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Zweites Kapitel.

Die Errichtung des zweiten Kaiserreiches und der Krimkrieg.

Die Besorgnisse, welche in Wien die Beilegung des Handelsstreites mit Preußen wünschenswert erscheinen ließen, waren nicht ohne Grund gewesen. Eben hatte die Welt einen schönen Friedenstraum geträumt. Die am 1. Mai 1851 eröffnete erste Weltausstellung') zu London, durch den Prinzgemahl als Präsidenten der Society of arts mit ebensoviel Begeisterung als Verständnis erdacht und in Partons 30 000 Menschen fassendem Wunderbau aus Glas und Eisen zur Ausführung gebracht, hatte soeben die Kulturvölker des Erdballes nicht bloß zu einer glänzenden Schaustellung, sondern auch zu friedlichem Wettstreit auf dem Gebiete menschlicher Arbeit, dem einzigen, so schien es, den eine glücklichere Zukunft anstatt der blutigen Schlachtfelder der Vergangenheit kennen werde, versammelt; die englische Aristokratie hatte ihren Stolz drein gesezt, die Pflichten der Gastfreundschaft durch Entfaltung eines großartigen Lurus zu erfüllen. Der Traum war schön aber kurz. Von Westen und von Osten zugleich stieg fast unmittelbar darauf Gewölk auf, welches die friedliche Bläue des Horizontes verfinsterte.

Der Staatsstreich vom 2. Dezember wurde der Ausgangspunkt für einen neuen Abschnitt im Leben der Völker. Daß seit demselben in Frankreich ein. neues Kaiserreich in raschem Anzuge sei, war auch einem blöden Auge sichtbar. Der Prinzpräsident nahm seinen Sih in den Tuilerien, auf den Fahnen mußte der gallische Hahn dem kaiserlichen Adler weichen. Dauernd waren in Frankreich seit zwei Menschenaltern nur die Schöpfungen des Kaiserreichs gewesen; der französische Staat war, worauf der Prinz bei Veröffentlichung der Verfassung am 14. Januar 1852 ausdrücklich hinwies, nichts als das durch die Revolution verjüngte und durch den Kaiser organisierte Frankreich; für dieses Land war die Monarchie eine Notwendigkeit. Es war also nur folgerecht, wenn der Sache die Form nachfolgte. Die Februarrevolution

1) Die erste Idee einer Industrieausstellung, und zwar einer französischen, ist unter dem Direktorium von François de Neufchateau ausgegangen. Sie wurde 1798 auf dem Marsfelde gehalten und war von 111 Ausstellern beschickt; die von 1840 von 4532.

Aug. Beltgeich. XII.

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hatte einen Beweis großer Naivität gegeben, indem sie eine Republik schaffen zu können meinte unter Beibehaltung der aus dem ersten Kaiserreich stammenden strengen Zentralisation. Die vier Monate bis zum Zusammentritt des Gesezgebenden Körpers, während deren der Präsident die Diktatur führte, wurden benutzt, um von den Einrichtungen, welche als Bürgschaften der Freiheit gegolten, eine nach der anderen zu beseitigen. Die Nationalgarde wurde vermindert und unter den Befehl der Zivilbehörden gestellt, das Recht der Offizierswahl ihr entzogen. Die Professoren verloren die Unabsehbarkeit, die Präfekten, von oben durch Mitglieder des Staatsrats inspiziert, was als eine Erneuerung der Einrichtung Karls des Großen gerühmt wurde, schalteten unbeschränkt, die Presse war der Willkür der Verwaltung überliefert. In Bezug auf die Wahlen zum Gefeßgebenden Körper wies ein Rundschreiben des Ministers des Inneren Persigny die von den vorhergehenden Regierungen angewendeten geheimen Beeinflussungen, welche den Charakter des Menschen erniedrigten und sein Gewissen abstumpften, weit von sich. Die Zeit der Intrigen und der politischen Korruption sei vorbei; um die Harmonie zwischen den verschiedenen Staatskörperschaften zu sichern, hätten sie die Wähler öffentlich über die Kandidaten aufzuklären, welche das Vertrauen der Regierung befäßen.

