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1867

Salzvertrag und Salzsteuer.

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und nicht geringen Kosten der Verwaltung. Deshalb hatte Preußen im Frühling allen Staaten des Zollvereins den Vorschlag gemacht, überall eine Salzsteuer von 2 Thalern als gemeinschaftliches Einkommen des Zollvereins zu verabreden, natürlich unter der Voraussezung, daß der Zollverein erhalten bleibe. Die Norddeutschen waren sogleich einverstanden gewesen, die Süddeutschen hatten sich eine Zeitlang gesträubt, weil sie mehr Salz verbrauchten als die Bevölkerung im Norden, also bei der Ertragsgemeinschaft einigen Schaden erlitten. Endlich aber legten sie sich zum Ziele, und der Vertrag wurde am 8. Mai geschlossen. Auch im Reichstage wurden seine Vortheile allgemein anerkannt, das Sinken des Salzpreises von 2 auf 2 Thaler, das Verschwinden der Salzgrenzen. Aber die Fortschrittspartei erklärte, eine jede Steuer auf ein so nothwendiges Lebensbedürfniß auch der ärmern Classe sei absolut verwerflich, und Herr von Hoverbeck stellte den Antrag, die Steuer von 2 Thalern solle wegfallen am 1. Januar 1877 (dem Termin, bis zu dem der neue Vertragsentwurf den Zollverein einstweilen erstreckte). Delbrück erwiderte, jeder Zusah zu dem verabredeten Text vernichte den Vertrag vom 8. Mai, die Südstaaten würden dann mit Freuden zurücktreten, im Norden aber Monopol und Salzgrenzen bleiben. Wie solle man andrerseits den Ausfall der Steuer, beinahe 8 Millionen, ersehen? Waldeck that bei dieser Frage die charakteristische Äußerung: wenn Hoverbeck's Antrag verworfen wird, so stimmen wir gegen das ganze Gesetz; darin besteht der Unterschied zwischen uns und der andern Seite des Hauses, daß wenn wir ein gutes Gesetz nicht erlangen können, wir das schlechtere verwerfen, die Andern aber in diesem Falle dieses annehmen.

Das Unerreichbare begehren, das Erreichbare zurückweisen, jedes Compromiß verachten, das ist in der That die Politik des Radicalismus.

Indessen bekannte sich dazu nur eine kleine Gruppe im Reichstag. Hoverbeck's Antrag wurde mit 143 gegen 52 Stimmen abgelehnt, und darauf das unveränderte Gesetz auch von einem Theile der Opposition, also fast einstimmig, angenommen.

Was das Postwesen betraf, so hatte auch hierüber die preußische Regierung im Juli durch eine Conferenz mit den Südstaaten zu einigen gemeinsamen Einrichtungen zu kommen gesucht, die beiden Königreiche aber hatten sich dabei schlechthin ablehnend verhalten und die völlige Unabhängigkeit ihres Postregals als ein unveräußerliches Kronrecht betrachtet. Um so leichter kam im Reichstag die neue Organisation auf Grund der früher von Stephan verhandelten Verträge zu Stande. Die Commission des Hauses hatte den Geseßentwurf so sachverständig behandelt, daß ihre sämmtlichen Änderungen sofort von den Bundescommissaren angenommen wurden. Nur ein von Becker-Dortmund (Fortschritt) veranlaßter Zusatz, das Briefgeheimniß und dessen gesetzliche Ausnahmen betreffend, wurde aus formalen Gründen heftig bestritten. Jedoch ließ sich der Bundesrath bei der zweiten Lesung den Saz des lieben Friedens wegen gefallen. Denn, sagte man, der Bundesrath will, wie das Haus, das Briefgeheimniß, und wie er, will auch das Haus die Ausnahmen. Was ferner seit Jahren vergeblicher Wunsch gewesen, das einstufige Briefporto, cin Groschen für den frankirten Brief bis zu einem Loth Gewicht, ohne Unterschied der im Bundesgebiet zu durchlaufenden Entfernung wurde damals erreicht, und damit eine weitere

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Postwesen. Geseß über Kriegsdienstpflicht.

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Erleichterung des Verkehrs von größter Tragweite geschaffen. Wie sehr die hier begründete Verwaltung, damals unter Philippsborn's, später unter Stephan's Leitung, in stets wachsendem Maaße ihre Solidität und Leistungskraft während Friedens- und Kriegszeiten bekundet, welche mächtigen Verdienste sie weit über die Grenzen des Vaterlandes hinaus sich um die Entwicklung des gesammten Weltverkehrs erworben hat: das steht glänzend vor Aller Augen.

