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1867 Minister Varnbüler über das Wehrbündniß mit Preußen. 277

angegriffen wurde, nahm zu seiner Vertheidigung das Wort mit einer glänzenden, für die Person und die Sache gleich charakteristischen Rede. Mit stolzer Haltung trat er in den Streit ein. Man werfe ihm Unbeständigkeit seiner Politik vor. Wie es auch früher gewesen, im Jahre 1866 habe die Geschichte gesprochen und die deutsche Frage gelöst; die Anerkennung dieser Thatsache sei uns in dem Frieden dictirt; wenn er fortan nicht von dieser Grundlage aus handle, müsse er sich einen Träumer nennen. So der Beginn, und nicht anders am Schlusse: ich stehe nicht vor der Kammer, um sie um Verzeihung zu bitten; ich habe die Überzeugung, einen guten Vertrag geschlossen zu haben; ich spreche hier zugleich im Namen meiner Collegen; das Haus mag entscheiden, ich erwarte festes Muths den Richterspruch der Geschichte Württembergs.

In der That war die Darlegung der sachlichen Gründe für den Abschluß ebenso packend wie überzeugend; die Unmöglichkeit eines Anschlusses an Österreich, die Unmöglichkeit eines Südbundes, die Unmöglichkeit dauernder Isolirung, das Alles wurde unwiderleglich in's Licht gestellt. Man begehre für uns eine permanente Neutralität. Belgien und Luxemburg zeigen, was eine solche werth ist. Wer wird sie respectiren? Oder lebt bei uns die Kraft der Entsagung und Opferwilligkeit, um sie bis auf den lezten Blutstropfen zu vertheidigen? „Diese Kraft, es thut mir Leid, es zu sagen, findet man bei uns nicht.“

So weit war dem geistvollen Manne Alles trefflich gelungen. Dann aber gelangte er zu zwei Einwürfen, womit die Gegner die Verfassungswidrigkeit des Vertrags nachzuweisen meinten, und demnach eine (nicht vorhandene) Zweidrittelmehrheit für die Annahme forderten. Der Minister,

auf die Rettung der Verträge bedacht, war hier wie immer nach seinem starken Selbstbewußtsein bereit, für den augenblicklichen Erfolg auch die für die Zukunft bedenklichsten Mittel einzusehen. Man hatte ihm vorgehalten, die unbedingte Zusage voller Bundeshülfe bei jedem preußischen Kriege verlegte das Kronrecht des eignen Königs: er erwiderte, der Vertrag lasse der Regierung das Recht, bei jeder vorkommenden Verwicklung erst zu prüfen, ob der casus foederis vorliege; er könne das beweisen, denn bei dem Luxemburger Streit habe Bismarck selbst ihn gefragt, ob Württemberg hier den Bündnißfall anerkenne. Er ließ dabei die Thatsache unberührt, daß das Bündniß dem Genossen die Integrität seines Gebiets gewährleiste, und in diesem Falle also allerdings die Frage entstehn konnte, ob ein Garnisonsrecht im Auslande unter den Schuß des Bundes falle, daß daraus aber eine allgemeine Folgerung durchaus nicht zu ziehn war. Als auf Varnbüler's Beispiel hin der französische Gesandte in München den Fürsten Hohenlohe befragte, auch er erkenne doch seiner Regierung das Recht der Prüfung des Bündnißfalles zu, entgegnete Hohenlohe, das sei eine werthlose Doctorfrage; bei irgend einer Verwicklung zwischen Preußen und Frankreich würde das bayerische Volk dem Könige gar keine Wahl lassen. Ohne Zweifel, es war der solidere und vorausschauende Staatsmann, der so redete.

Die schwäbischen Demokraten hatten ferner sich beschwert, daß das preußische Bündniß das Land mit einer schädlichen Militärlast bedrohe. Varnbüler erläuterte: nach Bismarck's Erklärungen stelle Preußen uns die Regelung unseres Militärwesens völlig anheim. Es sei offenbar die Pflicht der Regierung und der Kammer, aus eignem Antrieb dafür zu sorgen,

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Ergebniß.

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daß Württemberg eine gute Armee erhalte, aber der Allianzvertrag an und für sich nöthige sie nicht dazu.

Es war nach dem Wortlaute des Vertrages völlig wahr, aber ein Hohn gegen den Zweck desselben.

