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Monarchie in den Deutschen Bund konnte dort freilich keine Rede sein; die unerläßliche Bedingung blieb die völlige Abtretung der Herzogtümer bis zur Königsau. Als Prinz Friedrich Karl eben die Vorbereitungen zu einer Landung auf Fünen beendigt hatte, wurde den Dänen, 31. Juli, die Einstellung der Feindseligkeiten gewährt; am 25. begannen die Friedensunterhandlungen zu Wien. Bei dem Versuche der Dänen, die Sache zu verschleppen, bei Österreichs ausgesprochener Absicht, sich an einer Ausdehnung des Krieges auf die dänischen Inseln nicht zu beteiligen, und bei Preußens lebhaftem Wunsche, eine Auflösung des Bündnisses wenn irgend möglich zu vermeiden, war hier Bismarcks Aufgabe eine überaus schwierige. Er mußte mit Abreise drohen, um endlich am 1. August die Unterzeichnung der Präliminarien durchzusehen; die des Definitivfriedens zu Wien erfolgte erst am 30. Oktober. Abtretung der drei Herzogtümer an den Kaiser von Österreich und den König von Preußen, Überlassung von Arrö und einem entsprechenden Teile Nordschleswigs bei Ribe und Kolding an Dänemark für die in Schleswig liegenden jütischen Enklaven, Übernahme von 29 Millionen dänischen Thalern Schulden auf die Herzogtümer, Verzicht der Verbündeten auf Ersatz der Kriegskosten und Unterhalt der verbündeten Truppen in Jütland auf dänische Kosten, das war der wesentliche Inhalt eines Friedens, der einem der unnatürlichsten Verhältnisse, unter denen Deutschland seit 1815 gelitten, ein Ende machte.

Der zielbewußten politischen wie militärischen Leitung des Krieges war es gelungen, den von Dänemark durch die dreistesten Rechtsverlegungen hervorgerufenen und mit kurzsichtiger Zähigkeit fortgesezten Kampf, ohne daß es zu einem Gegenbündnisse der Dänemark befreundeten Mächte gekommen wäre, so zu Ende zu führen, daß er den Verbündeten das volle Verfügungsrecht über die Herzogtümer gab. Dem Deutschen Bunde aber blieb es vorbehalten, noch ein Nachspiel aufzuführen, welches seine Kläglichkeit auch dem blödesten Auge klar machen sollte. Österreich wäre, obgleich die Bundesexekution durch den Frieden gegenstandslos geworden, wohl bereit gewesen, die fernere Besezung Holsteins zu dulden, Preußen dagegen richtete an Sachsen und Hannover die Aufforderung, ihre Truppen zurückzuziehen. Lezteres ging ohne weiteres darauf ein, Sachsen aber erklärte, die Sache an den Bund bringen zu müssen, da der von diesem erteilte Auftrag noch nicht erloschen sei, und nach Erfüllung der nötigen Formalitäten in Frankfurt gab Beust seinem Verdruß einen fast lächerlichen Ausdruck, indem er die sächsischen Truppen auf Umwegen, mit Vermeidung des preußischen Gebietes, heimkehren ließ.

Siebentes Kapitel.

Die Grundlegung der deutschen Einheit.

Der zu mehreren Malen gemachte Versuch, vermittelst des wiederhergestellten Bundestags den aus etlichen dreißig Souveränitäten bestehenden Deutschen Bund als europäische Macht zur Geltung zu bringen, durch ihn eine deutsche Politik zu inaugurieren, hatte sich nie verfehlter erwiesen als in der schleswigholsteinschen Angelegenheit. Es war daraus nur der gänzliche innere Zerfall des Bundes hervorgegangen und der unter Pfordtens und Beusts Führung unternommene politische Feldzug der Mittelstaaten hatte durch das gemeinsame Vorgehen der beiden Vormächte eine beschämende Niederlage erlitten. Nicht auf diesem Wege, das mußte jedem Denkenden einleuchten, konnte der tiefe, die ganze Nation erfüllende Drang nach Einigung seine Befriedigung finden; ebensowenig aber auf dem der moralischen Eroberungen, denn die Erfahrung lehrte, daß weder die Fürsten ihre Rechte noch die Bevölkerungen ihre seit langen Zeiten eingelebten Eigentümlichkeiten dafür zum Opfer zu bringen bereit waren. Die notwendige Vorbedingung dazu lag vielmehr in der Beseitigung des Dualismus zwischen Österreich und Preußen; denn dieser, das Gleichgewicht beider, die künstliche Spannung zweier sich aufhebender Kräfte, das war es, was der Kleinstaaterei das Leben fristete, die nationale Einheit hinderte und Deutschland zur Ohnmacht verdammte. Darin lag daher eben die hohe Bedeutung des schleswig-holsteinschen Krieges, daß er nicht bloß ein wichtiges Grenzland, das in Gefahr stand dem zerrissenen Deutschland, ähnlich wie einst Elsaß und Lothringen, verloren zu gehen, zurückbrachte und sicherte, sondern, daß er auch die Auseinandersetzung zwischen Österreich und Preußen, den Entscheidungskampf herbeiführte, der mit unausweichlicher Notwendigkeit früher oder später zwischen ihnen zum Austrage gebracht werden mußte.

