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Napoleon begriff die Notwendigkeit, sich von dem mexikanischen Abenteuer loszumachen. Er eröffnete sie im Januar 1866 dem Kaiser Maximilian, indem er ihm zugleich einen neuen Vertrag abverlangte, wonach ihm als Ersag für die unterbliebene Jahreszahlung von 25 Millionen die Hälfte von allen Seezöllen überlassen werden sollte. Als dieser Einwendungen versuchte, erhielt er den trockenen Bescheid: im Fall seiner Weigerung betrachte sich die kaiserliche Regierung von jeder Verpflichtung entbunden und werde Bazaine anweisen, bei der Räumung nur nach militärischen Rücksichten zu verfahren. Verzweifelnd eilte die Kaiserin Charlotte nach Paris; sie drang bis zu Napoleon vor, der ihr gern ausgewichen wäre, all ihre Bitten, Thränen, Vorwürfe erreichten nichts; Napoleon erklärte, er könne für ihren Gemahl nichts thun. Ihre lezte Hoffnung stand auf den Papst, daß er die Genehmigung zum Verkauf der Kirchengüter geben werde; aber auch Pius IX. widerstand dem Flehen der unglücklichen Frau, die sich zu seinen Füßen wand. Die Erschütterung brachte die Krankheit zum Ausbruche, die ihren Geist bald vollständig umnachtete.

In Mexiko verschlechterte sich unterdes die Lage immer mehr. Die Juaristen wurden immer kühner, fie nahmen nacheinander Matamoros und Tampico, überall gewannen sie Boden. Die mexikanische Armee schwand zusehends und ging stückweise über. Eine Täuschung über den endlichen Ausgang war nicht mehr möglich. Aber großen Eindruck machte auf Maximilian, was ihm sein Vertrauter Eloin riet. Napoleon, schrieb dieser, wünsche, um sein Verfahren zu beschönigen, daß eine Abdankung der Rückkehr der Franzosen vorausgehe, aber das würde nur als Schwäche ausgelegt werden. Der Kaiser müsse einen Appell an das mexikanische Volk richten. Bleibe dieser vergeblich, dann habe er seine erhabene Mission erfüllt und könne nach Europa zurückkehren mit unvermindertem Ansehen und inmitten der bedeutsamen Ereignisse, die zweifellos eintreten würden, und dann könne er die Rolle spielen, die ihm in jeder Beziehung zustehe. Auf seiner Reise durch Österreich habe er eine weitverbreitete Unzufriedenheit konstatieren können; der Kaiser sei entmutigt, das Volk werde ungeduldig und verlange offen seine Abdankung, die Sympathien für ihn, Maximilian, teilten sich sichtbar dem ganzen Kaiserstaate mit; der Gesundheitszustand Napoleons solle bedenklich sein.

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Diesem Rate gemäß handelte Maximilian. Er blieb, um nicht den Ruhm seiner Ahnen zu trüben." In Wahrheit verlor er mehr und mehr den inneren Halt. Um den von Napoleon gesandten General Castelneau, der ihn zur Abdankung bestimmen sollte, nicht sehen zu müssen, begab er sich nach der Hacienda Jalapilla bei Orizaba, krank, müde, der schmerzlichsten Ungewißheit preisgegeben, zwischen Stolz und Ohnmacht hin und her geworfen. Die Vorstellungen seines Beichtvaters Pater Fischer und die Verheißungen der Klerikalen richteten seinen Mut wieder einigermaßen auf. Er berief einen Nationalkongreß, der über die Fortdauer des Kaisertums entscheiden sollte; fast einstimmig erklärte sich dieser gegen den von ihm angebotenen Rücktritt.

