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Bismarck sagte, er werde das Mögliche thun, ihm bald eine Antwort zu verschaffen.

Also nach drei Monaten, klagte Benedetti, sei noch nichts in der Sache geschehn. Er meinte, Bismarck habe seinen Sinn geändert, denke hinzuhalten und schließlich abzubrechen. Da sei es für Frankreich am Besten, eine nußlose und damit gefährliche Unterhandlung auf der Stelle fallen zu lassen. Der Minister Moustier, seit langer Zeit kein Freund Bismarck's, war derselben Meinung. Napoleon aber, stets von dem Wunsche beseelt, irgend einen Territorialerwerb zu machen und damit durch Beruhigung der französischen Chauvinisten den Frieden zu sichern, befahl, einstweilen sich zu gedulden und Bismarck's weitere Eröffnungen abzuwarten1). Er blieb um so fester in diesem Entschlusse, als er für den schlimmen. Fall den Entwurf zu einer Verdopplung des französischen Hecres hatte ausarbeiten lassen, dann aber, gleich nach der Veröffentlichung dieses Plans einen Sturm der Entrüstung im ganzen Lande losbrechen sah über diese unerträgliche Vermehrung der Militärlast, so daß er sich beeilte, den Entwurf wieder zurückzuziehn. Der Contrast zwischen dem chauvinistischen Geschrei und dem Zurückstoßen der Mittel zu seiner Wirksamkeit war so grell wie möglich.

Unterdessen ging in Norddeutschland die Errichtung der drei neuen Armeecorps aus den annectirten und eines vierten aus den verbündeten Staaten ihren raschen Gang, und Bismarck legte dem Könige die französischen Anträge vor. Es geschah, was er vorausgewußt hatte: für eine französische Allianz zeigte der König überhaupt keine Neigung, und insbesondere hielt er die Bewahrung Luxemburgs für seine, 1) Rothan, Luxembourg p. 94 ff.

1867

Ungeduld in Paris.

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durch europäische Verträge ihm übertragene Pflicht. Zunächst wurde Moltke mit einem Gutachten über die militärische Bedeutung der Festung beauftragt, und wie man sich denken kann, mahnte der General zu ihrer Behauptung, eine Ansicht, der einige Wochen später ein Gutachten Roon's nicht widersprechen konnte. Bismarck erörterte dagegen, daß unter den heutigen Verhältnissen das enge Felsennest doch entschieden nicht mehr für uns die Wichtigkeit habe, wie vor hundert Jahren als östliche Deckung für das österreichische Belgien, und hob als den entscheidenden Punkt die Frage hervor, welcher Nachtheil für Preußen größer sei, die Räumung von Luxemburg oder der verfrühte Ausbruch des französischen Kriegs. Denn daß die Räumung ein Nachtheil sei, war auch seine Meinung; er hielt sie nur für das kleinere Ubel im Vergleich zum sofortigen Krieg.

So verging der December, und sehr bald nach dem Beginn des Jahres 1867 war in Paris die abwartende Geduld zu Ende1). Der Staatsminister Rouher erklärte dem Grafen Golz: in kurzer Frist steht uns die Eröffnung der Kammern bevor, ich habe dort die öffentliche Meinung über das Verhältniß zwischen unsern beiden Ländern zu beruhigen; die seit Monaten fortdauernden Gespräche müssen zum Schluß kommen; wir müssen erfahren, ob Preußen seine Besatzung in Luxemburg stehn lassen, ob Graf Bismarck seine durch hohe Weisheit eingegebene Politik aufgeben will. In gleicher Weise lautete Moustier's Auftrag vom 7. Januar an Benedetti. Wir wollen nicht drängen und nicht drohn, aber die herannahende Eröffnung der Kammern nöthigt uns eine bestimmte Erklärung zu fordern. Benedetti, obgleich nicht ohne Sorge 1) Rothan p. 115 ff.

über den Ausgang, beeilte sich den Befehl zu vollstrecken, und hatte am 10. Januar das entscheidende Gespräch mit Bismarck.