Darüber, was nun aus den von der dänischen Gewaltherrschaft befreiten. Herzogtümern werden solle, selbst darüber, wer diese Frage zu entscheiden. habe, gingen die Ansichten sämtlicher Beteiligten weit auseinander. „SchleswigHolstein," sagten die beiden Großmächte, ist kraft des Wiener Friedens österreichisch - preußischer Besit, nur Österreich und Preußen haben darüber zu verfügen.“ Dem gegenüber bestritten die Mittelstaaten überhaupt die Gültigkeit des Wiener Friedens, da König Christian IX. nicht habe abtreten. können, was ihm nicht gehörte; vielmehr gehöre Schleswig-Holstein dem erb

berechtigten deutschen Fürsten, d. h. dem Prinzen von Augustenburg, und der Deutsche Bund sei Hüter dieses Rechtes. Nur herrschte auch zwischen ihnen keineswegs fester Zusammenhalt. Hatte auch von der Pfordten, seit 4. Dezember 1864 wieder bayrischer Ministerpräsident, eine gewisse formelle Einigung der Mittelstaaten zu stande gebracht, so daß sie die Abstimmungen am Bundestage beherrschten, so war doch manchen Fürsten, namentlich dem Könige von Hannover und dem Kurfürsten von Hessen, die ganze volkstümliche Bewegung in Deutschland und den Herzogtümern ein Greuel; außerdem hatte ihr Vertrauen zu Österreich, ohne dessen Beistand sie doch nichts vermochten, durch den Wiener Frieden einen schweren Stoß erlitten.

Aber auch Österreich und Preußen waren weit davon entfernt, diese Sache von dem nämlichen Standpunkt anzusehen. Zwar hatte die Übereinkunft vom 16. Januar bestimmt, daß die künftigen Verhältnisse der Herzogtümer in gemeinsamem Einverständnis festzustellen seien, aber von diesem Einverständnis war das gerade Gegenteil vorhanden. Für Österreich war die ganze Angelegenheit, wie Schmerling offen aussprach, eine verfahrene. Nicht mehr Rechberg leitete die auswärtige Politik des Kaiserstaates; er hatte das Fiasko derselben mit seiner Entlassung bezahlt, die auf Schmerlings Sturz angelegte Intrige war auf ihn selbst zurückgefallen; aber nicht Schmerling erntete die Früchte davon, denn die auf Rechbergs eigenen Vorschlag erfolgte Ernennung des Grafen Mensdorff-Pouilly zu seinem Nachfolger, desselben, der als österreichischer Kommissar die Auslieferung der schleswig-Holsteinschen Armee an Dänemark bewerkstelligt hatte, bedeutete eine Verstärkung der aristokratisch - militärischen, Schmerling feindlichen Partei. An die dauernde Aufrechthaltung des gemeinsamen Besitzrechts in den Herzogtümern konnte aber weder er noch sonst wer in Wien denken, ebensowenig jedoch war man dort geneigt, dieses Küstenland mit seinen trefflichen Häfen und seiner seetüchtigen Bevölkerung in preußische Hand fallen zu lassen. Um nicht selbst zur Machtvergrößerung seines Nebenbuhlers mitwirken zu müssen, strebte Österreich vielmehr danach, die Rechte, welche es dort nicht dauernd behaupten konnte, einem Dritten zu übertragen. Nachdem es früher sich schroff gegen Herzog Friedrich ausgesprochen hatte, zeigte es sich nunmehr geneigt, dessen Ansprüche zu begünstigen und betrieb gleich den Würzburger Verbündeten die Schöpfung eines neuen Mittelstaates im Norden. Bei alledem konnte es, wenn es nicht ganz vereinsamt stehen wollte, die Allianz mit Preußen nicht missen, denn außer diesem besaß es nirgends einen Stützpunkt. Daher kam es, daß während der nächsten Zeit die Haltung des Wiener Kabinetts nichts war als ein beständiges Schwanken zwischen dem Anschluß an Preußen und dem Widerstande gegen Preußen in Anschluß an die Bundestagsmehrheit.

