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Graf Bismarck für diese Übelstände Abhülfe schaffen würde. Bismarck bemerkte darauf, daß Carlowit ein besonderes Geschick habe, heikle Fragen zur Sprache zu bringen. Was Luxemburg betreffe, so gebe es kein Drittes, entweder müsse man den König-Großherzog in den Bund aufnehmen oder auf die Aufnahme des Landes verzichten. Wolle Carlowitz die Luxemburger Frage weiter behandeln, so werde er vielleicht Gelegenheit finden, eine europäische Frage zu schaffen. Über das Bündnißrecht der süddeutschen Staaten habe er, Bismarck, schon einmal Äußerungen gethan, welche Carlowitz nicht gehört oder nicht verstanden habe; so wolle er denn ausdrücklich wiederholen, daß ihr Zusammenstehn mit uns gegen jede auswärtige Gefahr seit den Friedensschlüssen vertragsmäßig gesichert sei.

Die Verhandlung hatte doch im Hause so großen Eindruck gemacht, daß Bismarck sich veranlaßt fand, die Truund Schuzbündnisse mit Baden, Würtemberg und Bayern am folgenden Tage, dem 19. März, zu veröffentlichen. Er that dies um so unbedenklicher, als er selbst kurz vorher dem Grafen Benedetti Kenntniß von ihrem Inhalt gegeben, und zugleich erfahren hatte, daß derselbe schon längst der französischen Diplomatie kein Geheimniß geblieben war. Dennoch sollte, wie wir bald sehn werden, die Veröffentlichung für Napoleon äußerst unangenehme Folgen haben.

Der Reichstag begann an diesem Tage die Berathung über die Competenz der Bundesgesetzgebung. Der Entwurf bestimmte, daß die verfassungsmäßigen Bundesgesetze den Landesgesetzen vorgehn würden, daß die Übereinstimmung der Mehrheitsbeschlüsse im Bundesrath und im Reichstag zu einem Bundesgesetz erforderlich und ausreichend sei, daß

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Competenz der Bundesgesetzgebung.

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im ganzen Bundesgebiete ein gemeinsames Indigenat bestehn sollte, kraft dessen jeder Angehörige eines Bundesstaats in jedem andern als Inländer zu behandeln sei. Sodann zählte ein Artikel die Angelegenheiten auf, welche der Aufsicht und der Gesetzgebung des Bundes unterliegen würden: er beschränkte sie beinahe ganz auf die Gebiete des Handels und Verkehrs, so wie der materiellen Interessen überhaupt; der Bund sollte Zölle und indirecte Abgaben, folglich keine directen Steuern erheben.

Diese Abgrenzung erschien auf verschiedenen Seiten in verschiedener Richtung zu enge. Zuerst begehrte SchulzeDelitzsch die Bildung einer Commission mit dem Auftrage, die Grundrechte der Deutschen zu redigiren, und die katholische Gruppe schloß sich ihnen an mit der Forderung, die Freiheitsrechte der Religion und der Kirche ebenfalls durch die Bundesverfassung festzustellen. Aber zu lebhaft erinnerte sich die Mehrheit des Zeitverlustes, welchen 1848 das Parlament durch die endlose Berathung der Grundrechte erlitten; man wollte nicht wieder an derselben Klippe scheitern, und wies, da fast in allen Staaten die Grundrechte bereits einen Theil der Landesverfassungen bildeten, beide Anträge mit großer Stimmenmehrheit ab. Kaum ein besseres Schicksal hatte ein vermittelnder Antrag der Nationalliberalen, durch ein fünftiges Bundesgeset möge ein Minimum der Grundrechte festgestellt werden, welches keine Regierung ihren Unterthanen vorenthalten dürfe. Von links her wurde bemerkt: und wenn es einmal einen servilen Reichstag gäbe, wie würde dieser kraft eines solchen Gesetzes das Minimum in ein Nichts auflösen. Auf der Rechten wollte man von Grundrechten überhaupt nichts wissen; vom Regierungstische

fam ein kräftiger Widerspruch, und der Antrag fiel durch 130 gegen 128 Stimmen.

Besseres Glück hatten die Nationalliberalen mit einem Antrag, das Wort „indirecten“ (Steuern) zu streichen, und damit der Bundesgewalt das Recht zur Erhebung directer Steuern offen zu halten. Troß einer Verwahrung des hessischen Bundescommissars, welche pflichtmäßig aber nicht energisch der preußische Finanzminister unterstüßte, wurde der Antrag mit 125 gegen 122 Stimmen angenommen.

