfreulicher Entwickelung begriffen, daß auf dringende Befürwortung der Hamburger Häuser C. Wörmann und Janzen & Thormählen im Mai 1884 der Generalkonsul Nachtigal Auftrag erhielt, mit den eingeborenen Häuptlingen Verträge abzuschließen und ihre Gebiete unter kaiserlichen Schutz zu stellen. Troß der Ränke des britischen Konsuls Hewett und des Vizekonsuls Buchan, der sogar die Eingeborenen zu bewaffnetem Widerstande aufwiegelte und sie bei ihren Feindseligkeiten unterstüßte, gelang dies auch mit Unterstützung des Kriegsschiffes „Sophie“ zuerst im Togolande, dann in Kamerun, worauf sich England 1885 zu einem gütlichen Abkommen über die Gebiete am Guineagolf bequemte, 1887 sogar die Ambasbai an der Küste von Kamerun an das deutsche Reich abtrat. Von diesen Erwerbungen wurde Kamerun als die wertvollste unter die unmittelbare Leitung des Reiches gestellt, die andern nur unter seinen Schuß. An der Ostküste bahute eine von der Gesellschaft für deutsche Kolonisation unter Peters, Jühlke und Graf Pfeil ausgesandte Expedition dem deutschen Einfluß den Weg ins Innere. Zwischen der Zanzibarküste und dem Tanganjika wurden weite Gebiete erworben und durch kaiserlichen Schußbrief ebenfalls unter Schuß und Oberhoheit des Reiches gestellt. Den Einflüsterungen des englischen Konsuls Kirk nachgebend, versuchte zwar der Sultan Said Bargasch Ansprüche auf diese Gebiete geltend zu machen, obgleich er niemals

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Hoheitsrechte daselbst geübt hatte; als aber Kommodore Paschen sich mit dem deutschen Geschwader gerade seinem Palast gegenüber legte, begriff er den Ernst der Lage und erkannte nicht nur die deutsche Schußherrschaft über jene Gebiete an, sondern räumte auch der Gesellschaft einen günstigen Handelsvertrag und den Hafen Dar-es-Salam ein. Im Jahre 1886 wurde durch übereinkommen mit England dem deutschen Reiche das ganze Festland vom Kap Delgado bis zu den großen Seen, die Berglandschaft Usambara und der größte Teil des Kilimandscharogebiets zuerkannt und im folgenden Jahre verschmolzen die beiden rivalisierenden Gesellschaften zu einer einzigen Gesellschaft für Ostafrika. In der Südsee befolgte England ganz die nämliche Politik, die deutscherseits geäußerten Wünsche nach einer Verständigung auf die lange Bank zu schieben, inzwischen aber mit Hilfe der australischen Kolonien vollendete Thatsachen zu schaffen, welche den berechtigten Interessen der Deutschen zuwiderliefen. Langwieriger Verhandlungen bedurfte es, um es zur Anerkennung der auf der Nordküste von Neuguinea und den benachbarten Inselgruppen gemachten deutschen Er

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werbungen zu vermögen.

Das Londoner Kabinett

Dr. Karl Peters. Nach Photographie.

befand sich zwischen zwei Feuern: zwischen den rechtlich gar nicht anfechtbaren Ansprüchen des deutschen Reiches und den möglichst subtil zu behandelnden Einsprüchen der australischen Kolonien, die von dem Mutterlande nicht weniger als die sofortige Übernahme des Protektorats über alle herrenlosen Gebiete des westlichen Polynesiens verlangten. Zwischen beiden schwankte es eine Zeitlang halt und würdelos hin und her, denn bei der hochgradigen Spannung mit Rußland wegen Afghanistans und den Verwickelungen in Ägypten (f. unten) war ihm die Gesinnung des eisernen Kanzlers nichts weniger als gleichgültig. Durch die Sendung des Grafen Herbert Bismarck nach London im Jahre 1885 wurde auch diese Frage zu Gunsten Deutschlands entschieden. Das auf der Nordküste von Neuguinea unter deutschen Schuß gestellte Gebiet erhielt

den Namen „Kaiser-Wilhelmsland," das Inselgebiet den „Bismarckarchipel." Auch auf Samoa behauptete Deutschland den von Neuseeland aus geschürten Intrigen gegenüber seine Stellung. Gegen den ausgesprochenen Willen Englands, gegen die heftigsten Proteste der englischen Kolonien hatte das deutsche Reich dank dem Geschick und der unbeugsamen Festigkeit seines leitenden Staatsmannes seine Anerkennung als Kolonialmacht durchgesezt.