Sehr schön, sagten darauf die Demokraten, wenn wir also nur drei Soldaten halten, diese aber sämmtlich Preußen zu Hülfe schicken, so haben wir unsere Bundespflicht vollständig erfüllt. Eine solche Gesinnung bedrohte die auch von Varnbüler gewünschte Armeereform mit schweren Gefahren, für den Augenblick half sie dem Minister zu vollständigem Sieg. Nach seinen Erläuterungen erklärte die Kammer, daß das Schuß- und Truzbündniß keine Verfassungsänderung in sich schließe, zur Annahme also die einfache Mehrheit ausreiche, und vollzog dann die Genehmigung mit 58 gegen 32 Stimmen. Am 31. October folgte die Annahme der Zollvereinsverträge mit 73 gegen 16 Stimmen. Die erste Kammer bestätigte am 1. November die Zollvereinsverträge einstimmig, das Bündniß mit 23 gegen 6 Stimmen. So waren alle Hindernisse überwunden, der Wehrverein bekräftigt, der Zollverein hergestellt und von dem Boden des alten Staatenbundes hinweg zu der gemeinsamen Angelegenheit eines jungen Bundesstaats erhoben. Als in Berlin am 6. November die Ratificationen ausgetauscht wurden, erklärte Preußen, daß die des Nordbundes nur unter der Vorausseßung erfolge, daß die Schuß- und Truzbündnisse nicht in Frage gestellt würden. Bayern legte gegen diesen Vorbehalt Protest ein, konnte aber damit die Thatsache nicht aus der Welt schaffen. Einige Wochen später erklärte Varnbüler der Kammer, es sei entschiedene Ansicht der Regierung, daß, nachdem sie durch den Abschlußz

der beiden Verträge mit Preußen ihre nationale Pflicht erfüllt habe, kein Grund vorliege, über diese Grenzlinie hinauszugehn.

Bismarck war zur Zeit derselben Meinung. Es wurde wohl gesagt, man könne den bayerischen Reichsräthen nur dankbar sein, daß durch ihren Widerspruch gegen den Zollverein jener Sturm im Lande hervorgerufen worden, bei dem die Stärke des nationalen Gedankens auch im Süden sich bekundet hatte. Immer aber war daneben auch eine Energie des particularen Hasses an das Tageslicht getreten, von der bis dahin in Norddeutschland nur wenige Menschen eine Ahnung gehabt hatten. Wenn Bismarck's Gedanke richtig war, nur solche Genossen in den Bund aufzunehmen, die mit voller Freude einträten, so stand die Vereinigung mit Bayern und Württemberg noch in weiter Ferne. Für jezt konnte höchstens die Erfüllung des badischen Wunsches auf Theilnahme am Nordbunde zur Sprache kommen. Hier aber hing die Antwort nicht allein von den innern Verhältnissen Deutschlands ab.

Ehe wir jedoch hierauf eintreten, vergegenwärtigen wir uns die politischen Strömungen in Preußen selbst, welche im Übergange von 1867 auf 1868 die Politik der Regierung bedingten.

Driffes Capitel.

Freußische innere Politik. Anfang 1868.

Nach der allseitigen Ratification des neugestalteten Zollvereins Anfang November 1867 eröffnete sich für den Grafen Bismarck die Aussicht auf eine lange, nur durch geringe Pausen unterbrochene Reihe parlamentarischer Arbeiten das kommende Jahr hindurch, im preußischen Landtag, im norddeutschen Reichstag, im Zollparlament, dann wieder im Reichstag und nochmals im Landtag. Noch schienen bei den allgemeinen Landtagswahlen am 7. November der Regierung günstige Sterne zu leuchten. Von ihren beiden Stüßen behauptete die conservative Partei die bisherige Stärke, die nationalliberale aber verdreifachte die ihrige, wesentlich durch die Wahlen der annectirten Lande, während die radicale Opposition beinahe vierzig ihrer bisherigen Site einbüßte. Der nationale Schwung der Gemüther, wie ihn die Triumphe von 1866 erweckt hatten, schien also noch fortzudauern, und für die weitere Entwicklung in dem fernern Zusammenwirken in und mit den beiden großen Fractionen der Regierung eine zuverlässige Mehrheit gesichert zu sein.

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