Benedetti begann mit der Luxemburger Frage. Würde der König sich nicht bestimmen lassen, aus eignem freiem Entschlusse bei der Veränderung der deutschen Verfassung scine Truppen aus Luxemburg abzurufen? Bismarck_verneinte sehr bestimmt. Der König, sagte er, ist der Sclave seiner Pflicht, und er hält es für seine Pflicht, einen Plaz zu bewahren, dessen Hut ihm von Europa aufgetragen worden ist. Er erinnerte jetzt den Botschafter an den ihm schon vor fünf Monaten gemachten Vorschlag, Frankreich möge in Luxemburg ein Votum der Bevölkerung veranlassen, aus dem der König ersehn könne, wie lebhaft der Abzug seiner Truppen. dort gewünscht werde. Oder noch besser, suhr er fort, laßt eine Gruppe von Notabeln oder die Handelskammer der Stadt außer dem Abzug der Truppen auch die Schleifung der Festung als ein Pfand des Friedens begehren. Benedetti wüthete im Herzen, daß Frankreich selbst die Vernichtung eines Werks seines großen Vauban betreiben sollte, verbiß aber seinen Zorn, und erkundigte sich über das Schicksal seiner zweiten Frage, des Schutz- und Truzbündnisses. Aber er erlebte auch hier geringen Trost. Bismarck mußte ihm crklären, daß der König von einer Offensiv-Allianz nichts wissen wollte, die ihn zu bewaffneter Unterstügung der Einnahme Belgiens durch die Franzosen verpflichten würde. Im günstigsten, heute aber keineswegs schon sichern Falle, sagte Bismarck, würde sich der König zu einer einfachen DefensivAllianz bestimmen lassen, welche dem Kaiser Napoleon Preußens wohlwollende Neutralität bei jedem Unternehmen

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Abbruch der Allianzverhandlung.

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verbürgte 1). Es war überall derselbe Standpunkt: eine thätige Mitwirkung zu den französischen Plänen auf Luxemburg und Belgien ist für uns unmöglich, wir können aber auf dieser Seite Vieles geschehen lassen, wenn seinerseits Frankreich die nationale Neugestaltung Deutschlands in redlicher Freundschaft sich vollenden läßt.

Wäre der hier zur Sprache gebrachte Neutralitätsantrag bereits ein sicheres, vom Könige genehmigtes Angebot gewesen, so hätte er für Frankreich eine große Bedeutung gchabt, da er unter den damaligen Verhältnissen jede europäische Coalition gegen Frankreich unmöglich gemacht hätte. Wie er aber auftrat, ohne königliche Genehmigung, unter Unsicherheit der Energie, mit der Bismarck die Neutralität dem Könige empfehlen und sie bei einem französischen Angriff auf Belgien aufrecht halten würde und dazu noch Preußens Weigerung, im Haag die Abtretung Luxemburgs vorzuschlagen, und endlich die Zumuthung an Frankreich, die Schleifung der Festung Luxemburg selbst zu veranlassen: da mußte in Paris die übelste Wirkung entstehen.

Napcleon war entrüstet. Er wünschte, Belgien ohne Kampf gegen eine Großmacht zu erwerben; das hätte ihm Preußens Offensivbund geleistet. Aber eine so unsichere Aussicht auf preußische Neutralität gab ihm keine Gewähr gegen Englands Widerstand. So brach er kurz ab. Ich will Luxemburg, erklärte er, nicht ohne die Festung; die Ablehnung der Offensiv-Allianz zeigt mir, daß Preußen überhaupt keinen. Drang hat, mit mir in eine feste und wirksame Verbindung zu treten; ich aber bin nicht geneigt, mich mit einem Genossen

1) Rothan S. 124, aus der gleich nach dem Gespräch geschriebenen, zwanzig Seiten langen Depesche Benedetti’3.

einzulassen, der mir eine so unsichere Gesinnung entgegen bringt; möge also die große Bündnißfrage auf sich beruhn bleiben. Sie war in der That damit begraben.

Einige Wochen nachher ließ Moustier noch einmal in Berlin erklären, man sei stets zum Bündniß bereit. Es hatte den Werth einer Visitenkarte, die man bei einem Bekannten zu einer Zeit abgibt, wo er sicher nicht zu Hause ist.

Napoleon's Stimmung hatte unter dem Eindruck der Berliner Nachrichten eine vollständige Wandlung erfahren. In diesem Moment entschied sich, wie wir später darlegen werden, ein gründlicher Umschlag seiner innern Politik, und zugleich ein fester Entschluß, trog aller Hindernisse Frankreichs Streitkräfte so stark wie möglich zu vermehren. Denn ganz entschieden hielt er an dem Gedanken der Erwerbung Luxemburgs fest, die er ebenso wie seine Minister und der Graf Benedetti als die erste Station auf der Straße nach Brüssel betrachtete. Es wurde beschlossen, da Preußen im Haag nicht dafür wirken wollte, die Sache jezt selbst in die Hand zu nehmen, und zwar gerade auf dem von Bismarck bezeichneten Wege, zunächst einer populären Agitation in Luxemburg, sodann einer geheimen Unterhandlung im Haag. Nach dem Contraste des lezten Gesprächs mit den im August von Bismarck zugelassenen Hoffnungen regte sich in Paris gegen den Minister, der freilich nie ein Versprechen gegeben, ein starkes Mißtrauen, jedoch blieb man auch jezt bei dem Gedanken, wenn man lediglich dessen eigne Rathschläge ausführe, könne er doch unmöglich hindernd eingreifen; er werde eben geschehen lassen, und demnach auch ohne förmliche Allianz Preußens Neutralität in dieser Angelegenheit thatsächlich gesichert sein. Marquis Moustier sandte bereits einige

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