Es sollte sogar auch auf diesem Gebiete eine führende Stellung gewinnen. Die unter dem Protektorat Leopolds II., König der Belgier, gebildete und von Stanley geleitete Internationale afrikanische Gesellschaft hatte sich das Ziel gesezt, das weite Gebiet des Kongo dem freien Handel aller Nationen zu erschließen und dadurch den Zugang zu dem noch immer verborgenen Herzen des dunkeln Erdteils zu öffnen. Kaum aber waren diese Absichten ruchbar geworden, als auch hier England mit seinem engherzigen Handelsneide dazwischen fuhr. Diesmal schob es das kleine Portugal vor, welches alte Ansprüche, allerdings sehr zweifelhafter Natur, auf die Mündungen des Kongo zu besigen behauptete. Es schloß mit diesem Staate im Februar 1884 einen Vertrag, der ihm den Alleinbesiz des Handels am Kongo sichern und das Recht verleihen sollte, den aller übrigen Nationen mit willkürlichen Zöllen zu belegen. Aber den schlau angelegten Plan zerriß die sofortige Erklärung des Reichskanzlers, daß er nicht in der Lage sei, die Anwendbarkeit dieser Vertragsbestimmungen auf die Angehörigen des deutschen Reiches zuzugeben. Kleinlaut ließ Gladstone den Vertrag ohne weiteres fallen, indem er es unterließ, ihn dem Parlamente zur Genehmigung zu unterbreiten. Diese neue Erfahrung von Englands Mißgunst bewog nun aber Bismarck, einen anderen Weg einzuschlagen. Er wendete sich an Frankreich, welches kürzlich erst durch de Brazza ansehnliche Landstriche an der Kongomündung erworben hatte. Sein Vorschlag zu einer internationalen Regelung der Verkehrsverhältnisse im Kongogebiete fand hier ein über Erwarten bereitwilliges Entgegenkommen. Mit Frankreich zusammen erließ er die Einladung an die übrigen beteiligten Mächte zu einer in Berlin abzuhaltenden Kongokonferenz. England sezte auf derselben seinen Willen nur so weit durch, als ihm die Aufsicht über Handel und Schiffahrt auf dem unteren, Frankreich bloß auf dem oberen Niger überlassen wurde. Frankreich erhielt durch einen sehr günstigen Vertrag mit der Kongogesellschaft ein weites Gebiet abgetreten, durch welches erst die Brazzaschen Erwerbungen wirklichen Wert gewannen. Das Hauptergebnis der Konferenz aber war die am 23. Februar 1885 unterzeichnete Kongoakte. Die Fahrt auf diesem Strom, seinen Nebenflüssen und den Eisenbahnen seines Gebietes wurde dadurch für frei erklärt; von Abgaben sollen daselbst nur solche erhoben werden, welche den Charakter von Entschädigungen tragen. Alle beteiligten Mächte verpflichteten sich, über die Erhaltung der eingeborenen Bevölkerung und über die Verbesserung ihrer moralischen und materiellen Existenzbedingungen zu wachen und für Unterdrückung der Sklaverei, für bessere Behandlung der Schwarzen einzutreten, ohne Unterschied der Nationa

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lität und des Bekenntnisses alle religiösen, wissenschaftlichen und wohlthätigen Einrichtungen zu diesem Zwecke zu beschüßen und zu fördern. Eine besondere Deklaration regelte die Formalitäten bei Okkupation überseeischer Gebiete: jede solche soll den übrigen Konferenzmächten angezeigt werden, damit diese nötigenfalls ihre Reklamationen geltend machen können. Die Ausführung der Akte wurde unter die Überwachung einer internationalen Kommission gestellt. Zuerst von allen Mächten erkannte Deutschland die Flagge der Internationalen afrikanischen Gesellschaft, den goldnen Stern im blauen Felde, an. König Leopold II. nahm den Titel „Souverän des Kongostaates" an.

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In Gemäßheit der Kongoakte zeigte die deutsche Reichsregierung noch in demselben Jahre den übrigen Mächten ihre Absicht an, die Karolinen, auf denen hauptsächlich deutsche Handelshäuser thätig sind, unter ihren Schuß zu stellen. Dagegen erhob aber Spanien Einspruch, welches eine traditionelle Oberhoheit über diese etwa sechs Quadratmeilen messende Juselgruppe zu besitzen behauptete, obgleich es dort niemals eine förmliche Regierung und Verwaltung eingerichtet hatte, weshalb denn auch seine Besizansprüche noch 1875 von England und Deutschland zurückgewiesen worden waren, ohne daß es dagegen weitere Einwendungen erhoben hätte. Jezt aber beorderte die spanische Regierung schleunigst zwei Schiffe nach der größten Insel Yab, diese nahmen

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