Nicht minder bedeutend war für die Festigkeit des Bundes der glückliche Abschluß eines vielumstrittenen, unzählige Male geforderten legislativen Actes, des Gesetzes über die Verpflichtung zum Kriegsdienste. Auferbaut auf den in der Bundesverfassung festgestellten Grundlagen passirte es jezt die Stadien der parlamentarischen Verhandlung fast ohne Widerspruch. Die Commission des Hauses hatte 22 Verbesserungsanträge eingebracht, der Regierungskommissar erklärte zum Beginn der ersten Lesung, daß der Bundesrath 19 davon als solche anerkenne und annehme. In der Generaldebatte entwickelte Waldeck noch einmal seine Begeisterung für die Landwehr als die echte Volkskraft im Gegensatz zur Linie, Liebknecht aber empfahl das Milizsystem der Schweiz, bei dem das Volk selbst seine Freiheit nach Innen und Außen schüße, während das preußische Linienheer 1806 von dem auswärtigen Feinde sich habe schlagen lassen, 1849 die Freiheit in Sachsen und Baden erdrückt habe. Im französischen Revolutionskrieg seien die deutschen Linientruppen an dem französischen Volksheer zerschellt; als Napoleon dieses allmählich zum Linienheere gemacht, sei er 1813 der preußischen Volkskraft erlegen. Es war nicht wohl möglich, den historischen Thatsachen stärker zu widersprechen, als es diesen beiden

Rednern gelang1). In der Specialdebatte wurde die von der Regierung vorgeschlagene Dienstfreiheit der Quäfer und der Mennoniten gestrichen, eine von Hoverbeck bestrittene Vollmacht für die Regierung, bei erscheinendem Bedürfniß einzelne Kriegsreservisten auf kurze Zeit auch im Frieden einzuberufen, anerkannt, sonst das Gesez nach den Commissionsbeschlüssen genehmigt, und damit die erste Quelle des großen Armeeconflicts auf langchin geschlossen.

Für den innern Ausbau des jungen Bundesstaates waren noch drei Gesezentwürfe, über die Nationalität der KauffahrteiSchiffe, die Bundesconsulate und das Bundesschuldenwesen, bestimmt, von welchen die beiden letzten wesentlich nach dem Muster der entsprechenden preußischen Geseze ausgearbeitet waren. Die beiden ersten fanden nach eingehender Prüfung die Zustimmung des Hauses. Bei dem lezten bewirkte der freiconservative Bethmann-Hollweg eine vom finanziellen Standpunkt aus nicht unbedenkliche Vorschrift, daß eine Zins

1) Es mag hier nur kurz daran erinnert werden, daß in Preußen die Linie ebenso wie die Landwehr zur Volkskraft, und die Landwehr ebenso wie die Linie zu einer geschulten und disciplinirten Armee gehört. Der Unterschied zwischen beiden besteht nur darin, daß die Soldaten der Linie unter, die der Landwehr über 27 Jahre alt sind, und jene ausschließlich von Berufsofficieren geführt werden.

Im Jahre 1813 waren Linie und Landwehr gleich oberflächlich ausgebildet, und bezahlten dies mit entseßlichen Verlusten. Es wird nur zu häufig übersehn, daß Napoleon's große Armee 1812 zu Grunde gegangen war, und der größte Theil seiner Truppen 1813 ebenfalls aus oberflächlich ausgebildeten Recruten bestand, die höchst widerwillig zum Dienst gepreßt worden, und deshalb der todesmuthigen Begeiste= rung der Preußen nicht gewachsen waren. dillin

Über das französische „Volksheer“ von 1793 bitte ich den rittend Band meiner Geschichte der Revolutionszeit, so wie die trefflichen Schriften von Camille Rousset über die Freiwilligen von 1792 und die levée en masse von 1793 zu vergleichen.

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Verwaltung der Bundesschulden. Paßzwang. convertirung nur unter Genehmigung des Reichstags erfolgen dürfte; ferner aber sehten Miquel und Genossen einen Zusaß durch, welcher die Beamten der Schuldenverwaltung civilrechtlich haftbar für jede Abweichung von den Vorschriften des Gesezes erklärte und dem Reichstag zur gerichtlichen Verfolgung der Schuldigen Vollmacht gab. Delbrück äußerte auf der Stelle schwere Bedenken gegen den Beschluß. Es lag auf der Hand, daß die Verfolgung solcher Fehler eines Beamten gesetzlich die Pflicht seiner vorgesezten Behörde, hier also in letter Instanz des Bundeskanzlers, war; auf diesen also wäre nach Miquel's Antrag eine gerichtliche Verantwortung gelegt worden, welche bei der Berathung der Verfassung der Reichstag abgelehnt hatte. Der Bundesrath sezte in der That den Beschluß über das so umgestaltete Gesetz einstweilen aus, verfügte also in milder Form die Ablehnung, womit dann allerdings auch die Realisirung der eben für Marinezwecke beschlossenen Anleihe von 10 Millionen Thaler bis zur Verständigung über die durch Miquel angeregte constitutionelle Streitfrage hinausgeschoben wurde. So verdrießlich diese Folge des Zwiespalts für die Regierungen auch war, so fest blieben sie auch in der Behauptung des bestehenden Verfassungsrechtes, welches weder eine gerichtliche Verantwortlichkeit des Bundeskanzlers, noch ein darauf gerichtetes Klagerecht des Reichstags kannte. Um so gewisser aber dachten sie durch die That zu zeigen, daß auch eine Regierung ohne verantwortliche Minister ein warmes Herz für die Freiheitsrechte des Volkes haben konnte. Ein von dem Bundesrathe vorgelegter Gesezentwurf hob mit einem Federstrich den Paßzwang auf, der mehrere Menschenalter hindurch alle Schichten der Bevölkerung beim Reisen behindert

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