Ganz entgegengesetzt war die Stellung Preußens. In der Errichtung eines neuen Mittelstaates an der Eider, der, abgesehen davon, daß er schon finanziell an seiner Schuldenlast zu Grunde gehen mußte, sich niemals aus

Frage über das Schicksal der Elbherzogtümer.

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eigener Kraft militärisch gegen Dänemark zu behaupten vermocht hätte, also stets auf den Schuß des mächtigen Nachbarn angewiesen geblieben wäre, erkannte Bismard eine Gefährdung von Preußens Sicherheit nach außen, eine

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Verstärkung der Gegner innerhalb des Bundes durch einen neuen.
aus diesem Grunde war er ursprünglich für die Erhaltung der dänischen
Gesamtmonarchie gewesen, weil nämlich, wie er im Jahre 1857 gegen
Gortschakow äußerte, alles was an ihre Stelle treten könnte, für uns un-

"

bequemer wäre als das heutige Dänemark, sobald es verständig regiert wird." Nichts war daher berechtigter, als daß Preußen auf Bürgschaften drang, welche es gegen Gefährdungen von dieser Seite sicher stellten. Das Interesse Deutschlands, führte Bismarcks Preßorgan aus, finde nicht schon darin seine Befriedigung, daß der Deutsche Bund einen Zuwachs an Land erhalte, und daß die Zahl der deutschen Fürsten sich noch um einen vermehre, sondern nur darin, daß das neue Fürstentum dazu beitrage, die Bedingungen deutscher Macht und deutschen Ansehens nach außen zu fördern. Deutschlands Entwickelung würde aufs schwerste beeinträchtigt werden, wenn dem gegenüber die Kleinstaaterei mit all ihren engherzigen Gesichtspunkten eine neue Stüße erhalten sollte. Deutschland und zumal Preußen müsse verlangen, daß dort an der Nordgrenze zwischen der Ost- und Nordsee nicht etwa bloß ein schwächliches Herzogtum entstehe, sondern zugleich eine wahre Nordmark zu Schuß und Truß für Deutschland zu Lande und zur See, in engem Zusammenhange mit den deutschen und preußischen Wehreinrichtungen und zumal in Hinblick auf die notwendige Entwickelung der deutschen Seemacht. In diesem Sinne hatten sowohl der König in Person als auch Bismarck schon im Juni Verhandlungen mit dem Erbprinzen zum Zweck einer Verständigung gepflogen. Allein so einleuchtend und unwiderleglich jene Säße waren, so wollte der Prinz doch nicht begreifen, daß hier sein persönliches Interesse und das nationale Interesse einander unvereinbar gegenüberstanden, eines dem anderen weichen mußte. „Warum,“ äußerte er gegen Bismarck, „sind Sie denn überhaupt nach den Herzogtümern gekommen? Wir haben Sie nicht gerufen, die Sache wäre ohne Preußen vielleicht besser für mich ausgefallen.“ Von seiner Umgebung, wahrscheinlich auch von der mittelstaatlichen und österreichischen Diplomatie übel beraten, pochte er auf sein Erbrecht und nahm die von Preußen gestellten Bedingungen stets nur so an, daß er sich in dem Vorbehalt der ständischen Zustimmung eine Hinterthür offen hielt, und weckte dadurch den Verdacht, daß er diese durchaus nicht betreiben, vielmehr mittels der ständischen Weigerung wieder loszukommen suchen werde. Aber er mußte die Erfahrung machen, daß nicht einmal sein Erbrecht unanfechtbar war. Auch der Großherzog von Oldenburg, dem Kaiser Alexander II. von Rußland am 19. Juni zu Kissingen seine Anrechte an die Herzogtümer abgetreten hatte, meldete Ansprüche an Teile derselben an und Preußen benußte dies sofort, um einen Prätendenten gegen den andern auszuspielen; es machte sogar Ansprüche in eigenem Namen geltend und legte die Rechtsfrage den Kronjuristen zur Begutachtung vor.

Eine rein rechtliche Entscheidung war ein Ding der Unmöglichkeit. Denn einerseits erstreckte sich jeder, auch der begründetste Erbanspruch, nicht auf das Ganze, sondern nur auf gewisse Stücke, anderseits ging zwar die Abtretung Christians IX. auf das Ganze, aber sie berechtigte Österreich und Preußen zu gleichen Teilen und doch war eine Teilung der Länder undenkbar. Auch die österreichische Regierung stellte sich daher auf den Standpunkt, daß keine andere als eine politische Lösung möglich sei. Nur die preußischerseits an

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