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Darauf hin lehnte Maximilian Bazaines Einladung, sich den abziehenden Franzosen anzuschließen, ab. Er unternahm es also, lediglich auf seine Kräfte angewiesen, d. h. mit einem leeren Schat, einer zerrütteten, nur noch 9000 Mann zählenden Armee und einer ebenso zerrütteten Verwaltung seinen Thron aufrecht zu halten. Er mußte sich nach Queretaro zurückziehen, welches alsbald von den Republikanern unter Escobedo belagert wurde. Die Stadt war nicht in genügendem Verteidigungszustande. Marquez, der nach Mexiko geschickt worden war, um zusammenzuraffen, was dort noch an Verteidigungsmitteln vorhanden, wurde unterwegs von Porfirio Diaz geschlagen und mußte nach Mexiko zurückkehren. Mehrere Ausfälle konnten nicht hindern, daß die Einschließung immer enger, der Mangel an Lebensmitteln immer drückender wurde. Die Generale stimmten für Durchbruch um jeden Preis, aber Maximilian entschloß sich, wegen Kapitulation zu unterhandeln. Er that Escobedo seine Bedingungen durch den Oberst Lopez zu wissen, dieser aber bestand auf unbedingter Übergabe. Über das Folgende weichen die Berichte voneinander ab. Nach dem einen wurde Lopez zum Verräter; nach einer neuerlichen Enthüllung erklärte er sich ermächtigt, auf Escobedos Forderungen einzugehen und vereinbarte, daß die republikanischen Truppen am folgenden Morgen 3 Uhr (15. Mai) das Kloster la Cruz geöffnet finden sollten, dort würde auch die Übergabe des Kaisers erfolgen. Thatsächlich ergab sich auch Lopez zur gesezten Zeit; der Kaiser aber soll im lezten Augenblick seinen Entschluß geändert und die Ergebung verweigert haben, so daß er nun, mit Gewalt gefangen, als ein Opfer des Verrats erschien.

Maximilian bat dringend zu Juarez gebracht zu werden, um mit ihm unterhandeln zu können; aber der Präsident bestimmte, daß der Exkaiser nach dem von ihm selbst erlassenen Geseze vom 3. Oktober sogleich abgeurteilt werde. Lebend würde er eine stete Ermutigung für die Klerikalen und eine Drohung für die Liberalen gewesen sein; auch die noch so eifrige Verwendung des preußischen Gesandten von Magnus konnte ihn nicht mehr retten. Am 19. Juni wurde er nebst den Generalen Mejia und Miramon auf dem Cerro de las Campanas genannten Hügel bei Queretaro erschossen. Die Auslieferung des Leichnams machte Juarez von einem besonderen Ansuchen der österreichischen Regierung abhängig; nachdem dieses erfolgt, brachte die „Novara“ den toten Kaiser nach Europa zurück.

Zwischen dem in Queretaro umgestürzten Kaiserthrone und dem in den Tuilerien lag die ganze Breite des atlantischen Ozeans, aber auch dieser erbebte von dem Sturze jenes.

Aug. Weltgesch. XII.

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Sechstes Kapitel.

Die Vorspiele der deutschen Einheit.

Sowohl der Krimkrieg als auch der Pariser Friede, der ihn beendigte, hatten Deutschland nur mittelbar berührt; dennoch waren die Wirkungen, die sich aus beiden ergaben, auch für dieses von der höchsten Bedeutung. Nicht bloß dadurch, daß sie den Zauberstab, mit dem Kaiser Nikolaus ganz Mitteleuropa so lange beherrscht hatte, zerbrachen, daß sie Rußland nötigten, die innere Weiterentwickelung der deutschen Verhältnisse ruhig und ohne die bisher Regel gewesene Einmischung ihren Gang gehen zu lassen, sondern auch insofern, als sie die klägliche Hilflosigkeit des Deutschen Bundes in Bezug auf die auswärtige Politik eindringlicher als je zuvor dem Bewußtsein jedes Denkenden eingeprägt, als sie auch in dem gegenseitigen Verhältnisse der beiden deutschen Großmächte eine sehr erhebliche, wenn auch für den Augenblick nur noch wenig an der Oberfläche wahrnehmbare Änderung hervorgebracht hatten.

So wichtig es für Preußen geworden ist, daß es sich damals um keinen Preis zur Gefolgschaft Desterreichs hergegeben hatte, so blieb doch der schwache Punkt seiner bloß zuschauenden Politik der freien Hand, daß es dadurch weder im Innern noch nach außen an Achtung gewonnen hatte; es galt bei Freund und Feind als schwach und haltlos, und nichts unterstüßte dieses Urteil mehr als die Persönlichkeit des Königs. Eine neue Bestätigung erhielt es durch sein Verhalten in der Neuenburger Verwickelung. Nachdem der Versuch, diese auf dem Pariser Kongreß zur Sprache zu bringen, so kläglich gescheitert war, hatte eine Anzahl Royalisten unter Führung der Pourtalès und anderer Adelsgeschlechter des Kantons sie dadurch zu lösen versucht, daß sie sich am 2. September 1856, durch einen Handstreich des Schlosses Neuenburg bemächtigten und die Wiederherstellung des Königs als Landesherrn ausriefen, waren aber schnell überwältigt und an sechzig der Gefangenen unter der Anflage des Hochverrats vor Gericht gestellt worden. Für den König war Neuenburg Herzenssache und wurde es dadurch noch mehr. Er fühlte sich in seinem göttlichen Rechte als Souverän gekränkt, das noch in dem Londoner Protokoll vom 24. Mai 1852 von den übrigen Mächten ausdrücklich anerkannt worden war. Er wäre bereit gewesen, die Sache gütlich zu regeln, jedoch nur unter der Vorausseßung, daß die Gefangenen vorher bedingungslos frei gegeben würden; diese Bedingung lehnte jedoch der Bundesrat, wenn auch