Diese Aufklärung erfolgte so gründlich, sie unterstüßte den Widerwillen des Volkes gegen die Republik so kräftig, daß die Wahlen nur eine Bestätigung des Plebiscits vom 20. Dezember ergaben. Die offiziellen Kandidaten waren fast einstimmig durchgegangen. Die einzigen drei gewählten Republikaner, Cavaignac, Carnot und Henon, nahmen ihre Pläße nicht ein, weil sie nicht den Eid auf die Verfassung leisten mochten. In seiner Begrüßungsrede an den Geseßgebenden Körper versicherte der Präsident, wenn er die ihm beigemessene Absicht, das Kaiserreich wiederherzustellen, wirklich hätte, so würde sich ihm wiederholt Gelegenheit dazu geboten haben, zugleich aber warf er zum voraus auf die ihm feindlichen Parteien die Verantwortung, wenn er durch ihre Ränke, ihre Verblendung und Opposition sich dennoch zu einer Änderung der Staatsform genötigt sehen sollte. „Erhalten wir,“ schloß er, die Republik, sie bedroht niemanden und kann alle Welt beruhigen." Dieser Geseßgebende Körper war freilich nur eine Gliederpuppe ohne eigene Bewegungsfähigkeit. Weder das Recht der Initiative oder der Interpellation noch das der Beschwerde oder Bitte noch die Prüfung des Staatshaushaltes stand ihm zu, über seine Verhandlungen durfte nichts weiter als das Protokoll veröffentlicht werden, die Rednerbühne war beseitigt, mit den Ministern. verkehrte er nie unmittelbar sondern nur durch Regierungskommissare. Die Sizungen des Senats bedeckte die Verfassung mit undurchdringlichem Schleier; man wußte wohl, daß diese Körperschaft berufen sei, über jede Verfassungsverletzung zu wachen, aber niemand erfuhr, ob sie auch Gelegenheit gehabt habe, dieses Recht auszuüben. Am 28. Juni schloß der Prinz die Sizungen mit der Versicherung, die mit einer Konstitution echt französischen Ursprungs

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gemachte Probe beweise, daß Frankreich alle Bedingungen zu einer starken und freien Regierung besiße.

So wurde der neuen Herrschaft von Anfang an der Stempel der Unwahrhaftigkeit aufgedrückt, den sie nie los geworden ist. Zwischen der demokratischen Gleichheit und der unumschränkten Gewalt des Staatsoberhauptes, zwischen der eine Volksvertretung schaffenden Verfassung und deren zu einem bloßen Blendwerk herabgedrückten Machtlosigkeit, zwischen der der Form nach aus der Volksstimme hervorgegangenen Herrschaft und dem das ganze neue Regiment beherrschenden Mißtrauen gegen das Volk bestand ein innerer, das System selbst aufreibender Widerspruch. Die Handlungen des neuen Machthabers mußten seine Worte Lügen strafen. So geschah es bereits durch die Dekrete vom 22. Januar, welche die Glieder der Familie Orleans für unfähig erklärten, bewegliche oder unbewegliche Güter in Frankreich zu besigen und ihnen infolgedessen aufgab, ihren sämtlichen Grundbesiß im Gebiete der Republik binnen Jahresfrist zu verkaufen, die Übertragung von Ludwig Philipps Vermögen auf seine Kinder (7. August 1830) annullierten, dasselbe für Staatsgut erklärten, je zehn Millionen davon den Gesellschaften zu gegenseitiger Hilfe, der Verbesserung von Arbeiterwohnungen und zu Errichtung von Bodenkreditbanken, fünf Millionen einer Altersversorgungskasse für Arme, den Rest der Kasse der Ehrenlegion zuwiesen. Die Maßregel, hervorgegangen aus der Furcht vor der Anziehungskraft, die der Reichtum der Orleans selbst auf seine treuesten Anhänger haben könnte, machte den übelsten Eindruck. Dupin gab seine Entlassung als Generalprokurator des Kassationshofes, Morny, Magne, Fould, Rouher traten aus dem Ministerium. Viele, die bereit gewesen waren, bei dem Kaisertum gegen Republikaner und Sozialisten Schuß zu suchen, wandten sich von ihm ab und die verspätete Gerechtigkeit, welche 1856 Ludwig Philipps Töchtern eine Rente anwies, diente nur dazu, die begangene Ungerechtigkeit von neuem ins Gedächtnis zu rufen.

