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Eine Auffassung, bemerkte der oben citirte „Augenzeuge“, welche der Prinz doch nicht zu theilen vermochte.

Der Prinz begab sich darauf zum Könige und theilte ihm Bismarck's Ansicht mit. Der König aber wollte nichts davon wissen, sondern blieb bei seiner Abmahnung, worauf der Prinz seinen Entschluß in begeisterter Rede vertheidigte. Das Ende war eine Erklärung des Königs, er müsse auf seinem Standpunkt beharren; wenn den Prinzen jedoch ein innerer Drang unaufhaltsam vorwärts treibe, könne er ihn nicht hindern. Der König gewährte ihm Urlaub nach Düsseldorf; er umarmte beim Abschied den jungen Helden; sein lehtes Wort war: Gott behüte Dich!

Eine Reise nach Paris, wie sie Bismarck empfohlen hatte, erschien doch bedenklich. Statt dessen beschloß man Erkundigungen durch geheime Canäle, wobei man über die Pariser Politik besondere Erfahrungen machte. Eine vornehme, mit dem Minister Drouyn de Lhuhs befreundete Dame wurde veranlaßt, diesen zu sondiren: der Minister antwortete, Napoleon werde nie eine vollendete Thatsache anerkennen. Darauf schrieb der Prinz an eine Dame in Paris, Frau Cornu, auf die Napoleon persönlich ein großes Vertrauen sezte; die umgehende Antwort mahnte dringend zur Schaffung der vollendeten Thatsache. Am 1. Mai erschien Bratianu als Führer einer rumänischen Deputation, welche das Schlußergebniß des Plebiscits überbrachte; der Prinz sprach ihr seine Zustimmung aus; da aber der König noch einmal wegen des Widerspruchs der Mächte abgerathen hatte, reiste der Fürst Karl Anton nach Berlin, um einen günstigern Bescheid zu erwirken. Am 5. kam er zurück. Der König weigerte nach wie vor die Ertheilung einer Erlaubniß; er wolle ihm

1866 Prinz Karl tritt die Regierung Rumäniens an. 353

aber Urlaub geben, unter der Bedingung, daß er bei der Überschreitung der Grenze seinen Abschied einreiche; ein preußischer Officier könne im Augenblick der Mobilmachung nicht außer Landes gehn. Am 11. Mai verschwand darauf der Prinz plöglich aus Düsseldorf und erschien, auf der Reise durch das ihm feindselige Österreich, halb verkleidet und von Niemand bemerkt, am 20. plöglich in Rumänien, wurde von unermeßlichem Jubel empfangen und nahm ohne Weiteres in Bukarest von der Regierung Besiz. Es zeigte sich bald, daß Bismarck und Fürst Karl Anton richtig gerechnet hatten. Wohl erklärte die Conferenz in Paris einstimmig die Vertragswidrigkeit und folglich die Ungeseßlichkeit der Wahl, aber als darauf die hohe Pforte die Vollmacht zu Zwangsmaaßregeln forderte, erfuhr sie Zurückweisung auf allen Seiten. Die Türkei wünschte keine russischen, Rußland feine türkischen Truppen in Rumänien zu sehn, Österreich aber, welches soeben in den Kampf gegen Preußen hineinschritt, hatte keine Sehnsucht, in seinem Rücken irgend ein Kriegsfeuer auflodern zu sehn. So konnte Fürst Karl ungestört sein Ministerium bilden, Truppen an den türkischen. Grenzen aufstellen, die Verwaltung des Landes in vorläufige Ordnung bringen. Daheim aber erklärte Preußen allen Mächten, daß der Prinz vollkommen selbständig verfahren sei und für seinen Schritt die Erlaubniß des Königs weder nachgesucht noch erhalten habe. Es entsprach vollkommen den Thatsachen; aber kein Mensch wollte es glauben. Eine solche Behauptung, daß unter einem so willensstarken König wie Wilhelm I., unter einem so energischen Minister wie Graf Bismarck ein preußischer Prinz einen solchen Schritt ohne königliche Zustimmung gewagt hätte, erschien aller

v. Sybel, Begründung d. deutschen Reiches. VI.

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Welt als eine Fabel. Niemand dachte an das Sigmaringer Hausgesetz und den strengen Rechtssinn des Königs.

Indessen fuhr das Glück fort, dem Muthigen hold zu sein. Der Ruhmestag von Königgrät, wo einer seiner Brüder den Heldentod fand, sicherte den Fürsten vor jeder Bedrohung durch Österreichs Abneigung, und der plößlich ausbrechende Aufstand der Insel Kreta lenkte die Sorgen und die Kräfte der Pforte auf das Gründlichste von dem Eindringling auf dem rumänischen Throne ab. Fürst Karl beeilte sich, das Ereigniß benuhend, dem Sultan die Unterwerfung unter dessen lehnsherrliche Rechte entgegen zu tragen; so erlangte er im October die feierliche Investitur als erblicher Beherrscher Rumäniens unter türkischer Oberhoheit. Damit war denn auch für die Großmächte jeder Rechtsgrund gegen seine Erhebung beseitigt, und eine nach der andern vollzog die diplomatische Anerkennung des jungen Herrschers.