Eine

Ebenso wichtig war ein weiterer Erfolg auf dem Gebiete der Rechtseinheit. Miquel und Gerber beantragten, das gesammte bürgerliche Recht, das Strafrecht und das gerichtliche Verfahren der Bundesgesetzgebung zu überweisen. andere juristische Autorität, Herr von Wächter, sonst damit einverstanden, wollte das Strafrecht ausschließen; die nationalliberale Fraction beschloß nach langer Erwägung, Strafrecht und Proceß, von dem Civilrecht aber nur das Obligationenrecht in den Antrag aufzunehmen, und beauftragte Lasker mit der Vertretung dieses Standpunkts. Das Haus entschied darauf im Sinne der Fraction. Wie bekannt hat einige Jahre später Miquel's Ansicht es davon getragen, ob mit Recht, wird sich erst nach Vollendung und Einführung des neuen deutschen Civilgesetzbuchs entscheiden lassen.

Endlich wurde auf Twesten's Antrag den Gegenständen der Bundesgesetzgebung noch hinzugefügt das Heerwesen und die Kriegsmarine. Für jezt sollten nach dem Entwurf die preußischen Militärgejeze im ganzen Bunde gelten, daraus folge aber von selbst, daß deren künftige Fortbildung Bundessache sein müsse. Um die Autorität des Bundesfeldherrn zu sichern, fügte Twesten, unter lebhaftem Widerspruch der

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Mehrfache Erweiterungen des Entwurfs.

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Linken, die Clausel hinzu, daß keine Neuerung auf diesem Gebiete ohne dessen Zustimmung erfolgen dürfe. Bismarck crklärte den Antrag mit der Clausel für annehmbar, und das Haus beschloß die Genehmigung.

Die Versammlung trat darauf in die Berathung über den wichtigsten Theil ihrer Aufgabe ein, die rechtliche Stellung der Organe der Bundesgewalt, des Bundesraths, des Bundespräsidiums, des Reichstags. Wir haben uns schon früher die wesentlichen Bestimmungen des Entwurfs vergegenwärtigt: der Bundesrath als der eigentliche Träger der Souveränität in Gesetzgebung und Regierung; in demselben ist das Bundespräsidium ganz ausschließlich mit der Vertretung des Bundes nach Außen beauftragt, nur daß Verträge, deren Gegenstand unter die Bundesgesetzgebung fällt, der Genehmigung des Bundesraths bedürfen; das Präsidium ist sodann ausgestattet mit der obersten Leitung des Heer- und Flottenwesens, der Posten und Telegraphen, so jedoch, daß für jeden dieser Verwaltungszweige, so wie für Zoll- und Steuerwesen, für Handel und Verkehr, für Justiz und Rechnungswesen der Bundesrath je einen Ausschuß bestellt und durch diesen auf die Verwaltung Einfluß übt, über dessen Ausdehnung weiter. nichts gesagt ist. Das Präsidium ernennt einen Bundesfanzler, der im Bundesrath den Vorsitz führt, die Geschäfte leitet und die hienach zu erlassenden Verfügungen des Präsidiums gegenzeichnet, übrigens sich durch jedes Mitglied des Bundesraths vertreten lassen kann. Jedes Mitglied des Bundesraths kanr. im Reichstag erscheinen und jeder Zeit das Wort ergreifen (wie die Minister in den Landtagen). Das Präsidium beruft, vertagt und schließt den Reichstag; zur Auflösung bedarf es der Zustimmung des Bundesraths.

Execution gegen eine bundeswidrig handelnde Regierung hat, wo Gefahr im Verzuge ist, das Präsidium, in allen andern Fällen der Bundesrath zu beschließen.

Man sieht deutlich, wie hier ganz planmäßig eine scharfe Abgrenzung der Befugnisse des Bundesraths und des Präsidiums vermieden ist. Ohne Frage hat das Präsidium auf allen Gebieten eine überragende Stellung, aber auf jedem findet sich in irgend welcher Weise auch der Bundesrath wirksam. Gewisse Grundlagen sind festgestellt, aber ein breiter Raum ist für die freie Entwicklung der Zukunft gelassen.

Es scheint einleuchtend, daß in einem solchen System fein Raum für ein im juristischen Sinne verantwortliches Ministerium war. Alle conservativen Mitglieder des Hauses waren damit von Herzen einverstanden. Ebenso bestimmt aber erhob sich dagegen die demokratische Linke. Wenn die dem Bundesrath hier gegebene Stellung, rief Schulze-Delißsch, ein verantwortliches Ministerium unmöglich macht, so folgt daraus nur, daß der Bundesrath jeder Theilnahme an der Executive entkleidet und streng auf das Gebiet der Gesezgebung beschränkt werden muß. Ganz in diesem Sinne stellte die Fraction den Antrag, die Ausschüsse des Bundesraths ganz zu streichen, und dann zu erklären: Die Bundesgewalt steht der Krone Preußen zu, und sie übt dieselbe durch verantwortliche Minister. Mit düsterem Eifer prophezeite Waldeck, wenn dieses Palladium aller politischen Freiheit in der Verfassung fehle, werde der neue Bund nichts als eine elende Fortsetzung des alten sein, ohnmächtig nach Außen, reactionär im Innern. Die Welt weiß es, wie sehr der Erfolg seine Sehergabe in jeder Hinsicht Lügen gestraft hat.

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