Die Jagd nach der Kaiserkrone wurde jedoch dadurch nicht aufgehalten. Die zahlreichen Helfershelfer des 2. Dezember warteten auf ihren Lohn und nur ein Monarch konnte ihnen den geben. Schon bei der Verteilung der Adler an die Armee am 10. Mai war man auf die Proklamierung des Kaiserreichs gefaßt; aber Ludwig Napoleon war der Volksstimme zu sicher, um die Krone aus der Hand von Prätorianern nehmen zu wollen. Er wußte, daß der Bürger- und Bauernstand in dem Despotismus die Zuflucht vor den Gewittern der republikanischen Freiheit sah, daß sie von ihm nicht kriegerischen Ruhm, sondern Frieden und Ruhe verlangten. Und diese zu versprechen wurde der Prinz nicht müde, wo immer er auf seinen, wahren Triumphzügen gleichenden Reisen eine größere Stadt berührte. Bei dem ihm am 9. Oktober in Bordeaux gegebenen Festmahle geschah es zum erstenmale, daß er offen den Entschluß ankündigte, dem an ihn ergangenen Rufe Frankreichs Folge zu leisten. Es besteht," sprach er, eine Furcht, welche ich

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zerstreuen muß. Mißtrauische sagen zu sich selbst: das Kaiserreich ist der Krieg; ich sage, das Kaiserreich ist der Friede, weil Frankreich ihn wünscht, und wenn Frankreich zufrieden ist, so ist die Welt ruhig." Bei der Rückkehr nach Paris wartete seiner schon ein kaiserliches Ceremoniell, alles bestürmte ihn mit Kundgebungen so unzweideutiger Art, daß er ihnen wohl nachgeben mußte. Senat und Gesetzgebender Körper, auf den 4. November einberufen, beschlossen dem Volke das Plebiscit vorzulegen, ob es die Wiederherstellung der kaiserlichen Würde in der Person Ludwig Napoleon Bonapartes mit Erblichkeit in seiner direkten legitimen oder Adoptivdescendenz wolle. Die Abstimmung ergab 7 824 129 Ja gegen 253 149 Nein.

Das Kaiserreich, dem seit dreißig Jahren die Litteratur, die Kunst und die Politik vorgearbeitet hatten, war wieder erstanden, der Traum von Arenenberg und Ham zur Wirklichkeit geworden. Mit Bezug darauf, daß der König von Rom im Jahre 1815 rechtmäßig von den Kammern als Throninhaber anerkannt worden war, nannte sich der neue Kaiser Napoleon III. „Helfen Sie mir," redete er den Senat bei Überbringung des Abstimmungsresultats an, in diesem durch so viele Revolutionen erschütterten Lande eine dauerhafte, auf Religion, Gerechtigkeit, Rechtschaffenheit und Fürsorge für die leidenden Klassen gegründete Regierung aufrichten. Empfangen Sie hier von mir den Schwur, daß ich keine Mühe sparen werde, die Wohlfahrt des Landes zu sichern, und daß ich in nichts nachgeben werde, was die Ehre oder die Würde Frankreichs angeht." Die Zivilliste wurde ungerechnet drei Millionen aus dem Ertrag der Staatswaldungen wie für den ersten Napoleon auf fünfundzwanzig Millionen festgesetzt. Die kaiserlichen Prinzen erhielten nur 11⁄2 Million Apanage, die der Kaiser nach Gutdünken unter fie verteilte. Für jedes Mitglied des Gesetzgebenden Körpers wurden 2500 Frank, für jeden Senator jährlich 30 000 Frank ausgeworfen, die Generale Saint Arnaud, Magnan und Castellane in Anerkennung der außerordentlichen Ansprüche auf die öffentliche Dankbarkeit, die sie sich durch die im Dezember 1851 geleisteten Dienste erworben hatten, zu Marschällen ernannt. Die Verfassung erfuhr zwei wichtige Einschränkungen: erstens sollte der Gefeßgebende Körper in Zukunft das Budget jedes Ministeriums en bloc votieren, ohne das Recht, einzelne Posten daraus zu verwerfen; zweitens erhielt der Kaiser Vollmacht Handelsverträge abzuschließen, ohne daß dieselben der Zustimmung des Geseßgebenden Körpers bedurften. Bei den Wahlen trieben die Präfekten die Wähler zur Urne, um nach dem Ausdrucke des Ministers Billaud „in einer ungeheuern populären Manifestation die unmerkliche Minderheit der feindlichen Parteien zu ertränken," und das System der offiziellen Kandidaturen ließ von dem allgemeinen Stimmrechte nur noch eine Parodie bestehen. Ein neues Munizipalgesez sezte, die vorhandene Zentralisition noch weiter verstärkend, auch die Gemeindeverwaltung in noch strengere Abhängigkeit von der Regierung als zuvor. Danach wurden in den Gemeinden von mehr als 3000 Einwohnern der Maire und dessen Adjunkt vom Kaiser ernannt, in den übrigen

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