Der Neuenburger Putsch.

227 ebenfalls zu friedlicher Lösung des Konflikts bereit, ab und verlangte seinerseits, der König solle sich zum voraus verpflichten, die Unabhängigkeit Neuenburgs anzuerkennen und allen Rechtsansprüchen darauf zu entsagen. Unter diesen Umständen blieb dem Könige nur übrig, seinen Forderungen durch militärische Maßregeln Nachdruck zu geben. Die Reaktion schürte; sie gedachte, bei dieser Gelegenheit den König mit den Westmächten gründlich zu entzweien und in Rußlands Arme zu treiben. So gewann die Sache mehr und mehr die Gestalt einer Exekution gegen den Übermut der Demokratie. Am liebsten hätte der König diese dem Bundestage zugeschoben, der wenigstens auch die verlangte Freilassung der Gefangenen zu unterstüßen beschloß; für den Fall einer Weigerung der Eidgenossenschaft dachte man in Berlin an eine Pfandnahme schweizerischen Gebiets als Repressalie. Aber Preußens Forderung entfesselte den kriegerischen Geist des Schweizervoltes in einer die Großmächte erschreckenden Weise. Monatelang dauerte der Lärm der Waffen, mit dem beide Parteien einander bedrohten, vielleicht eben darum um so lauter, weil doch keine an wirklichen Krieg dachte. Die Schweiz verließ sich darauf, daß Napoleon ihr kein Weh werde anthun lassen, und dieser ergriff gern die Gelegenheit, sich auch hierbei als Schiedsrichter Europas aufzuspielen. Der Bundesrat schickte den Dr. Kern nach Paris, um ihm diese Rolle anzutragen, während er gleichzeitig durch den schweizerischen Generalkonsul Hirzel in Leipzig den Herzog Ernst von Sachsen-Koburg um seine vertrauliche Vermittelung bei Friedrich Wilhelm IV. anging. Auch die öfterreichische Regierung mischte sich ein, teils um den entglimmenden Kriegsfunken nicht zur Flamme werden, teils um Preußen sein Übergewicht fühlen zu lassen und zu verhüten, daß es den Bund in eine kriegerische Aktion hineinziehe. Es erklärte für einen eventuellen Durchmarsch preußischer Truppen durch Bundesgebiet die vorherige Genehmigung des Bundes für erforderlich und machte den Vorschlag, die Schlichtung der Angelegenheit einer Konferenz der Großmächte anheimzustellen. Alles dies wirkte, auf beiden Seiten die Leidenschaften kühlend. Am 15. Januar 1857 beschloß der Bundesrat die Freilassung der Gefangenen, Tags darauf erklärte sich der König, ob auch schmollend, zu Unterhandlungen mit den Großmächten bereit. Die in Paris zusammengetretene Konferenz, bei welcher Preußen durch Bismarck vertreten war, brachte am 5. März ein beide Teile befriedigendes Abkommen zu stande: Der König entsagte endgültig allen Souveränitätsrechten auf Neuenburg, wogegen den Gefangenen volle Straflosigkeit gewährt wurde; auf die anfangs geforderte Entschädigung von sechs Millionen Mark verzichtete der König, nachdem die Konferenz sie auf die Hälfte ermäßigt hatte, bedang sich aber die Fortführung des Titels Fürst von Neuenburg und Valengin aus.

Diese unerquickliche Sache war die lezte politische Handlung Friedrich Wilhelms IV. Die Überreizung seines Nervensystems, die sich bald in mancherlei Exzentrizitäten, bald in gänzlicher Stumpfheit äußerte, führte im Juni 1857 bei einem Besuche des sächsischen Hofes in Pillnig auf der Rück

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