Es ist nicht unseres Ortes, die innere Entwicklung Rumäniens darzustellen; die Welt weiß, mit welchem Erfolge die politische Begabung Karl's I. seine schwierige Aufgabe gelöst hat. Wir haben nur auf einzelne Momente hinzuweisen, die für die allgemeine Politik Europas und insbesondere für die Stellung Preußens in Betracht kamen.

Fürst Karl hatte in seiner preußischen Stellung gelernt, daß die erste Grundlage eines sicher geordneten Staats ein tüchtig ausgebildetes und disciplinirtes Heer ist. Was er aber von dergleichen in der neuen Umgebung vorfand, war trostlos: kräftige und muthige Jünglinge in Fülle, im Übrigen jedoch Mangel und Entblößzung, Unbildung und Zuchtlosigkeit. Was eine französische Militärcommission, die auf den Wunsch der frühern Regierung gesandt war, seit 1864 zu Stande

1867

Die rumänische Armee. Eroberungspläne.

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gebracht hatte, war während der letzten Unruhn weggeschwemmt worden. In dieser Noth richtete der Fürst seinen Blick auf die alte Heimath und bat den König um einige preußische Officiere als Lehrmeister und um die Gestattung eines Ankaufs von 20 000 Hinterladern in den königlichen Waffenfabriken. Der König fand diese Wünsche verständig und angemessen, allein der Kriegsminister von Roon erklärte sehr bestimmt, zuerst müsse die preußische Armee alle in ihrem Waffenmaterial während des Krieges erlittenen Schäden wieder ergänzt haben, ehe sie zu so großen Verkäufen schreiten könne. Es vergingen darüber fünf Vierteljahre, und als endlich im Frühling 1868 der erste Waffentransport abgesandt werden sollte, waren in dem Zustande Rumäniens erhebliche Änderungen eingetreten. Fürst Karl hatte, auf dringendes Anrathen Preußens, in seiner auswärtigen Politik sich mehr und mehr dem russischen Hofe anzunähern und ohne formelle Verpflichtungen die Gunst des Zaren mit Erfolg zu gewinnen. gesucht. Im Innern behauptete sich an der Herrschaft seit März 1867, auf eine starke Mehrheit der Volksvertretung gestüßt, die radicale Partei, unter dem leitenden Einflusse Joan Bratianu's, eines von der Natur mit blendenden Vorzügen, Erfindungskraft, Beredsamkeit, demagogischem Talente ausgestatteten Mannes, dem seine durch heiße Ehrsucht aufgestachelte Fantasie maaßlose Ziele emportrieb, der aber nicht die Fähigkeit zu gründlicher Arbeit und zu klarer Berechnung der für die wilden Entwürfe erforderlichen Mittel besaß. Ihm stand das Bild eines großen dako-rumänischen Reichs vor der Seele, wozu Bulgarien auf der einen, Bessarabien, Siebenbürgen, Bukowina und Banat auf der andern Seite gehören sollten. Schon als er Anfang Mai 1866 die

rumänische Deputation nach Düsseldorf führte, um dem Prinzen Karl seine Wahl anzukündigen, hatte er ihm, um den Reiz des Angebots zu erhöhn, eine Karte von Großrumänien vorgelegt, auf der alle jene Landschaften als Eigenthum der rumänischen Krone eingezeichnet waren. Der Prinz aber hatte von so ausschweifenden Plänen nichts wissen wollen. Jezt aber lenkte Bratianu als Minister des Innern die Verwaltung des Landes, und ohne den Fürsten, der ihm volles Vertrauen schenkte, viel zu fragen, schritt er zu einer weiten revolutionären Agitation. Im Juni 1867 kam es in mehreren bulgarischen Orten zu Aufständen, die jedoch von dem türkischen Pascha auf der Stelle blutig unterdrückt wurden. Türkischer Seits wurden Anregung und Unterstüßung der Tumulte der rumänischen Regierung zur Last gelegt, von dieser, wie sich versteht, die Anklage bestritten, von der übrigen Welt aber um so mehr geglaubt, als einige Wochen später in Bukarest ein großer Congreß von Vertretern der dako rumänischen Nation aus allen oben genannten österreichischen Provinzen mit großem Pomp zusammentrat, allerdings nach seinem Programme lediglich mit der harmlojen Absicht, eine dako-rumänische Akademie zu begründen. Damals war es, daß in Salzburg Graf Beust von der Möglichkeit einer Besegung Rumäniens durch Österreich redete, und Kaiserin Eugenie, zur Zeit dem Fürsten Karl günstig, dem Minister zurief: „Sie sind zu lebhaft, Herr von Beust.“ Allein Bratianu arbeitete weiter, in seinen Hoffnungen gesteigert durch den ernsten und unermüdlichen Eifer, womit Fürst Karl der Neubildung und Entwicklung des rumänischen Heerwesens oblag, während der Minister durch seine patriotischen Fantasien die Kammer für die Bewilligung eines reichen

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